MICHAEL CLAYTON | Michael Clayton
Filmische Qualität:   
Regie: Tony Gilroy
Darsteller: George Clooney, Tom Wilkinson, Tilda Swinton, Sydney Pollak, Michael O'Keefe, Robert Prescott, Ken Howard, Denis O'Hare, Austin Williams, Sean Cullen, Merritt Wever, David Lansbury
Land, Jahr: USA 2007
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: D
im Kino: 3/2008
Auf DVD: 6/2008


José García
Foto: Constantin

In den neunziger Jahren sorgten etliche John Grisham-Verfilmungen für einen Aufschwung des „Juristen-Thrillers“, bei dem Sydney Pollacks „Die Firma“ (1993) den Anfang machte. Meistens inszeniert dieses Filmgenre einen Kampf David gegen Goliath, sprich kleiner Anwalt gegen die Machenschaften einer großen Firma, wobei etwa in Steven Zaillians „Zivilprozess“ („A Civil Action“, 1998) sowie in Steven Soderberghs „Erin Brockovich“ (2000) solche Machenschaften in Umweltverbrechen bestehen.

In Tony Gilroys Regieerstling „Michael Clayton“, der für den diesjährigen Oscar in sieben Kategorien nominiert wurde (von denen er in einer gewinnen konnte), steht ebenfalls eine Zivilklage gegen einen mächtigen Konzern wegen Grundwasservergiftung im Mittelpunkt: Das Chemieunternehmen „U/North“ sieht sich mit einer Sammelklage von Landwirten konfrontiert. Die Rechtsanwälte des Konzerns versuchen auf dem Weg des außergerichtlichen Vergleichs eine Verurteilung abzuwenden, die nicht nur „U/North“, sondern auch die Anwaltskanzlei in ihrer Existenz bedrohen könnte.

Obwohl die Geschichte im Kern also keineswegs neu ist – sogar die Auflösung erinnert unweigerlich an Oliver Stones „Wall Street“ (1987) –, erhält Gilroys Inszenierung durch deren Blickrichtung jedoch Eigenständigkeit. Denn getreu seinem Filmtitel erzählt „Michael Clayton“ konsequent aus der Perspektive seines Protagonisten.

Dazu setzt Drehbuchautor und Regisseur Tony Gilroy einen wiederum genretypischen Kniff ein: „Michael Clayton“ beginnt mittendrin in seiner Story. An einem frühen Morgen hält eine schwere Limousine auf einer einsamen Landstraße an. Ein Mann mittleren Alters (George Clooney) steigt, angezogen von einer Gruppe Pferde, aus dem Wagen aus. Er ersteigt einen Hügel, um die Tiere aus der Nähe zu betrachten, als ihn plötzlich eine Explosion aus der Idylle reißt: Sein Auto ist von einem Sprengsatz zerstört worden.

Nun folgt die Einblendung „Vier Tage zuvor“. Die Geschichte kann von vorne beginnen. Aber der Zuschauer weiß bereits: Die Autoexplosion gehört zu den Schlüsselszenen des Filmes.

„Michael Clayton“ liefert eine Art Charakterstudie seines Titelhelden. Der ehemalige brillante Staatsanwalt Michael Clayton arbeitet als „Ausputzer“ in einer großen New Yorker Anwaltskanzlei: Er kümmert sich um die kleineren und größeren Ausrutscher der Kunden und Mitarbeiter. Dass der einstige hoffnungsvolle Jurist eine solche „Drecksarbeit“ tut, die ihn nicht zum Teilhaber der Firma werden lässt, hat seine Gründe im Privatleben: Clayton ist Spieler und geschieden. Nachdem er mit einem Restaurant Pleite gemacht hat, sitzt er auf einem Berg Schulden.

Diese Pechsträhne könnte allerdings bald ein Ende haben. Denn Claytons Chef Marty Bach (Sydney Pollack) beauftragt ihn mit einem besonders sensiblen Fall: Der Prozessbevollmächtigte der Kanzlei Arthur Edens (Tom Wilkinson) ist bei einer Zeugenvernehmung ausgerastet, ja er scheint die Seiten gewechselt zu haben. Was weder Marty Bach noch die skrupellose Justitiarin des beklagten Konzerns Karen Crowder (Tilda Swinton) hinnehmen können. Michael Clayton ergreift die Chance, ein saftiges Erfolgshonorar auszuhandeln für seine Bemühungen, Kollege Edens zur Räson zu bringen.

Mit einem deutlichen Gespür für Spannung gelingt es dem Regisseur, die verschiedenen Mosaiksteinchen aus dem Verwirrspiel zusammenzufügen, so dass die im Kern nicht neue Geschichte vom Kampf eines Rechtsanwalts gegen die Verschleierungstaktik eines Großkonzerns den Zuschauer fesselt.

Es sind aber nicht nur die schauspielerischen Leistungen von Georges Clooney und Tilda Swinton in ihrer mit dem Oscar ausgezeichneten Nebenrolle, die wesentlich zum Gelingen dieses Thrillers beitragen.

Darüber hinaus spricht „Michael Clayton“ moralische Fragen an, ohne in den Moralismus etwa von „Erin Brockovich“ zu verfallen. Denn Michael Clayton ist keineswegs ein strahlender Held im moralischen Sumpf. Im Laufe der Handlung erhält er indes die Gelegenheit, aus einem System auszuscheren, in dem die Gier nach Geld über moralischen Fragen steht. „Michael Clayton“ stellt letztlich die Frage, ob ein Einzelner seiner Verantwortung gegenüber seinem Gewissen gerecht werden kann.
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