ROBERTO BENIGNI’S PINOCCHIO | Roberto Benigni’s Pinocchio
Filmische Qualität:   
Regie: Roberto Benigni
Darsteller: Roberto Benigni, Nicoletta Braschi, Carlo Giuffrè, Mino Bellei, Kim Rossi Stuart
Land, Jahr: Italien 2002
Laufzeit: 108 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: -


JOSÉ GARCÍA


Vor fünf Jahren gelang Roberto Benigni mit „Das Leben ist schön“ („La vita è bella“) gewissermaßen die Quadratur des Kreises: Über den Holocaust eine Komödie zu drehen, ohne das Grauen zu verharmlosen. „Das Leben ist schön“ wurde weltweit ein großer Erfolg – der Regisseur führte sogar bei einer Sondervorstellung im Vatikan dem Heiligen Vater den Film vor. Darüber hinaus erhielt er bedeutende Preise: In Cannes 1998 wurde er mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet; bei der Oscar-Verleihung 1999 erhielt Roberto Benigni für seine Rolle den Preis für den „Besten Hauptdarsteller“ als erster für eine nicht-englischsprachige Rolle in der Oscar-Geschichte überhaupt. „Das Leben ist schön“ gewann noch zwei weitere Statuetten, darunter in der Kategorie “Bester nicht-englischsprachiger Film“.

Für seinen neuen Spielfilm nahm sich der zum neuen Liebling Italiens avancierte Roberto Benigni des klassischen Lieblings Italiens an: „Pinocchio“. Carlo Collodis im Jahre 1883 in seiner endgültigen Fassung erstmals erschienenes moralisches Märchen wurde in mehr als 100 Sprachen rund um die Welt übersetzt. Wer kennt nicht die Abenteuer des Holzscheites, aus dem der Tischlermeister Geppetto einen Hampelmann schnitzt und der von der Blauen Fee in einen lebendigen Puppenknaben verwandelt wird? Um ein wirklicher Junge zu werden, soll sich Pinocchio als aufrichtig und fleißig bewähren. Wie viele Kinder erweist er sich jedoch als neugierig, leichtsinnig und ungehorsam, weshalb er in immer neue Konflikte gerät. Die Fata Turchina, die Blaue Fee, gibt ihm ein Warnsignal mit: Immer wenn er lügt, wächst seine Nase zu ungeheurer Länge.

Pinocchios Abenteuer wurden bereits häufig verfilmt, wobei die bekannteste Filmfassung die Zeichentrickversion von Walt Disney (1940) sein dürfte, nach „Schneewittchen“ Disneys zweiter Langfilm überhaupt. Die letzte Verfilmung entstand im Jahre 1996 mit dem bekannten amerikanischen Schauspieler Martin Landau als Geppetto.

In Italien hat Pinocchios Neuverfilmung durch Roberto Benigni mehr als zehn Millionen Besucher angezogen; die Nachrichten über den teuersten italienischen Film aller Zeiten klangen viel versprechend, zumal die Treue zur Vorlage besonders hervorgehoben wurde. Sogar mit Silvio Berlusconi, dessen Verleihfirma „Medusa“ den nationalen Vertrieb übernahm, schloss der Linke Benigni um des Filmes willen einstweilig Frieden, obwohl Roberto Benigni nicht alle Bedenken aufgab: „Ich möchte hinter seinem Rücken nicht gut über Berlusconi reden“, erklärte er augenzwinkernd in einem Interview vom Oktober 2002.

Dass für diesen Film keine Kosten gescheut wurden, merkt der Zuschauer sofort an der Ausstattung: Von der von digitalen weißen Mäusen gezogenen Kutsche und der Burg der Blauen Fee über das Spielzeugland bis zum Zirkus bietet „Roberto Benigni’s Pinocchio“ ein atemberaubendes Produktionsdesign. Manche Charaktere, allen voran die herrlichen Halbmensch-Halbtier-Figuren von Katze und Fuchs, aber auch der von Kim Rossi Stuart gespielte Lucignolo/ Freund Docht, werden mit viel Liebe zum Detail gezeichnet.

Benignis Ehefrau Nicholetta Braschi, die ihr Kinodebüt 1983 in Roberto Benignis erstem Spielfilm gab und unzähligen Zuschauern als „Principessa“ Dora aus „Das Leben ist schön“ in Erinnerung geblieben ist, füllt die liebevoll angelegte Rolle der Blauen Fee mit einer ausgewogenen Mischung aus Schönheit, Majestät und mütterlicher Warmherzigkeit aus. Mit „Pinocchio“ gibt Braschi darüber hinaus ihr offizielles Debüt als Filmproduzentin.

Nach all dem hätte „Roberto Benignis Pinocchio“ ein grandioser Film werden können. Wenn jedoch der Gesamteindruck unbefriedigend bleibt, dann deshalb, weil „Roberto Benignis Pinocchio“ ausgerechnet am Roberto Benignis Spiel krankt. Seine zappelige, völlig überdrehte Interpretation ist über die 108 Minuten schwer zu ertragen. Schade für einen Film, der über weite Strecken wunderschön anzusehen ist und Collodis klassische Botschaft treu vermittelt.

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