TAGE UND WOLKEN | Gironi e nuvole
Filmische Qualität:   
Regie: Silvio Soldini
Darsteller: Margherita Buy, Antonio Albanese, Giuseppe Battiston, Alba Rohrwacher, Carla Signoris, Fabio Troiano, Paolo Sassanelli, Arnaldo Ninchi, Antonio Francini
Land, Jahr: Italien / Schweiz 2007
Laufzeit: 115 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2008
Auf DVD: 4/2009


José García
Foto: movienet

Silvio Soldinis neuer Spielfilm „Tage und Wolken“ („Giorni e nuvole“) passt in die jetzige Krisenzeit mit ihren zerplatzten Seifenblasen in der Wirtschaftswelt. Der Filmtitel erinnert an Aki Kaurismäkis Meisterwerk „Wolken ziehen vorüber“ (1996), weil die beiden Spielfilme auf das gleiche Sinnbild der sich zusammenbrauenden dunklen Wolken zurückgreifen. Eine Metapher, die ja auch gerne in der Finanzwelt bemüht wird.

Beide Filme zeigen die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf das Eheleben ihrer Protagonisten. Sowohl in „Wolken ziehen vorüber“ als auch in „Tage und Wolken“ ist die Frau diejenige, die den aktiven Part übernimmt und Arbeit findet. Die Parallelen könnten fortgesetzt werden, so etwa in dem trockenen Humor, der sich immer wieder durch die bedrückt-düstere Stimmung Bahn bricht.

Gehörten allerdings die Protagonisten von „Wolken ziehen vorüber“ eher der unteren Gesellschaftsschicht an – sie arbeitete als Oberkellnerin, er als Straßenbahnfahrer, ehe sie ihre jeweilige Arbeit verlieren –, so bilden die Hauptpersonen in Soldinis „Tage und Wolken“ ein gut situiertes Paar. Als Geschäftsführer der von ihm mitgegründeten Firma verdient Michele (Antonio Albanese) genug, so dass seine Frau Elsa (Margherita Buy) ihre Arbeit aufgeben konnte, um ihren Traum einer Promotion in Kunstgeschichte zu verwirklichen.

Gerade mit Elsas Doktorarbeit-Verteidigung und mit der sich daran anschließenden Überraschungsparty in der gediegenen Wohnung setzt der Film ein. Am Morgen nach der Feier eröffnet Michele dann aus heiterem Himmel seiner Frau, was er Elsa aus Rücksicht auf ihre Prüfungsvorbereitung verschwiegen hatte: Er ist seit zwei Monaten arbeitslos. Seine Kompagnons haben ihn aus der Firma hinausgedrängt. Diese Wochen ist er jeden Morgen statt zur Firma auf ihre Segelyacht gefahren.

Nun müssen sie nicht nur das Segelboot, sondern auch ihre schöne Altbauwohnung verkaufen. Der soziale Absturz beginnt mit dem Aufräumen der Yacht sowie mit der Besichtigung der Eigentumswohnung durch Kaufinteressierte. Den Freunden und auch der 20-jährigen, bereits flügge gewordenen Tochter Alice (Alba Rohrwacher) können Elsa und Michele zunächst ihre Situation verschweigen. Aber nicht lange. Denn mit dem Umzug in eine bescheidene Wohnung einer neuen Hochhaussiedlung ist die Heimlichkeit schnell zu Ende.

Die Umstellung in ihrem Leben fällt Elsa leichter als Michele. Schnell findet die resolute Frau nicht nur eine, sondern sogar zwei Anstellungen: Tagsüber arbeitet sie in einem Call-Center, abends am Hafen als Sekretärin. Michele bemüht sich seinerseits zunächst als Kurier auf einer Vespa. Später renoviert er zusammen mit zwei ehemaligen Arbeitern seiner Firma Wohnungen in der Nachbarschaft. Aus unterschiedlichen Gründen schlagen seine Versuche, auf die Füße zu fallen, nacheinander fehl. Es folgt eine zunehmende Apathie, die ihn kaum aus dem Bett herauskommen lässt. Nicht einmal die neue, kleine Wohnung kann er in Ordnung halten, während Elsa von dem einen Job zum anderen hetzt. Unter diesen Umständen lässt der Ehestreit nicht lange auf sich warten.

Obwohl das Drehbuch teilweise konstruiert wirkt – so scheint etwa die Zwischenstation „Vespa-Kurier“ lediglich ins Skript dazu Eingang gefunden zu haben, damit Tochter Alice von der neuen Lebenslage ihres Vaters erfährt –, wachsen die sympathischen Figuren dem Zuschauer ans Herz. Dies liegt einerseits an der Schauspielkunst insbesondere von Margherita Buy, die ja zu den wichtigsten italienischen Aktricen der Gegenwart zählt.

Darüber hinaus schafft aber auch die Handkamera, die den Figuren immer sehr nah bleibt, eine besondere Unmittelbarkeit. In einem Statement über seinen Film führt Regisseur Silvio Soldini dazu aus: „Ich wollte, dass die Inszenierung hier eher unsichtbar bleibt und dass der Film einen dokumentarischen Look bekommt. Dabei ist die Handkamera sehr hilfreich.“

Konzentriert sich der Film durch diese Art Kameraführung auf einen kleinen Ausschnitt, so bleibt Genua gleichzeitig als Hintergrund immer präsent. Sie bietet nicht nur den Rahmen, in dem sich die Geschichte von Elsa und Michele abspielt. Mit ihren atmosphärischen, ins Bläuliche spielenden und häufig wolkenverhangenen Ausblicken sorgt sie auch, genauso wie die Filmmusik, für eine besondere Stimmung.

Obwohl „Tage und Wolken“ eine realistisch anmutende Geschichte von gesellschaftlichem Niedergang und dem Auseinanderleben einer Ehe erzählt, lässt die Schlusseinstellung genügend Platz für Hoffnung.
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