SOLINO | Solino
Filmische Qualität:   
Regie: Fatih Akin
Darsteller: Barnaby Metschurat, Moritz Bleibtreu, Antonella Attili, Gigi Savoia, Patrycia Ziolkowska, Tiziana Lodato
Land, Jahr: Deutschland 2002
Laufzeit: 124 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: S, X


JOSÉ GARCÍA


„Entdecken Sie, wie die Pizza nach Deutschland kam“, heißt es in großen Lettern auf manchem Filmplakat. Offensichtlich bemüht sich der „X Verleih“ – der Filmverleih von „Lola rennt“-Regisseur Tom Tykwer – um einen auffallenden Werbeslogan, der Otto Normalkinogeher in die Kinos locken kann. Um den Weg der Pizza von Süditalien nach Deutschland geht es dann jedoch in „Solino“ glücklicherweise, wenn überhaupt, höchstens am Rande. Ziemlich schlecht bestellt muss es um den deutschen Kinobesucher stehen, wenn ihn nur solch seichte Werbesprüche dazu bewegen, einem Bruderzwist mit biblischen Anklängen, einem außergewöhnlich gefühlvollen Familiendrama zuzuschauen.

„Solino“ spielt im Gastarbeitermilieu; ihre Protagonisten, die Familie Amato, gehören zu den ersten so genannten Gastarbeitern, die in den Jahren des „Wirtschaftswunders“ nach Deutschland strömten. Von den Millionen Einwanderern kehrten Jahrzehnte später viele „nach Hause“ zurück. Andere – und vor allem ihre hier geborenen Kinder – blieben. Die Geschichte der Bundesrepublik wäre ohne die Geschichte dieser „ausländischen Mitbürger“ unvollständig. Um eine solche Lücke zu schließen, scheint keiner besser gerüstet zu sein als Fatih Akin, stammt er selbst doch aus einer türkischen Einwandererfamilie. Mag diese aus Anatolien statt aus Süditalien kommen: der Regisseur hat viel Herzblut in „Solino“ fließen lassen. Und das tut dem Film richtig gut.

„Solino“ heißt das Dorf in Apulien, aus dem 1964 Romano Amato und seine Frau Rosa mit den Kindern Giancarlo und Gigi nach Deutschland aufbrechen. Schnell begreifen sie jedoch, dass Duisburg kaum etwas mit dem von ihnen ersehnten gelobten Land gemeinsam hat; bald ist Signor Amato des Jobs unter Tage überdrüssig. Da hat Rosa die zündende Idee, in einer leerstehenden Eisdiele eine Pizzeria mit dem Namen „Solino“ zu eröffnen.

Der Film „Solino“ erstreckt sich über drei Jahrzehnte, in drei Akten gegliedert, die jeweils in 1964, 1974 und 1984 spielen. Besonders gelungen ist der Übergang vom ersten zum zweiten Akt, der eine Schnitt-Meisterleistung darstellt. Der zweite Teil zeigt allerdings einige Schwächen. Die Handlung verlegt sich nun auf das Äußerliche: rasante Autofahrten, wilde Siebziger-Jahre-Partys mit Drogenkonsum und Sex überdecken den schwelenden Bruderkonflikt, ehe im dritten Akt die romantischen Momente und die eigentliche Familienstory wieder in den Mittelpunkt rücken.

Die einzelnen Familienmitglieder sind auch unterschiedlich gezeichnet. So bleibt Vater Amato eigentlich ohne Konturen; wir erfahren etwa kaum davon, was ihn an Deutschland bindet. Die Erzählung vom Zerfall einer Familie in der Fremde konzentriert sich vielmehr auf die Beziehung zwischen den zwei ungleichen Söhnen. Wie bei Kain und Abel ist auch hier der Ältere auf den Jüngeren neidisch. So bricht der schwelende Zwist aus, als Mutter Rosa an Leukämie erkrankt, den untreuen Mann verlassen und „nach Hause“ zurückkehren will. Während Gigi sie nach Apulien begleitet, spannt ihm Giancarlo die Freundin aus und gibt sich auch noch als Regisseur des preisgekrönten Dokumentarfilmes seines Bruders aus. Zehn Jahre lang werden sich die Brüder nicht mehr sprechen.

Aber auch von anderen universalen Fragen, etwa von „Heimat“ erzählt „Solino“: Während der ältere Giancarlo, der immer den Italiener herausgekehrt hat, in Deutschland bleibt, findet der jüngere Gigi, der in Duisburg sein Italienisch verlernt hatte, in Solino sein Zuhause.

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