TAGE DES ZORNS | Flammen & Citronen
Filmische Qualität:   
Regie: Ole Christian Madsen
Darsteller: Thure Lindhardt, Mads Mikkelsen, Stine Stengade, Christian Berkel, Hanns Zischler
Land, Jahr: Dänemark/Deutschland 2008
Laufzeit: 130 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G, X
im Kino: 9/2008
Auf DVD: 4/2009


José García
Foto: NFP

Nachdem in den letzten Jahren der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Marc Rothemunds „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ sowie in Volker Schlöndorffs „Der neunte Tag“ erneut einer filmischen Aufarbeitung unterzogen wurde, nahm Paul Verhoevens „Black Book“ (siehe Filmarchiv) den Oppositionskampf in den besetzten Niederlanden ins Visier.

Widerstandskämpfer in einem von Nazi-Deutschland besetzten Land stehen erneut in der deutsch-dänischen Produktion „Tage des Zorns“ („Flammen & Citronen“) von Regisseur Ole Christian Madsen im Mittelpunkt.

„Nach wahren Begebenheiten“ erzählt Madsens Film von den zwei dänischen Nationalhelden Bent Faurschou-Hviid (Deckname „Flame“) und Jørgen Haagen Schmith („Citron“), die im Jahre 1944 zu den meist gesuchten Männern Dänemarks zählten. Der 23-jährige, wegen seiner roten Haare als „Flame“ bekannte Faurschou-Hviid (Thure Lindhardt) liquidiert mit Hilfe seines zehn Jahre älteren Partners „Citron“ (Mads Mikkelsen) kaltblütig dänische Kollaborateure. Ihre Aufträge erhalten sie vom vermeintlich regierungstreuen Axel Winther (Peter Mygind).

Die Richtigkeit ihres Handelns stellt sich allerdings in Frage, nachdem ein heikler Auftrag fehlschlägt: Endlich soll Flame nicht nur dänische Mitläufer, sondern hochrangige deutsche Nazis erschießen, darunter den Chef der deutschen Abwehr Horst Ernst Gilbert (Hanns Zischler). Diesem gelingt es indes, den unerschrockenen jungen Heißs in ein Gespräch zu verwickeln. Flame bringt es nicht fertig, auf Gilbert zu schießen.
Seine Gefühlslage wird noch verworrener, als der junge Mann die zwielichtige Ketty Selmer (Stine Stengade) kennen lernt, die ihrem Bekunden nach ebenfalls im Untergrund arbeitet, und ihm eine etwas andere Version eröffnet. Denn laut Ketty gehört Abwehrchef Gilbert ebenfalls dem Widerstand an. Winther habe lediglich aus egoistischen Gründen Flame auf Gilbert angesetzt.

Hatte Regisseur Ole Christian Madsen zu Beginn Stilmittel des „Widerstandsfilmes“ eingesetzt, so nimmt „Tage des Zorns“ immer mehr Züge des Spionage- oder gar des Gangsterfilmes an. So setzt Madsens Film mit grobkörnigen Dokumentarbildern vom Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 9. April 1940 in Kopenhagen ein. Darauf folgt eine Off-Stimme, die in die Lage des besetzten Dänemarks einführt: „Erinnerst Du Dich an ihre Ankunft? Erinnerst Du Dich an den 9. April? Wo warst Du damals, was dachtest Du?“

Nach und nach aber vermitteln die ins Graublau eingetauchten, mit bedrohlichen Schatten verdunkelten, häufig klaustrophobisch wirkenden Bilder des Kameramanns Jørgen Johansson, die von einer ebenfalls Bedrohung suggerierenden Filmmusik unterstützt werden, die genretypische Frage im Spionagefilm mit ihren Doppelagenten: Wer kann wem trauen?

„Tage des Zorns“ verbleibt allerdings nicht auf dieser Ebene. Macht es sich etwa Paul Verhoeven in „Black Box“ mit der Verwischung der Grenze zwischen Gut und Böse leicht, so stellt Ole Christian Madsen moralisch komplexe Fragen. In einer kleinen Episode am Rande wird es deutlich, dass das hehre Ziel nicht jedes Mittel rechtfertigt: Citron bricht in einen Laden ein, um für seine Not leidende Familie Lebensmittel zu stehlen. Nachdem er aber den Händler, der Nazis mit Delikatessen versorgt, mit vorgehaltener Waffe beraubt hat, wird er von Gewissensbissen geplagt.

Dieses Ereignis führt in die Hauptfrage des Filmes ein: Rechtfertigt der Kampf gegen das Böse – hier der Widerstand gegen die Besatzung – jede Handlung, etwa auch erbarmungslosen Mord? Dazu führen die Produzenten aus: „Der echte Flame und der echte Citron waren überzeugt, einen gerechten Kampf zu führen und auf der richtigen Seite zu stehen. Aber legitimierte das ihre kaltblütigen Morde? Oder waren die beiden schlicht Terroristen? Kann es im Krieg eine richtige Seite geben? Diese Fragen übersteigen den geographischen und historischen Kontext der Geschichte von Tage des Zorns und sind heutzutage brisanter denn je.“

In seiner Inszenierung zeigt „Tage des Zorns“ diese Ambivalenz, indem die Handlungen von Flame und Citron teilweise als terroristische Aktionen dargestellt werden, denen jedes Heldenhafte abgeht.

Einen eindeutigen Standpunkt nimmt zwar der Film nicht ein, aber er stellt durchaus diese Fragen, die über den historischen Zusammenhang hinausgehen, und dadurch einen allgemein gültigen Charakter erhalten. In Dänemark, wo der Film in den ersten drei Wochen eine halbe Million Zuschauer anziehen konnte, hat „Tage des Zorns“ eine lebhafte Diskussion ausgelöst.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren