ROTE BARON, DER | Der Rote Baron
Filmische Qualität:   
Regie: Nikolai Müllerschön
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Lena Headey, Joseph Fiennes, Til Schweiger, Axel Prahl, Volker Bruch, Hanno Koffler, Tino Mewes, Maxim Mehmet
Land, Jahr: Deutschland 2006
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2008
Auf DVD: 8/2008


José García
Foto: Warner

Im sich langsam dem Ende zuneigenden ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts haben sich bemerkenswert viele deutsche Filmproduktionen mit der filmischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus beschäftigt: „Der Untergang“, „Sophie Scholl – Die letzten Tage“, „Der neunte Tag“, „Napola – Elite für den Führer“, „Die Fälscher“ gehören wohl zu den Bekanntesten unter ihnen.

Nun widmet sich eine deutsche Großproduktion einem Helden aus dem Ersten Weltkrieg: Manfred von Richthofen, der in seinem kurzen Leben die höchste Zahl von Luftkampf-Abschüssen während des Ersten Weltkrieges erzielte und bereits zu seinen Lebzeiten zu einer Legende avancierte, beziehungsweise von der obersten Heeresleitung dazu gemacht wurde.

Der Spielfilm „Der Rote Baron“ erzählt aus den zwei Jahren 1916–1918, in denen Richthofen in Flandern vom „größten Fliegertalent“ der deutschen Luftwaffe zum unumstrittenen besten Piloten des Ersten Weltkrieges aufstieg – bis er am 21. April 1918 selbst abgeschossen wurde.

Zu Beginn zeigt der Film einen jugendlichen Leutnant, der die Luftkämpfe als sportliche Duelle begreift: In einem spektakulären Flug wirft Manfred von Richthofen (Matthias Schweighöfer) einen Kranz punktgenau ins Grab eines englischen Kollegen. „Friend and enemy“ steht auf der Schärpe zu lesen. Von Richthofen und seine Fliegerfreunde unterwerfen sich nur schwer der militärischen Disziplin. Für sie ist der Luftkrieg ein ritterlicher Sport, der mit den schmutzigen Schützengräben nichts das Geringste zu tun hat. Richthofens größter Wunsch besteht darin, den preußischen Orden „Pour le Mérite“ zu erhalten.

Die Tapferkeitsauszeichnung nimmt Manfred von Richthofen nach seinem 18. Luftsieg im Januar 1917 entgegen. Dabei macht er die Bekanntschaft von General von Hoeppner (Axel Prahl), der ihm darüber hinaus die Führung der Jagdstaffel 11 überträgt. Von Richthofen macht aus der bis dahin erfolglosen Staffel die gefürchteste Luft-Kampfeinheit des Ersten Weltkrieges, die wegen des auffälligen Anstrichs der Flugzeuge als „Fliegender Zirkus“ bekannt wurde. Rittmeister von Richthofen bevorzugt die knallrote Farbe, die ihm bei seinen Landsleuten den Namen „Roter Baron“ eintrug.

Mit künstlich erzeugter Spannung zelebriert der Film von Regisseur Nikolai Müllerschön den Augenblick, als der rot angestrichene Fokker-Dreidecker zum ersten Mal auf der Leinwand erscheint. Eine Szene, die für den ganzen Film bezeichnend ist. Obwohl Müllerschön etwa die erste Begegnung Richthofens mit dem Kaiser und mit Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg mit leisen Zwischentönen inszeniert, beherrscht im Übrigen die Ausstattung den ganzen Film.

Die beeindruckenden, ausschließlich am Computer erzeugten Luftkampfszenen erfüllen internationale Standards. Tricktechnisch ist „Der Rote Baron“ durchaus auf der Höhe des internationalen Filmgeschehens, keine Frage. Fraglich ist es jedoch, dass die Kamera immer wieder in den prächtigen Dekors schwelgt.

Dieser aufdringlichen Inszenierung entspricht auch die Dramaturgie. Um Manfred von Richthofen zu einem Sinneswandel zu bewegen, dichtet ihm der Film eine Liebesgeschichte mit der Krankenschwester Käte Otersdorf (Lena Headey) an, in die er sich auf den ersten Blick verliebt. Käte zeigt sich allerdings zunächst wenig begeistert von dem jugendlichen Heißs , der offensichtlich den Ernst des Krieges nicht begriffen hat. Sie muss ihn nicht nur durch Lazarette führen, wo verstümmelte Soldaten liegen. Darüber hinaus bedarf es schon einer Standpauke ihrerseits („Beim Tennis sterben keine Menschen“), damit „der Rote Baron“ endlich einsieht, dass der Krieg keine Sportveranstaltung ist.

Richthofens Versuch, Hindenburg zur Kapitulation zu bewegen, sein Monolog über die Brutalität des Krieges, seine Wandlung, nachdem er erkannt hat, dass er von der Heeresleitung zu Propagandazwecken missbraucht wird, werden kaum glaubwürdig aus der Dramaturgie des Filmes entwickelt.

Dass anders als in Müllerschöns und Schweighöfers Interpretation Manfred von Richthofen eine zerrissene Persönlichkeit war, geht etwa aus den Worten hervor, die er Ende 1917 schrieb: „Mir ist nach jedem Luftkampf erbärmlich zumute. Wenn ich meinen Fuß auf dem Flugplatz wieder auf den Boden gesetzt habe, dann mache ich, dass ich in meine vier Wände komme, will niemand sehen und von nichts hören. Ich glaube, so ist es wirklich, es ist nicht so, wie die Leute in der Heimat sich das vorstellen, mit Hurra und Gebrüll, es ist viel ernster, verbissener“ (aus einer Besprechung von Joachim Castans „Der Rote Baron. Die ganze Geschichte des Manfred von Richthofen“, im Spiegel online vom 23.9.2007).

Diese Persönlichkeit überzeugend in Szene zu setzen, ist Regisseur Nikolai Müllerschön in „Der Rote Baron“ leider kaum gelungen.
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