OPERATION WALKÜRE – DAS STAUFFENBERG-ATTENTAT | Valkyrie
Filmische Qualität:   
Regie: Bryan Singer (Drehbuch: Christopher McQuarrie und Nathan Alexander)
Darsteller: Tom Cruise, Kenneth Branagh, Bill Nighy, Tom Wilkinson, Carice van Houten, Thomas Kretschmann, Terence Stamp, Christian Berkel
Land, Jahr: USA / Deutschland 2008
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G +
im Kino: 1/2009
Auf DVD: 7/2009


José García
Foto: 20th Century Fox

Der deutsche Widerstand gegen das Hitler-Regime musste nicht nur dagegen ankämpfen, in einer vollständig gleichgeschalteten Gesellschaft Gleichgesinnte zu finden und unter Lebensgefahr seine Untergrund-Aktivitäten zu koordinieren. Darüber hinaus sah er sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, im Ausland anerkannt zu werden, insbesondere seitdem im Januar 1943 Amerikas Präsident Roosevelt und Englands Premier Churchill die bedingungslose Kapitulation Deutschlands verlangten und nicht gewillt waren, mit dem deutschen Widerstand zusammenzuarbeiten.

Es ist beispielsweise hinlänglich bekannt, wie sehr sich Helmuth James von Moltke als Haupt des Kreisauer Kreises um Kontakte sowohl in England als auch in der amerikanischen Botschaft in Berlin bemühte. Darauf hat etwa der Historiker und Leiter des Planungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung, Ulrich Schlie, im „Tagesspiegel“ vom 4. Januar hingewiesen: „Dies war die eigentliche Tragik der Widerständler: Zu Hause fehlte der entscheidende Rückhalt im Volk, und im Ausland mussten sie sich mit Misstrauen und Spionageverdacht auseinandersetzen. Die kleine Minderheit in Großbritannien, die es besser wusste und ihn verstand, wurde nicht gehört.“

Weil es um die Kenntnis des „anderen Deutschlands“ zumal in der angelsächsischen Welt bis heute nicht besser bestellt ist, kommt einem Film wie Bryan Singers „Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat“ („Valkyrie“) die nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, schlicht und einfach einer breiten angelsächsischen Öffentlichkeit die Existenz des deutschen Widerstandes bekanntzumachen. Banal formuliert: Der Welt zu zeigen, dass nicht alle Deutschen Nazis waren. Im bereits erwähnten Beitrag stellt etwa Schlie fest: „So viel Publizität hatte der deutsche Widerstand, hatten die Ereignisse des 20. Juli 1944 in der englischsprachigen Welt noch nie. Vermutlich ist der Name Stauffenberg vielen dort sogar erst ein Begriff, seit Tom Cruise für den Film ,Operation Walküre‘ in die Rolle des Hitler-Attentäters geschlüpft ist.“

Vielen Zuschauern ist Jo Baiers im Jahre 2004 ausgestrahlter Fernsehfilm „Stauffenberg“ in guter Erinnerung. Obwohl nicht kritische Stimmen fehlten, die darin den Kontext, die „Mehrdeutigkeiten“ (so etwa Frank Schirrmacher in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“) vermissten, wurde insbesondere die Darstellung Stauffenbergs durch Sebastian Koch sowie Henning von Tresckows durch Ulrich Tukur hoch gelobt. Die Außenwirkung des deutschen TV-Filmes hielt sich allerdings in engen Grenzen. Dieselbe Geschichte als Hollywood-Film mit Tom Cruise in der Hauptrolle erzielt jedoch eine unvergleichbar größere Wirkung in den Vereinigten Staaten und in der ganzen Welt.

