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2/2009 |
Foto: Berlinale
Im Rahmen der 59. Internationalen Filmfestspiele Berlin findet erneut die Sektion âGenerationâ statt, die sich dem Kinder- beziehungsweise Jugendfilm speziell widmet. In den zwei Wettbewerben âKplusâ und â14plusâ werden Kurz- und Langfilme präsentiert, die sich an Kinder bis 14 Jahren (âKplusâ, ehemals âKinderfilmfestâ) sowie an 14- bis 18-jährige Jugendliche (â14plusâ) wenden.
Kplus: Märchenstoffe werden in die Handlung eingebaut
Eröffnet wird der âKplusâ-Wettbewerb mit der deutschen Produktion âLippels Traumâ. Basierend auf dem gleichnamigen Buch von Paul Maar erzählt âLippels Traumâ vom 11-jährigen Philipp (Karl Alexander Seidel), genannt Lippel, der in Passau unter die Fuchtel der strengen Haushälterin Frau Jakob (Anke Engelke) gerät, als sein Vater Otto Mattenheim (Moritz Bleibtreu) eine Geschäftsreise antritt. Frau Jakob kassiert sogar das Buch â1001 Nachtâ, das Lippel von seinem Vater bekommen hat. Aber Lippel träumt nachts von dieser exotisch-orientalischen Welt, in der sein Vater und Frau Jakob, aber auch zwei neue Klassenkameraden eine bedeutende Rolle spielen. Die Ãbergänge zwischen Real- und Fantasiewelt sind in âLippels Traumâ, bei dem Lars Büchel nach einem Drehbuch von Paul Maar und Ulrich Limmer Regie führt, hervorragend gelungen. Mit bestens aufgelegten erwachsenen Darstellern veranschaulicht der Film, wie Lippel in seinen Träumen Kraft schöpft, um seine eigenen Ãngste zu überwinden.
FlieÃende Ãbergänge zwischen Phantasiewelt und Wirklichkeit stehen ebenfalls im Mittelpunkt von Maria Procházkovás âWer fürchtet sich vor dem Wolfâ, dem überzeugendsten Film aus dem âKplusâ-Wettbewerb. Die tschechische Produktion handelt von der kleinen Terezka, die glücklich mit ihren Eltern in Prag lebt und sich jeden Tag aufs Neue freut, in den Kindergarten zu gehen, weil sie dort mit ihrem besten Freund Å imon spielen kann. Als Mamas ehemaliger Freund Patrik auftaucht, gerät indes Terezkas Welt ins Wanken sie spürt, dass die Trennung ihrer Eltern droht, und flüchtet sich gedanklich als Rotkäppchen in den Wald, wo sie ihre realen Ãngste verarbeiten kann. Wie im Märchen so gibt es glücklicherweise freilich auch in der realen Welt ein âHappy Endâ.
Bleiben Terezkas Eltern aller Schwierigkeiten zum Trotz zusammen, so steht im dänischen Spielfilm âMax Peinlichâ ein Junge mit einer allein erziehenden Mutter im Mittelpunkt. Mit seinen skurrilen Figuren (âErwachsene sind wie Kinder, die verrückt geworden sindâ) und einem regelrechten âGefangenenchorâ erzählt âMax Peinlichâ davon, den eigenen Freunden treu zu bleiben, aber auch von der Sehnsucht nach dem unbekannten Vater.
Auf die Suche nach seinem Vater macht sich ebenso der junge Tedo im georgischen Film âDas andere Uferâ. Als der Junge mit seiner Mutter nach Tiflis flüchtete, blieb sein Vater in Abchasien zurück. Jahre später macht sich Tedo auf den Weg ans âandere Uferâ, um den Vater zu suchen. Unter der poetischen Oberfläche bleibt der politische Konflikt in der Region immer spürbar.
Mit ganz unterschiedlichen Konflikten sehen sich Kinder in weiteren Produktionen im diesjährigen âKplusâ konfrontiert, ob es sich um den Streit zwischen alten Traditionen und den eigenen Wunschvorstellungen (âDie Stimme des Adlersâ und, besonders dramatisch, âNiloofarâ) die Trauerarbeit nach dem Tod einer geliebten Schwester (âDie Magie des Wassersâ) oder den Verlust der Familie, als der verwitwete Vater erneut heiratet (âMommoâ), handelt.
