BUDDENBROOKS | Buddenbrooks
Filmische Qualität:   
Regie: Heinrich Breloer
Darsteller: Armin Mueller-Stahl, Jessica Schwarz, August Diehl, Mark Waschke, Iris Berben, Léa Bosco, Raban Bieling, Justus von Dohnanyi
Land, Jahr: Deutschland 2008
Laufzeit: 150 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: S, X
im Kino: 12/2008
Auf DVD: 8/2009


José García
Foto: Warner Bros.

Literaturverfilmungen haben es gemeinhin schwer. Sie werden von all denjenigen mit Argusaugen beobachtet, die das literarische Werk für eine Art Heiligtum halten, das durch jegliche Filmadaption entweiht werde. Wahrscheinlich zahlreicher sind allerdings die Leser, die zwar grundsätzlich einer solchen Adaption zustimmen, sich aber mit dem Ergebnis unzufrieden zeigen, wenn das eine oder andere lieb gewonnene Element aus dem literarischen Werk in der Filmfassung gänzlich weggefallen ist.

Weder die eine noch die andere Einstellung wird jedoch der Eigenständigkeit einer filmischen Annährung gerecht. Der eigentliche Maßstab muss vielmehr lauten, ob der Filmregisseur einen Zugang gefunden hat, der sich einerseits als selbstständig erweist, auf der anderen Seite jedoch den Charakter, die Seele der Romanvorlage nicht verrät. Dies gilt sowohl für die Verfilmung eines zeitgenössischen Jugendromans (Cornelia Funke im Interview zu „Tintenherz“: „Ich freue mich grundsätzlich über jede Interpretation meiner Geschichte“) als auch für die Leinwandadaption eines „Jahrhundertromans“ wie Thomas Manns „Buddenbrooks. Verfall einer Familie“.

Der Zugang, den Regisseur Heinrich Breloer für seine „Buddenbrooks“-Verfilmung wählte, drückt sich in einer Einstellung hervorragend aus: In einer der ersten Szenen des Films besucht Konsul Jean Buddenbrook (Armin Mueller-Stahl) mit seiner Frau Bethsy (Iris Berben) und seinen gerade erwachsen gewordenen Kindern Tony (Jessica Schwarz), Thomas (Mark Waschke) und Christian (August Diehl) eine Gesellschaft. Ehe sie in den Ballsaal eintreten, halten sie vor einem Spiegel kurz inne. Dieses Bild verrät: Breloer konzentriert seine Adaption des mehrere Generationen umfassenden Romans auf diese fünf Figuren.

Dabei fallen bis auf eine ganz kurze Szene zu Filmbeginn die zwei ersten Teile des Romans und damit auch Jeans Eltern Johann Buddenbrook d. Ä., das Oberhaupt der Familie am Romananfang, und dessen Gattin Antoinette, gänzlich weg. Ob sie dann im dreistündigen Fernsehzweiteiler, der zu einem späteren Zeitpunkt ausgestrahlt werden soll, zu sehen sein werden, wurde bislang nicht bekannt.

Diese Konzentration bringt es ebenso mit sich, dass auch die letzte Generation verkürzt wird: In Breloers Film fehlt Tonys Tochter Erika ganz, Thomas’ Sohn Hanno (Raban Bieling), dem Thomas Mann zwei Kapitel widmet, wird auf ein Minimum reduziert. Dennoch: Die Zusammenziehung des mehr als 700 Seiten starken Romans auf 150 Minuten Kinofilm gelingt trotz der episodenhaften, mit ihren kurzen Szenen an das Medium Fernsehen erinnernden Erzählstruktur durch einen im Großen und Ganzen geglückten Schnitt mit teilweise einfallsreichen Übergängen dank auch der überaus ansprechenden Kameraarbeit von Gernot Roll gut. Obwohl sich der Blick selten in Totalen weitet, fangen Rolls famose Kamerafahrten durch die prunkvolle Ausstattung und insbesondere durch das Treppenhaus des „Buddenbrook-Hauses“ die ganze Energie der Jean-Buddenbrook-Generation ein.

Den Verfall der Familie in der nächsten Generation wird filmisch etwa auch durch die klaustrophobischen Bildausschnitte versinnbildlicht, die für den Streit zwischen den Brüdern Thomas und Christian gewählt werden.

Erzählerisch konzentriert sich Heinrich Breloers Film auf die Entwicklung der drei Geschwister Tony, Thomas und Christian. Dabei kann er auf drei hervorragende Schauspieler zählen: August Diehl verkörpert den Lebemann Christian mit einer Mischung aus rebellischer Unbekümmertheit und immer mehr ins Wahnsinnige abgleitender Selbstzerstörung. Genauso wie Thomas die Familiengeschäfte aus der Hand seines Vaters Jean übernimmt, fällt Mark Waschke die nicht gerade einfache Aufgabe zu, die Lücke zu füllen, die nach Jeans Tod die Abwesenheit von Armin Mueller-Stahls Charisma hinterlassen hat.

Mark Waschke sieht sich insbesondere mit der Herausforderung konfrontiert, innerhalb kurzer Zeit den Niedergang der Familie darzustellen: „Wenn ein Stern am hellsten leuchtet, ist er vielleicht schon erloschen.“ Denn kaum ist Thomas in den Senat der Stadt berufen worden, kaum hat er mit einem glanzvollen Richtfest sein eigenes Haus vollendet, zeigen sich bereits die Anzeichen des Verfalls. Ein Unwetter macht zwar ein riskantes Geschäft zunichte, doch Breloers Film zeigt, dass dies nur ein äußerer Anlass ist. Die innere Aushöhlung, die Thomas immer deutlicher spürt, hat einen tieferen Grund: Der liegt über den Zwist mit seinem Bruder hinaus darin, dass sein Sohn Hanno weder das Interesse noch die Willenskraft entwickelt, die Geschäfte der Familie fortzusetzen.

Und Jessica Schwarzes Tony? Als junges Mädchen muss sie den Interessen der Firma ihre Jugendliebe Morten (Alexander Fehling) opfern, als sie mit Bendix Grünlich (Justus von Dohnanyi) verlobt wird. Obwohl von der Naivität der Romanfigur in der Kinoadaption wenig übriggeblieben ist, erweist sich Tony auch im Film als die zentrale Figur, die über alle Schicksalsschläge hinweg die Traditionen der Familie Buddenbrook lebendig hält.
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