KRIEG DES CHARLIE WILSON, DER | Charlie Wilson’s War
Filmische Qualität:   
Regie: Mike Nichols
Darsteller: Tom Hanks, Julia Roberts, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Ned Beatty, Emily Blunt, Rachel Nichols
Land, Jahr: USA 2007
Laufzeit: 102 Minuten
Genre: Action/Western
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S +
im Kino: 2/2008
Auf DVD: 5/2008


José García
Foto: Universal

Eigentlich sollte Mike Nichols’ Spielfilm „Der Krieg des Charlie Wilson“ („Charlie Wilson’s War“) schön anachronistisch wirken, weil er in den 80er Jahren angesiedelt ist und von einem Krieg erzählt, der in die längst vergangene Zeit des Kalten Krieges gehört. Dann aber macht ausgerechnet in der Woche, in der „Der Krieg des Charlie Wilson“ im deutschen Kino anlaufen soll, das Land Schlagzeilen, um das es hierbei geht: Afghanistan.

„Der Krieg des Charlie Wilson“ stellt eine Binsenweisheit unter Beweis, an die jedoch wenigstens in Hollywood keiner so recht glauben mag: Dass die unglaublichsten Geschichten doch das Leben selbst schreibt. Bezüglich der Wirklichkeitstreue des Spielfilmes zitiert die Wiener Zeitung „Der Kurier“ den echten, heute 74-jährigen Charlie Wilson, dieser halte das von Aaron Sorkin nach einem Sachbuch von George Crile verfasste Drehbuch sogar für „eine sanfte Version der Fakten“.

Diese Fakten lassen sich wie folgt zusammenfassen: Im Jahre 1980 wird ein texanischer Abgeordneter des amerikanischen Kongresses auf den Krieg aufmerksam, den die Sowjets in Afghanistan führen. Mit der Unterstützung seiner antikommunistisch eingestellten Geliebten und eines CIA-Agenten betreibt er die geheime Finanzierung der afghanischen Mudschaheddin: Die vom Kongress bewilligten Geheimmittel steigen von fünf Millionen auf eine Milliarde Dollar jährlich an. Als die Rote Armee schließlich aus Afghanistan abzieht, resümiert der pakistanische Präsident: „Charlie hat es geschafft“ („Charlie did it!“).

Regisseur Mike Nichols lässt sich Zeit, um diese drei Hauptfiguren zu etablieren: Charlie Wilson (Tom Hanks) tritt von der ersten Szene an als dem Alkohol nicht abgeneigter Frauenheld auf, der auch einmal auf Partys Drogen nimmt und sich selbst in seinem Abgeordnetenbüro von jungen, attraktiven Frauen umgibt. Charlie Wilsons Gelegenheits-Geliebte Joanne Herring (Julia Roberts) wird als zwar gläubige Christin gezeichnet, die auch einmal gerne einen Bischof an ihre Tafel bittet, aber andererseits keine Gewissensbisse verspürt, ihren Mann etwa mit Charlie zu betrügen. Der flotten Inszenierung dieses Widerspruchs ist es anzumerken, wie viel Spaß solche Seitenhiebe dem Regisseur bereiten.

Die texanische Millionärin drängt Charlie dazu, sich in einem afghanischen Flüchtlingslager ein Bild über die Lage zu verschaffen. Die erschreckenden Bilder von Kindern ohne Arme und die Hungersnot bestärken den Bonvivant mit gutem Herz darin, dass die Mudschaheddin mit Waffen versorgt werden sollen, mit denen sie die verheerenden sowjetischen Hubschrauber abschießen können.

Bei der schwierigen politischen Großwetterlage im Jahr 1980 war Charlie Wilson allerdings noch etwas anderes klar: Diese Waffen durften keinen Hinweis ihres Ursprungs aus den Vereinigten Staaten tragen. Um die Waffenlieferungen über Drittländer zu organisieren, sichert er sich deshalb die Unterstützung durch den CIA-Agenten Gust Avrakotos (Philip Seymour Hoffman). Zusammen verhandeln sie mit Politiker und Waffenhändlern aus Israel, Pakistan und Ägypten, um die afghanischen Widerstandskämpfer mit den richtigen Waffen auszurüsten.

Am Ende dieser Kämpfe, die unter der afghanischen Bevölkerung etwa 1,2 Millionen Todesopfer forderten und rund fünf Millionen Flüchtlinge verursachten, stand der Abzug der Sowjettruppen aus Afghanistan (1988-89). Es war der erste unfreiwillige Rückzug sowjetischer Truppen aus einem besetzten Land und – dies legt wenigstens Mike Nichols’ Film nahe – der Anfang vom Ende des Kalten Krieges.

Dass der Zuschauer angesichts der Fülle an Schauplätzen und beteiligten Parteien leicht den Überblick verlieren kann, ist eher eine genre-immanente Nebenerscheinung. Schwerer wiegt jedoch, dass der Regisseur zwischen Realismus und politischer Satire laviert.

Zwar sorgen die schlagfertigen-witzigen Dialoge für eine gewisse Auflockerung in einem sonst eher trockenen Politmilieu, sie dienen jedoch offensichtlich eher dazu, eine aus heutiger Sicht ironische Distanz zu der damals überaus positiven Einstellung zum US-Engagement in Afghanistan zu schaffen. Dadurch, dass die Vereinigten Staaten die von Wilson geforderte Aufbauhilfe ablehnten, riefen sie in den Mudschaheddin – unter denen auch Osama Bin Laden kämpfte – die Geister, die sie heute nicht mehr loswerden. Diese Folgerung liefert wenigstens Mike Nichols’ „Der Krieg des Charlie Wilson“.
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