Seit Cruise die Absicht erklärte, „Operation Walküre“ drehen zu wollen, ist viel darüber geschrieben worden, ob eine der Hauptgestalten des deutschen Widerstands von einem Hollywood-Star gespielt werden sollte, wobei vor allem am Anfang die Zugehörigkeit Tom Cruises zur Scientology-Sekte als Stein des Anstoßes immer wieder Erwähnung fand. So äußerte sich Berthold Schenk von Stauffenberg, ältestes der fünf Kinder Claus Schenk von Stauffenbergs, in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ vom Juni 2007 ablehnend: „Es ist mir unsympathisch, dass ein bekennender Scientologe meinen Vater spielt. Ich sage damit nicht, dass Cruise ein schlechter Schauspieler ist. Das kann ich nicht beurteilen. In jedem Fall befürchte ich aber, dass da ein grauenvoller Kitsch rauskommt.“ Auf die Frage, was er Tom Cruise raten würde, antwortete Berthold von Stauffenberg im selben Interview lapidar: „Er soll seine Finger von meinem Vater lassen.“

Ist „Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat“ von Regisseur Bryan Singer (Drehbuch: Christopher McQuarrie und Nathan Alexander) der „grauenvolle Kitsch“ geworden, den Berthold Schenk von Stauffenberg befürchtete? Die Antwort auf diese Frage lautet: Nein. Allen Unkenrufen zum Trotz ist „Operation Walküre“ weitestgehend frei vom Hollywood-typischen Heldenpathos. Was nicht selbstverständlich erscheint, zumal sich Regisseur Bryan Singer gerade durch die Comic-Helden-Verfilmungen „X-Men“ (2000) und „X-Men 2“(2003) sowie „Superman Returns“ (2006) einen Namen gemacht hat.

Dass in „Operation Walküre“ Stauffenberg keineswegs als strahlender Held gezeichnet wird, ist sicherlich der schauspielerischen Leistung Tom Cruises, aber ebenso dem halb dokumentarisch anmutenden Inszenierungsstil Bryan Singers zu verdanken. Cruise nimmt sich wohltuend zurück und fügt sich dadurch dem Ensemble ein. Denn obgleich es in dem Spielfilm insbesondere um Claus Schenk von Stauffenberg geht, ist „Operation Walküre“ in erster Linie ein Ensemblefilm geworden.

Zunächst aber steht Stauffenberg im Mittelpunkt: Der Film beginnt in Nordafrika, wo der Oberst bei seinen Tagebucheintragungen („Hitler ist nicht nur der Erzfeind der gesamten Welt, sondern der Erzfeind Deutschlands. Ein Wechsel muss stattfinden”) und im Gespräch mit einem General aus seiner Gesinnung keinen Hehl macht. Plötzlich werden die Deutschen von Flugzeugen attackiert: Stauffenberg wird verwundet, verliert dabei ein Auge, die rechte und zwei Finger der linken Hand. Wenn auch Singer vom Filmbeginn an Stauffenberg als zum Widerstand gegen die Nazis entschlossen zeigt, so bleibt in „Operation Walküre“ noch viel Platz für eine differenzierte Darstellung des mit sich und mit den Mitverschwörern Hadernden, des von Zweifeln Geplagten.

Mit einer hochkarätigen Besetzung britischer und deutscher Schauspieler führt Regisseur Singer die Hauptgestalten der Verschwörung vom 20. Juli ein: Generalmajor Henning von Tresckow (Kenneth Branagh), General Friedrich Olbricht (Bill Nighy), Generaloberst Ludwig Beck (Terence Stamp), Carl Goerdeler (Kevin R. McNally), General Erich Fellgiebel (Eddie Izzard), Oberst Mertz von Quirnheim (Christian Berkel). Bei dieser Anzahl an Nebenfiguren können die einzelnen Charaktere zwar kaum vertieft werden. Der Zuschauer erhält jedoch einen Einblick in die unterschiedlichen Personen, die am gescheiterten Umsturz beteiligt waren.

