LEMON TREE | Etz Limon
Filmische Qualität:   
Regie: Eran Riklis
Darsteller: Drama Hiam Abbass, Ali Suliman, Rona Lipaz-Michael, Doron Tavory, Tarik Copty, Amos Lavie, Amnon Wolf, Smadar Yaaron, Ayelet Robinson
Land, Jahr: Israel / Deutschland / Frankreich 2007
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2008


José García
Foto: Arsenal

Gespräch mit Hauptdarstellerin Hiam Abbass und Produzentin Bettina Brokemper siehe unten

Mit seinem letzten Spielfilm „Die syrische Braut“ (siehe Filmarchiv) wurde der israelische Regisseur Eran Riklis einem breiten Publikum bekannt. Der mehrfach ausgezeichnete Film erzählte anhand eines persönlichen Schicksals sensibel von den alltäglichen Unmenschlichkeiten, welche die politische Situation im Nahen Osten von den dort lebenden Menschen abverlangt.

Spielte in diesem Film zwar die Hauptrolle naturgemäß die „syrische Braut“ Mona (Clara Khoury), so stand jedoch im eigentlichen Mittelpunkt ihre Schwester Amal, der die palästinensische Schauspielerin Hiam Abbass eine außerordentliche Leinwandpräsenz verlieh. Hiam Abbass übernimmt nun die Hauptrolle der Witwe Salma im neuen Spielfilm von Eran Riklis „Lemon Tree“.

Die von Hiam Abbass dargestellte, einsame palästinensische Witwe Salma lebt in der West Bank, unmittelbar an der sogenannten grünen Grenze zu Israel – ihr Zitronenhain reicht bis an den Grenzzaun. Sie lebt vom Ertrag der Zitronenbäume, die ihr Vater dort vor 50 Jahren pflanzte. Mit dem Einzug des israelischen Verteidigungsministers Israel Navon (Doron Tavory) und dessen Frau Mira (Rona Lipaz-Michael) in das Nachbarhaus auf der anderen Seite der Westbank werden allerdings die Bäume zum Sicherheitsrisiko eingestuft. Denn sie könnten Attentätern aus dem Westjordanland Schutz gewähren.

So beschließen israelische Militärs und Sicherheitsdienste, dass Salmas Zitronenbäume abgeholzt werden. Mit Hilfe des jungen, aus Russland eingewanderten Anwalts Ziad (Ali Suliman) ficht die zunächst zurückhaltende, dann immer resoluter werdende Frau die Entscheidung an. Sie zieht in ihrem David gegen Goliath- Kampf gegen die israelische Justiz bis vor den Obersten Gerichtshof.

Zuerst neugierig, dann mit immer größerer Anteilnahme beobachtet die Entwicklung Mira, die Ehefrau des Verteidigungsministers, der in der Einsamkeit ihres neuen Hauses die Unerfülltheit ihres Lebens erstmals bewusst wird. Durch die häufige Abwesenheit ihres Mannes und durch dessen Affäre mit einer jungen Mitarbeiterin fühlt sich auch Mira verlassen, verwitwet. Zwischen den zwei Frauen entsteht über den Zaun hinweg ein immer stärkeres Sympathieband, während sich zwischen Mandantin und Anwalt auch eine zarte Liebesgeschichte anbahnt.

Regisseur Eran Riklis setzt einfache visuelle Mittel ein, etwa das Kopftuch Salmas, das je nach Gesprächspartner festgebunden wird, locker sitzt oder eben auch ganz ausgelassen werden kann, insbesondere jedoch die Zitronenlimonade, die Selma allen Parteien serviert. Auch der Kontrast zwischen dem Wachturm und dem idyllischen Zitronenhain dient dem Regisseur als Metapher für die besonders labile Situation an der Grenze zwischen Israel und der West Bank.

Über diese Stilmittel hinaus konzentriert sich „Lemon Tree“ jedoch vorwiegend auf die Schauspielkunst insbesondere der zwei Schauspielerinnen, die zwei starke Frauen darstellen, die Grenzen überschreiten.

