MANN, DER NIEMALS LEBTE, DER | Body of Lies
Filmische Qualität:   
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Russell Crowe, Mark Strong, Golshifteh Farahani, Ali Suliman, Oscar Isaac, Simon McBurney, Alon Aboutboul
Land, Jahr: USA 2008
Laufzeit: 128 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G +
im Kino: 11/2008
Auf DVD: 3/2009


José García
Foto: Warner Bros.

Die Angst vor dem islamistischen Terror bildet die Folie, auf der Ridley Scott seinen Film „Der Mann, der niemals lebte“ („Body of Lies“) entfaltet. Das Drehbuch verfasste William Monahan auf der Grundlage des gleichnamigen Bestsellers von „Washington Post“-Herausgeber David Ignatius, der zehn Jahre lang beim „Wall Street Journal“ als Reporter für die Tätigkeiten der CIA im Mittleren Osten zuständig war.

Regisseur Ridley setzt diese diffuse Ängstlichkeit der westlichen Welt in eine Reihe Attentate in Europa – Manchester, Amsterdam – um, die mit hervorragend gedrehten, hyperscharfen, weil schnell geschnittenen Bildern inszeniert werden.

Die Ermittler bei der CIA sind ratlos. Sie können keine Spuren finden, denn die Verantwortlichen für das Attentat in Manchester und Amsterdam arbeiten ohne Emails und sonstige ausgeklügelten elektronischen Methoden. Der Zuschauer sieht beispielsweise, wie die Terroristen in Amsterdam operieren: Der Attentäter fischt aus einem Müllcontainer einen Zettel, auf dem lediglich „Noordermarkt“ steht, der für die Autobombe ausgesuchte Ort. Als Verantwortlichen für die Attentate bekennt sich in einer Video-Aufnahme ein völlig unbekannter Al-Saalem.

An Al-Saalem heranzukommen: Das ist die Aufgabe des Agenten Roger Ferris (Leonardo DiCaprio), der im Nahen Osten die Terrornetzwerke infiltrieren soll, um Informationen über den Drahtzieher zu erhalten. Geführt wird Ferris aus der Ferne vom Strategen Ed Hoffman (Russell Crowe), der mittels Laptop und abhörsicherer Handy-Leitung alle Schritte seines Agenten von zu Hause aus verfolgt und dirigiert. Satellitenkameras des militärischen Überwachungssystems orten zusätzlich den Agenten in (fast) jedem Augenblick.

Als mehrere Versuche scheitern, kommt Ferris auf einen listigen Gedanken: Er „erfindet“ kurzerhand eine Terrororganisation, der einen fingierten Anschlag verübt. Dies soll Al-Saalems Neugier wecken, ihn aus der Reserve locken. Allerdings muss Ferris ebenfalls einen „Mann, der niemals lebte“ erfinden, um ihn in der „echten“ Terrorszene als Kopf der neuen Organisation zu präsentieren. Der „Kollateralschaden“ an der gefälschten Aktion: ein Architekt aus Dubai (Ali Suliman), der mittels Computertricks zum ahnungslosen Kopf der erfundenen Terrorzelle auserkoren wird. Dass damit das Leben des Nichtsahnenden auf dem Spiel steht, nehmen die CIA-Agenten in Kauf.

Ridley Scott stellt zwei Männer gegenüber, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Sieht Hoffmann durch sein leichtes Übergewicht recht behäbig aus, so muss Ferris flink wie ein Wiesel sein – will er aus den manchmal vertrackten Situationen lebend davon kommen. Der Film beobachtet Hoffmann immer wieder bei alltäglichen Verrichtungen, wie er etwa seine Tochter zur Schule fährt, während er mit seinem Agenten telefoniert.

Besonders deutlich wird der Unterschied zwischen dem Mann vor Ort und dem Schreibtischstrategen in den Verhandlungen mit einem Verbündeten, dem Chef des jordanischen Geheimdienstes, Hani Salam (Mark Strong). Tritt Hoffmann als arroganter Besserwisser auf, der den eleganten Hani vor den Kopf stößt, so ist Ferris darum bemüht, den Verhandlungs- als gleichwertigen Partner anzuerkennen.

Bietet gerade diese Nebenfigur und die unterschiedliche Einstellung der Amerikaner zu ihm die Möglichkeit, sich mit der amerikanischen Politik im Nahen Osten kritisch auseinander zu setzen, so gewinnt freilich in der Mitte des Filmes die Action die Oberhand.

Stilistisch setzt Ridley Scott vorwiegend die Satellitenbilder, mit denen CIA Ferris ständig überwacht, ein. Bei den vielen Drehbuchwendungen und dem ständigen Schauplatzwechsel, die der Regisseur einsetzt, um die schier unüberschaubare Situation in Szene zu setzen, lehnt er sich indes deutlich an die Bourne-Filme an. Nachdem die Spielfilme um den Agenten Jason Bourne bereits etwa die letzten James Bond-Filme „Casino Royale“ und „Ein Quantum Trost“ augenfällig beeinflusst haben, scheinen diese Filme den aktuellen Standard des Spionage-Genres zu bestimmen.

Trotz „Bourne“-mäßiger actiongeladener Sequenzen stellt „Der Mann, der niemals lebte“ interessante Überlegungen über die Aktivitäten des amerikanischen Geheimdienstes CIA im Nahen Osten und die damit einhergehenden Fragen an, etwa wieweit der Kampf gegen den islamistischen Terror gehen darf. Ob es hier „Grauzonen“ gibt oder aber Verletzungen der Menschenrechte in Kauf genommen werden dürfen. Im Grunde handelt Scotts Film von der grundsätzlichen Frage, ob der Anti-Terror-Kampf zu den gleichen Mitteln greifen darf, die auch von Terroristen angewandt werden.
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