ZEITEN DES AUFRUHRS | Revolutionary Road
Filmische Qualität:   
Regie: Sam Mendes
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Kate Winslet, Michael Shannon, Kathryn Hahn, David Harbour, Kathy Bates, Zoe Kazan
Land, Jahr: USA / Großbritannien 2008
Laufzeit: 119 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: S, X
im Kino: 1/2009
Auf DVD: 5/2009


José García
Foto: Universal

Eine Party etwa Anfang der fünfziger Jahre: Die Blicke zweier junger Menschen begegnen sich. Der Student Frank Wheeler (Leonardo DiCaprio) und die lebensfrohe Schauspielschülerin April (Kate Winslet) kommen miteinander ins Gespräch und verlieben sich. Sie schwören sich, niemals so spießbürgerlich wie die Menschen um sie herum zu werden. Mit diesem kurzen Prolog führt Regisseur Sam Mendes in „Zeiten des Aufruhrs“ ein, die Kinoadaption von Richard Yates’(1926-1992) Roman „Revolutionary Road“ (1961).

Ein paar Jahre später ist das Ehepaar von den Nachbarn äußerlich kaum noch zu unterscheiden. Frank und April haben ein Haus mit Garten an der „Revolutionary Road” genannten Straße eines Vorortes in Connecticut erworben. Mit eindrücklichen Bildern des renommierten Kameramannes Roger Deakins verdeutlicht der Film, wie der anfängliche Nonkonformismus einer gleichmachenden Anpassung gewichen ist: Frank wartet am Bahnhof inmitten einer Menge unterschiedslos grauer Hut- und Anzugträger auf den Vorortzug, der ihn ins Büro bringen soll. Derweil trinkt April mit anderen Frauen Kaffee zu Hause.

Das Ehepaar hat zwar zwei Kinder. Dass sie aber während des ganzen Films kaum mehr als eine Gastrolle spielen, deutet darauf hin, dass sich April wenigstens in dieser Beziehung nicht anpassen will: Sie weigert sich noch immer, eine typische „Vorort-Hausfrau und -Mutter“ zu sein. Die Ehe selbst leidet von Anfang an unter Missverständnissen. Einen Vorgeschmack auf künftige Streitereien liefert der Film in einer seiner ersten Szenen, als Aprils erster Theater-Auftritt misslingt, und sich Frank in ihre Lage kaum einzufühlen vermag.

Die in ein goldenes Licht getauchten Rückblenden wechseln sich mit dem grauen Alltag ab, in dem die Reibereien und Auseinandersetzungen immer lautstärker werden. Im Laufe der Zeit scheint sich Frank mit seiner eintönigen Arbeit in derselben Firma, in der schon sein Vater gearbeitet hatte, zufrieden zu geben. Dazu trägt etwa auch die Bewunderung bei, die ihm die hübsche Sekretärin Maureen (Zoe Kazan) entgegenbringt. Der Seitensprung, den er sich ausgerechnet an seinem dreißigsten Geburtstag mit ihr leistet, erfüllt ihn zwar sofort mit Schuldgefühlen, zumal er zu Hause von Frau und Kindern mit einem Geburtstagsständchen überrascht wird. Aber der Riss in der Ehe wird dadurch noch größer.

April kann sich demgegenüber mit dem Hausfrauendasein nicht zufrieden geben. Um aus der Sackgasse herauszukommen, tritt sie die Flucht nach vorn an. Sie schlägt Frank eine Radikalveränderung vor: er habe schon immer von Paris geschwärmt. Sie könnten dorthin ziehen, wo sie als Sekretärin in der Botschaft arbeiten, und er als freier Schriftsteller arbeiten könnte.

Obwohl nicht sehr begeistert, findet Frank Gefallen an dem Plan. Bald darauf, nachdem sie den verdutzen Nachbarn ihr Vorhaben verkündet haben, nach Europa umzuziehen, häufen sich die Argumente gegen einen solchen Neuanfang. Da ist zum einen das unverhoffte Karriereangebot, das Frank von seinem Chef erhält, und andererseits die Schwangerschaft Aprils, die in ihrer Verzweiflung Frank eine Abtreibung vorschlägt. Die Frage der Abtreibung begleitet von nun an das Eheleben. Der Film stellt sie allen tragischen Umständen zum Trotz indes nie als etwas Positives dar.

Sam Mendes wählt eine sehr klassische Inszenierung, zu der die elegante Kameraführung Roger Deakins, das detailverliebte Produktionsdesign von Kristi Zea und die an die fünfziger Jahre erinnernde Filmmusik Thomas Newmans entscheidend beitragen. Die Beschränkung auf einige wenige Handlungsorte lässt an ein Theaterstück denken, beschwört aber auch eine klaustrophobische Enge herauf. Andererseits erlaubt diese Begrenzung die Konzentration auf das Spiel der Darsteller.

„Zeiten des Aufruhrs“ ist bis in die Nebenrollen großartig besetzt, wobei insbesondere Michael Shannon als leicht autistisch veranlagter Sohn der Maklerin Mrs. Givings (Kathy Bates) April und Frank Wheeler eine Art Spiegel vorhält. So geht es den von Kate Winslet und Leonardo DiCaprio bis in alle Nuancen grandios gespielten Figuren plötzlich auf, dass sie im Laufe der Zeit gerade das geworden sind, was sie anfangs verachteten.

„Zeiten des Aufruhrs“ nimmt sich aber nicht nur als bittere Studie über die verratenen Jugendträume und die Anpassung an eine selbstgefällige Gesellschaft aus. Über die Szenen eines beklemmenden Ehelebens hinaus dekuvriert der Film den Dünkel eines sich als Nonkonformisten stilisierenden Paars, der die vermeintliche Kleinbürgerlichkeit seiner Zeit anprangert, aber sich letztendlich als mindestens genauso borniert wie die biederen Nachbarn und Freunde herausstellt, über die sich April und Frank immer wieder lustig machen.
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