LA ZONA - BETRETEN VERBOTEN | La Zona
Filmische Qualität:   
Regie: Rodrigo Plá
Darsteller: Maribel Verdú, Andrés Montiel, Daniel Giménez Cacho, Carlos Bardem, Alan Chávez, Daniel Tovar, Marina de Tavira, Mario Zaragoza, Enrique Arreola
Land, Jahr: Mexiko 2007
Laufzeit: 95 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 12/2008
Auf DVD: 2/2009


José García
Foto: CineGlobal

In beklemmenden Zukunftsszenarien schlägt sich in der Literatur wie im Kino ein Genre nieder, das als Mittelding zwischen Science-Fiction und Sozialthriller bezeichnet werden könnte. In letzter Zeit sind an die Stelle der utopischen (besser: dystopischen) Visionen von George Orwells „1984“ oder auch von John Carpenters „Die Klapperschlange“ („Escape from New York“, 1981) jedoch Zukunftsvisionen getreten, die um so beängstigender wirken, als sie lediglich heutige Entwicklungen auf die Spitze treiben. So entwarf etwa Alfonso Cuarón in „Children of Men“ (siehe Filmarchiv) eine Welt ohne Kinder, die unserer so sehr ähnelt, dass der Spielfilm kein futuristisches Produktionsdesign benötigt.

Rodrigo Plás Spielfilm „La Zona“, der beim Filmfestival Venedig 2007 mit dem „Preis für den besten Nachwuchs-Film“ ausgezeichnet wurde, und im selben Jahr weitere Preise auf Filmfestivals (unter anderen den Preis der internationalen Filmkritik in Toronto sowie den Publikumspreis in Montreal) gewann, geht noch einen Schritt weiter. Denn was Regisseur Rodrigo Plá und seine Drehbuch-Autorin (und Ehefrau) Laura Santullo zeigen, stellt die unmittelbare Zukunft – oder sogar bereits die Gegenwart? – dar.

In einer mexikanischen Millionenstadt haben sich einige wohlhabende Familien, die der ständigen Überfälle und Gewaltakte überdrüssig sind, in die Wohnsiedlung „La Zona“ zurückgezogen. Die an die sterile Welt von „Die Truman Show“ (Peter Weir 1998) erinnernde, ummauerte „Stadt in der Stadt“ besitzt alles, was man für ein autonomes Leben außerhalb der Gesellschaft benötigt. Eine eigene Schule gehört wie der Golfplatz selbstverständlich dazu. Weil die Bewohner der „Zona“ kein Vertrauen mehr in die ineffektive und korrupte Polizei besitzen, verfügen sie allerdings auch über einen eigenen Sicherheitsdienst. Die öffentliche Gewalt ist im „Staat im Staat“ nicht erwünscht.

Dies wird besonders deutlich, als sich der Zwischenfall ereignet, der die Handlung von „La Zona“ vorantreibt. In einer Sturmnacht fällt ein Strommast um und schlägt eine Bresche in die „La Zona“ umgrenzende Mauer ein. Drei herumschleichende Jugendliche nutzen die sich bietende Gelegenheit, um in das vermeintliche Paradies einzubrechen. Als sie in eines der Luxushäuser spontan einbrechen, werden sie entdeckt. Auf der Flucht werden neben einem Wächter zwei von den drei Einbrechern getötet. Die Anwohner kümmern sich in Selbstverwaltung um die „Entsorgung“ der Toten. Sie weisen die Polizei unter fadenscheinigem Vorwand ab, denn sie haben längst in einer „demokratischen“ Delegiertenabstimmung entschieden, selbst den überlebenden Einbrecher zu suchen und selbst über ihn zu richten.

Auf die Suche nach dem sich Versteckenden machen sich auch die Jugendlichen von „La Zona“ auf, darunter Alejandro (Daniel Tovar), dessen Vater Daniel (Daniel Giménez Cacho) zu den Rädelsführern der Selbstjustiz ausführenden Siedlungsanwohner gehört. Womit Alejandro nicht rechnet, tritt indes ein: Zufällig entdeckt er den Einbrecher im eigenen Keller. Nur, dass sich dieser als Jugendlicher entpuppt, der im Grunde nicht anders ist als er selbst: Miguel (Alan Chávez) gelingt es, Alejandro zu überzeugen, dass er kein Mörder ist. Während ein offensichtlich integrer Kommissar (Mario Zaragoza) versucht, sich Eingang in die Siedlung zu verschaffen, und die „La Zona“-Bewohner nach Miguel fahnden, sucht Alejandro nach einer Möglichkeit, Miguel aus der Siedlung herauszuschmuggeln.

Der mit viel Handkamera und Überwachungskamerabildern gedrehte, aber in seinen Bilder sowie in der Inszenierung Hollywood-Maßstäben genügende Film stellt eine Versuchsanordnung dar, was eine schablonenhafte Figurenzeichnung einschließt. Darin mag eine Schwäche von „La Zona“ bestehen.

Seine Stärke zeigt jedoch Plás Spielfilmdebüt darin, dass er die Folgen einer solchen Gesellschaftsordnung verdeutlicht. So schlägt das vermeintliche demokratische Prinzip der Entscheidungen im Rahmen einer Delegiertenversammlung in ein System um, in dem die Andersdenkenden verdächtigt und zum Schweigen gebracht werden. Aus der Basisdemokratie wird eine Diktatur der Mehrheit, die vor „Haftstrafen“ nicht zurückerschreckt – so wird etwa der Nachbar, der den Wachmann versehentlich erschossen hatte, und sich der Polizei stellen will, kurzerhand unter Hausarrest gesetzt.

Dazu führt Regisseur Rodrigo Plá aus: „Der Film zeigt, wie diese Menschen, die sich in Mexiko aus gutem Grund hinter einer Mauer gegen die draußen herrschende, häufig straffreie Gewalt abschotten, am Ende selbst das werden, was sie am meisten hassen: Gewalttäter.“ Der soziofuturistische Thriller prangert die Spirale der Gewalt und Unterdrückung an, die von der allgegenwärtigen Angst in einer von Abschottung geprägten Parallelgesellschaft ausgelöst wird.
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