Im Rahmen der Deutschlandpremiere von „Lemon Tree“ in Köln sprach José García mit Hautdarstellerin Hiam Abbas über ihre Rolle der Salma. Weil sie seit annähend zwanzig Jahren in Paris lebt, habe sie auch eine emotionale Distanz zum Alltag in ihrer Heimat entwickeln können. „Da ich nicht befürchten muss, von meinen Nachbarn be- oder verurteilt zu werden, fühle ich mich viel freier“, so Abbas. „Der Abstand hilft mir, eine bessere Beobachterin zu sein als die Menschen, die dort leben, den menschlichen Konflikt mit größerer Objektivität als die Betroffenen zu sehen. Dies gibt mir eine gewisse Narrenfreiheit in der Darstellung.“

„Lemon Tree“ handele allerdings nicht nur vom politischen Nahostkonflikt. An dieser „David gegen Goliath Geschichte“ habe ihr besonders die menschliche Auseinandersetzung gefallen. Die Suche nach Verständigung sei ja auch ein Charakterzug des Kinos. Abbas: „Ich glaube an das Kino als einen Ort der Kommunikation. Deswegen bin ich Schauspielerin geworden, weil ich solche menschliche Geschichten einem großen Publikum mitteilen darf.“

Auf den allgemein gültigen Charakter von „Lemon Tree“ kommt im Interview ebenfalls die deutsche Koproduzentin des Films Bettina Brokemper zu sprechen: „‚Lemon Tree handelt von einer Geschichte, die zwar in einer sehr speziellen Region stattfindet, weshalb sie dort einen spezifischen Charakter besitzt. Aber wie in allen guten Filmen bringt auch „Lemon Tree“ eine allgemein gültige Aussage zum Ausdruck, die überall verstanden werden kann.“

Auch das eigentliche Sujet besitze als enteignungsgleicher Vorgang einen universellen Charakter: „Solche Enteignungen sind überall möglich. Wir kennen sie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Bau von Autobahnen oder der Neubaustrecken für den ICE. Natürlich kann dieser Vorgang in anderen Regionen im Einzelnen anders aussehen, aber grundsätzlich ist er überall bekannt“, betont Bettina Brokemper.

„Lemon Tree“ ist eine israeli-französisch-deutsche Koproduktion. Die auf den ersten Blick etwas außergewöhnliche Zusammenarbeit zwischen einer deutschen Produzentin und einem israelischen Filmemacher erläutert ebenfalls Brokemper: „Die Zusammenarbeit beginnt schon bei der Drehbuchentwicklung zusammen mit Eran Riklis und seinem Ko-Drehbuchautor Suha Arraf. Zunächst tauscht man sich über den Stoff aus, dann werden die Fragen der Finanzierung geklärt. Eran ist ein Filmemacher in klassischem Sinne, der an allen Schritten der Filmproduktion selbst beteiligt ist. Im Grunde läuft freilich die Zusammenarbeit genauso, als wenn er ein deutscher Filmemacher wäre.“

Für Produzentin Brokemper und Regisseur Riklis ist „Lemon Tree“ nach dem eingangs erwähnten Spielfilm „Die syrische Braut“ die zweite Kooperation. Wie diese Zusammenarbeit zustande kam, erklärt Brokemper umfänglich: „Als ich noch Filmstudentin war, habe ich den Film ‚Cup Final’ (1991) von Eran Riklis gesehen. Der Film rührte mich so an, dass ich mir sagte: ‚Wenn ich einmal Filme mache, rufe ich diesen Regisseur an’. Und dies tat ich ein paar Jahre später, als ich anfing, Filme zu produzieren. Bei unserem ersten Treffen erzählte mir Eran Riklis von der Idee zu ‚Die syrische Braut’. Mich interessierte daran insbesondere die Grenzerfahrung. Denn ganz gleich, ob es sich um eine Staatsgrenze oder eine physische oder psychische Grenze handelt, erfordert sie von Menschen viel mehr als das normale Leben. Diese Grenze, um die es bereits in der ‚syrischen Braut’ ging, spielt in ‚Lemon Tree’ ebenfalls eine unter verschiedenen Gesichtspunkten herausragende Rolle.“

„Lemon Tree“ erhielt Anfang des Jahres den Panorama-Publikumspreis auf der Berlinale. Am vergangenen Samstag wurde Eran Riklis’ Film mit dem Preis für den „Besten europäischen Film“ auf dem Filmfestival San Sebastian 2008 ausgezeichnet.
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