Hervorragend besetzt sind weiterhin die Rollen von Stauffenbergs Frau Nina (Carice van Houten), des Kommandanten des Wachbataillons Otto Ernst Remer (Thomas Kretschmann) sowie des Berliner Polizeipräsidenten Wolf-Heinrich von Helldorf (Waldemar Kobus). Von viel weniger prominenten Schauspielern werden die Nazigrößen Hitler, Göring, Himmler und Goebbels dargestellt. So werden die Größen zu Komparsen.

„Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat“ hält sich weitestgehend treu an die historischen Fakten. Darauf wies etwa ZDF-Redaktionsleiter Zeitgeschichte Guido Knopp hin, der den Film lobte: Die historischen Ungenauigkeiten beträfen „nichts wirklich Ernsthaftes“. So folgt auf Stauffenbergs Erkenntnis, dass Deutschland nur gerettet werden kann, wenn Hitler beseitigt wird, die Einführung von Stauffenberg in den Kreis um Ludwig Beck und den Leipziger Bürgermeister Goerdeler. Die Suche nach Verbündeten innerhalb der Wehrmacht schließt insbesondere den Versuch ein, den Befehlshaber des Ersatzheeres, General Fromm (Tom Wilkinson) für den Umsturz zu gewinnen. Durch die Beförderung Stauffenbergs zum Stabschef beim Befehlshaber des Ersatzheeres erhält der Oberst die Möglichkeit, direkt bei Hitler vorzutragen, sodass er dessen Unterschrift für die Änderungen in der „Operation Walküre“ erwirken kann und Zugang zur „Wolfsschanze“ erhält, wo er zunächst am 15. Juli und dann am 20. Juli das Attentat versucht.

Die etwa letzte halbe Stunde des Filmes konzentriert sich auf die Auflösung des „Walküre“-Plans: In der Meinung, Hitler sei tot, fliegt Stauffenberg nach Berlin zurück, wo Olbrichts Zögern kostbare Zeit hat verstreichen lassen. Die Aktion gelingt zunächst; erst ein persönlicher Anruf Hitlers kann den Kommandanten des Wachbataillons Remer davon abhalten, Goebbels zu verhaften. Dann kehrt sich die Lage um: Stauffenberg und seine Mitverschwörer werden verhaftet und noch in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli im Hof des „Bendler-Blocks“ standrechtlich erschossen.

Obwohl diese Fakten bekannt sind, schafft es Regisseur Bryan Singer, immer wieder Spannung zu erzeugen. Das liegt an der Erzählstruktur seines Filmes, immer wieder kleinere Spannungsbogen aufzubauen. Erst gegen Ende leidet allerdings die Dramaturgie darunter, den 20. Juli so minutiös wie nur möglich, etwa durch das immer wieder ins Bild gesetzte Tackern der Telegrafenapparate, zu rekonstruieren.

Dieses Bebildern bekannter Fakten drängt darüber hinaus die Motivationen der Verschwörer in den Hintergrund. Über die ethisch-religiösen Fragen etwa des Tyrannenmords, mit denen sich Stauffenberg beschäftigte, und die bei ihm zu einem gegensätzlichen Ergebnis als etwa bei Moltke führten, gibt der Film keine Auskunft. Lediglich das Bewegen der Lippen Stauffenbergs im Flugzeug, das ihn am 20. Juli zur Wolfsschanze brachte, kann als ein Gebet gedeutet werden. Der Spruch, den Stauffenberg bei seiner Erschießung herausschreit „Es lebe das heilige Deutschland“ bleibt so eher rätselhaft.

„Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat“ deshalb lediglich als historischen Thriller zu bezeichnen, wäre trotzdem verfehlt. Ohne auf alle Fragen des Widerstandes einzugehen, vermittelt der Film ein historisch getreues Bild des politisch-militärischen Widerstandes um Oberst Claus Schenk von Stauffenberg und gibt einen Einblick in die Persönlichkeit der wohl bekanntesten Symbolfigur des Widerstandes gegen das NS-Regime, die nun einer weltweiten Öffentlichkeit nahegebracht wird. Darin liegt ohne Zweifel die Bedeutung von Bryan Singers Film.
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