BURN AFTER READING – WER VERBRENNT SICH HIER DIE FINGER? | Burn After Reading
Filmische Qualität:   
Regie: Ethan Coen, Joel Coen
Darsteller: Brad Pitt, Frances McDormand, George Clooney, John Malkovich, J. K. Simmons, Tilda Swinton, Richard Jenkins, Matt Walton, David Huddleston
Land, Jahr: USA 2008
Laufzeit: 95 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G, S+, X
im Kino: 10/2008
Auf DVD: 1/2009


José García
Foto: Tobis

In der Filmografie der Brüder Joel und Ethan Coen, die sich seit „Blood Simple“ (1984) über ein knappes Vierteljahrhundert erstreckt, gibt es zweierlei Spielfilme: Die einen, allen voran der siebenmal für den Oscar nominierte „Fargo“ (1996), handeln von der Absurdität der Gewalt, die anderen werden als Komödien oder genauer als Persiflagen gestaltet. In diese Kategorie fällt insbesondere „Barton Fink“ (1991), der eine scharfe Satire auf das System der Hollywood-Studios lieferte.

Der neue Spielfilm des Autoren- und Regiegespanns „Burn after Reading - Wer verbrennt sich hier die Finger?“, der das diesjährige Internationale Filmfestival Venedig eröffnete und nun im regulären Kinoprogramm anläuft, reiht sich in die letzte Gattung ein: Der Film ist eine regelrechte Parodie auf Agentenfilme. Dies kündigt bereits der Titel, der an die bekannte TV-Serie „Mission Impossible – Kobra, übernehmen Sie!“ anspielt („Diese Nachricht zerstört sich nach dem Lesen von selbst“).

Ehe die Handlung von „Burn after Reading“ in Gang kommt, nimmt sich der Film eine ganze halbe Stunde Zeit, um die Figuren zu etablieren. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um den CIA-Agenten Ozzie Cox (John Malkovich), der wegen seines Alkoholproblems vom Dienst suspendiert wird, und seine Frau Katie (Tilda Swinton), die ein Verhältnis zum Regierungsbeamten Harry Pfarrer (George Clooney) unterhält. Ferner: Die Fitnesstrainerin Linda Litzke (Frances McDormand), die für eine „Rundum-Erneuerung“ ihres Körpers Geld braucht, sowie ihr etwas dümmlicher Kollege Chad Feldheimer (Brad Pitt).

Für ein beliebiges Objekt, das in einem Film die Handlung auslöst, ohne selbst von besonderem Interesse zu sein, prägte Alfred Hitchcock den Begriff MacGuffin. In „Burn after Reading“ ist dieses MacGuffin eine CD mit den Memoiren des geschassten CIA-Agenten, die Linda und Chad in der Umkleidekabine des Fitnessclubs finden. Linda vermutet hochbrisantes Material in der CD, und kommt auf die glorreiche Idee, mit Hilfe ihres beschränkten Kollegen Chad den Ex-CIA-Mann zu erpressen. Dadurch übernimmt sie den Part der trotteligen Verbrecher in „Fargo“. Ihr amateurhafter Versuch ist ebenfalls zum Scheitern verurteilt – wie in „Fargo“ zieht allerdings ein solch stümperhaftes Vorgehen auch in „Burn after Reading“ eine blutige Spur nach sich.

Von Emmanuel Lubetzki mit viel Sinn für stimmungsvolle Einstellungen hervorragend fotografiert, behält der Film trotz der vielen Figuren, deren Wege sich immer wieder kreuzen, den Überblick. Wie leichtfüßig die Regisseur-Brüder die Genreerwartungen konterkarieren, zeigt sich etwa auch in der Tonspur: Die Musik baut mehrfach Thriller-typische Spannung auf, die sich anschließend jeweils in nichts auflöst.

Mit ihrem charakteristischen schwarzen Humor, der hier zuweilen unter der Gürtellinie angesiedelt ist, schließen die Coen-Brüder mit „Burn after Reading“ das, was George Clooney bei der Vorstellung des Filmes in Venedig „Volltrottel-Trilogie“ nannte, ab. Clooney meinte dabei seine Mitarbeit an „O Brother Where Art Thou“ (2000) und „Intolerable Cruelty“ (2003), bei denen er jeweils für Joel und Ethan Coen die Hauptrolle übernommen hatte.

In dieser über weite Strecken vergnüglichen Satire karikieren die Coen-Brüder Menschen, die von Gier, Schönheitswahn und völliger Orientierungslosigkeit in Sachen Liebe getrieben werden, was teilweise in Zynismus umschlägt. Denn „Burn after Reading“ ist auch ein Film, in dem jeder jeden betrügt, Harry sogar gleich mehrfach: nicht nur seine Frau mit Katie, sondern auch noch diese mit Linda. Aber auch Harrys Frau nutzt ihre Lesereise als erfolgreiche Kinderbuchautorin, um sich mit einem Liebhaber zu treffen.

Bei allem Dialogwitz und Situationskomik ist die Sicht, die Joel und Ethan Coen hier verbreiten, anders als etwa in „O Brother Where Art Thou“, eine eher pessimistische. Waren die Figuren in diesem Film noch liebenswürdige Tölpel, so werden sie in „Burn after Reading – Wer verbrennt sich hier die Finger“ Opfer ihrer eigenen Habgier und Triebhaftigkeit.

Am Ende des Filmes sagt der CIA-Chef als eine Art Resümee: „Was haben wir gelernt? Den gleichen Fehler nicht zweimal zu machen. Aber was haben wir eigentlich falsch gemacht?“. Die Ratlosigkeit, die aus diesen Worten spricht, fasst den neuen Film der Coen-Brüder vortrefflich zusammen.
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