Zwei sehr unterschiedliche Animationsfilme gehören aber auch zum diesjährigen âKplusâ-Programm: Mit ihrer einfachen Zeichnung richtet sich âMama Muh und die Kräheâ eher an die kleineren Zuschauer. âBrendan und das Geheimnis von Kellsâ setzt eine mittelalterliche irische Nationalsage in einen vielschichtigen Animationsfilm mit aufwändig gestalteten Bildern und groÃartigen Kamerafahrten um. Erstmals zeigt âKplusâ einen Dokumentarfilm: Die mexikanische Dokumentation âDie Erbenâ zeigt in beeindruckenden Bildern Kinderarbeit auf dem Land.
14plus: Der schwierige Weg, erwachsen zu werden
Nachdem vergangenes Jahr der â14plusâ-Wettbewerb sehr gute Filme bot, die sich unter dem Oberbegriff âVersöhnung, Vergebung, Freundschaftâ zusammenfassen lieÃen, fällt die Auswahl des diesjährigen â14plusâ-Programms weitaus uneinheitlicher aus. Filmästhetisch aufwändig nimmt sich etwa der vollständig mit Knetfiguren realisierte âMary and Maxâ von Oscarpreisträger Adam Elliot mit den Stimmen der Stars Toni Collette, Philip Seymour Hoffman und Eric Bana aus, der Mitte Januar den diesjährigen âSundanceâ-Filmfestival eröffnet hatte.
Eine gewisse Tradition in â14plusâ besitzen die Filme, die sich mit den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens auseinandersetzen. Der chinesische Film âGunlala de Qiangâ (âLalaâs Gunâ) etwa handelt von den Abenteuern, die der zur Miao- (oder Hmong-)Minderheit gehörende Lala bestehen muss, um ein verziertes Gewehr zu bekommen. Denn zu den Traditionen dieser Minderheit gehört es, dass zur Erwachsenenzeremonie der Vater seinem Sohn ein solches Gewehr schenkt. Weil aber Lala seinen Vater nie gekannt hat, muss er sich selbst auf die Suche begeben.
Schwieriger hat es etwa die pubertierende Jenna im schwedischen Film âGlowing Starsâ. Irgendwann einmal muss sich ihre an Krebs leidende Mutter von ihrer eigenen Mutter pflegen lassen. Die dominierende Oma, die Krankheit der Mutter ... Das wird alles zu viel für Jenna. Ohne in Rührseligkeit zu verfallen erzählt Lisa Siwes Film von einer Jugendlichen, die nach anfänglicher Verzweiflung den Entschluss fasst: âWenn du stirbst, Mama, dann lebe ich für dich weiter!â
Andere Filme aus dieser Reihe setzten jedoch auf eine realistische, ja drastische Behandlung von Alkohol-, Drogen- und Sexexzessen. Ob es sich etwa um den â14plusâ-Eröffnungsfilm âUnmade Bedsâ, den mexikanischen âVoy a explotarâ oder auch den britischen Beitrag âCherrybombâ handelt: Die krude Schilderung überfordert den jugendlichen Zuschauer psychologisch und filmästhetisch. Hier wird ein Bild von Jugendlichen dargeboten, die es offensichtlich kaum abwarten können, erwachsen zu werden, um alle Freizügigkeiten auszukosten. Besonders ärgerlich: Dass eine solche positive Darstellung solcher Genusssucht in einem von den âKulturveranstaltungen des Bundes in Berlinâ organisierten Programm dargeboten wird.
Dass solche Themen indes sensibel dargestellt werden können, zeigen andere â14pusâ-Beiträge, etwa âKatiaâs Sisterâ der niederländischen Regisseurin Mijke de Jong oder auch der US-amerikanische Film âAfterschoolâ, der von einem tragischen Fall in einem exklusiven Internat an der Ostküste der Vereinigten Staaten handelt.
Der bewegendste Film im diesjährigen â14plusâ-Wettbewerb ist allerdings der bosnische Beitrag âSnijegâ (âSnowâ), der eine Dorfgemeinschaft in Bosnien im Jahre 1997, zwei Jahre nach Beendigung des Balkankriegs, zeigt. Die wenigen Ãberlebenden â ein alter Mann, ein verhaltensgestörter Junge, Mädchen und Frauen â flüchten sich in eine Traumwelt, um darüber hinweg zu kommen, dass die Leichen ihrer Familie niemals gefunden wurden. Ein verlockendes Angebot, das ihnen Geschäftsleute machen, setzt erstmals den Trauerprozess in Gang. Ein rührender Film, der jedoch in seiner zurückhaltenden Inszenierung in keinem Augenblick auf Ãberwältigung, sondern auf die Kraft seiner Figuren und seiner Geschichte setzt.
So uneinheitlich die diesjährigen Filme von âKplusâ und â14plusâ sein mögen, sie alle zeugen von der Suche nach dem eigenen Ort im Leben, selbst wenn diese Suche häufig eher orientierungslos verläuft.
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