GLAUBENSFRAGE | Doubt
Filmische Qualität:   
Regie: John Patrick Shanley
Darsteller: Meryl Streep, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Viola Davis, Joseph Foster II, Alice Drummond, Audrie J. Neenan, Susan Blommaert
Land, Jahr: USA 2008
Laufzeit: 104 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 2/2009
Auf DVD: 6/2009


José García
Foto: Buena Vista

Nach „Frost/Nixon“ steht nun mit „Glaubensfrage“ erneut eine Theaterverfilmung im aktuellen Kinoprogramm. „Glaubensfrage“ („Doubt“) ist die Leinwandversion des gleichnamigen, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Theaterstücks von John Patrick Shanley, das der Autor selbst fürs Kino adaptiert hat.

Spielte „Frost/Nixon“ im Jahre 1977, so ist die Handlung von Shanleys „Glaubensfrage“ noch früher angesiedelt: im Jahre 1964, wobei das Datum kaum zufällig gewählt wurde. Denn es handelt sich um eine Zeit großer gesellschaftlicher Umwälzungen – ein Jahr zuvor war John F. Kennedy ermordet worden, wie der Film gleich zu Beginn feststellt. Aber auch die Katholische Kirche steht vor Veränderungen: Es ist die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) und der einsetzenden Liturgiereform. So sieht der Zuschauer gleich zu Beginn eine Kirche ohne „Volksaltar“ mit dem Tabernakel in der Mitte.

Es handelt sich dabei um St. Nicholas in der New Yorker Bronx. Dort hält die Predigt ein noch junger, charismatisch und lebensfroh wirkender Priester, Father Flynn (Philip Seymour Hoffmann). Mitten in der Predigt steht eine streng wirkende Nonne auf, um einem schwatzenden Schüler eine Kopfnuss zu verpassen. Schwester Aloysius Beauvier (Meryl Streep) leitet die katholische Schule mit strenger Disziplin. Ihre lange schwarze Tracht der Barmherzigen Schwestern („Sisters of Charity“) samt das Gesicht fast verdeckender Nonnenhaube, ihre unvorteilhafte Brille und ihre Blässe machen es der Kamera von Roger Deakins ganz leicht, sie als „Drachen“– so ihr Spitzname  ins Bild zu setzen.

Der dritte, ebenfalls schnell eingeführte Charakter ist die junge, naiv wirkende Schwester James (Amy Adams). Diese wird von der Schuldirektorin angehalten, ihr „besondere Vorkommnisse“ zu berichten. Dies tut die junge Nonne auch, nachdem sie meint, Father Flynn widme einem Schüler zu viel Aufmerksamkeit. Dass es sich dabei um Donald, den ersten schwarzen Schüler in St. Nicholas handelt, macht die Sache nicht gerade einfacher. Schwester Aloysius reicht der diffuse Verdacht, um gegen den ganz anders als sie eingestellten Geistlichen einen Feldzug zu führen.

„Glaubensfrage“ setzt vor allem auf Charakterzeichnung und insbesondere auf die Gegensätze zwischen der Nonne und dem Priester: Verzichtet etwa Schwester Aloysius beim Tee auf Zucker, so versüßt ihn der Geistliche gar mit drei Stück. Einmal schneidet der Film zwei Mahlzeiten parallel: Essen die Nonnen ihr karges Mahl – Gemüse und ein Glas Milch – schweigend, so genießt Father Flynn zusammen mit anderen Priestern ein üppiges Abendessen mit Fleisch und Wein, bei dem ausgiebig gelacht wird.

Über diese allzu deutlichen Kontraste zwischen der asketischen Nonne und dem als „Naschkatze“ apostrophierten Geistlichen hinaus spart der Film nicht mit Metaphern – von der Katze, die eine Maus jagt bis zum Fenster im Büro der Direktorin, das Schwester Aloysius immer wieder schließt. Die Symbolik ist überdeutlich: Johannes XXIII. wollte ja die Fenster der Kirche weit öffnen und eine frische Luft hereinlassen. Dadurch werden die gegensätzlichen Positionen zementiert: Fortschritt gegen Tradition, Mut zur Veränderung gegen Beharren auf den vertrauten Standpunkten.

Dass diese Überzeichnung, zu der auch manche Kameraperspektive beiträgt, die Figuren zu keiner Karikatur werden lässt, liegt an den hervorragenden Schauspielern, die samt und sonders für den diesjährigen Oscar nominiert wurden: Meryl Streep in der Kategorie „Hauptdarstellerin“, Amy Adams und Viola Davis, die einen einzigen, aber überaus eindrücklichen Auftritt als Donalds Mutter hat, für „Nebendarstellerin“ sowie Philip Seymour Hoffmann als „Nebendarsteller“.

Entsprechend seinem Ursprung als Bühnenstück zeigt „Glaubensfrage“ seine besonderen Stärken in den kammerspielartigen Wortgefechten, die sich die zwei, wohl zu den wandlungsfähigsten ihres Faches gehörenden Protagonisten liefern. Die Regie trägt indes auch dazu bei, diese Wortduelle zu betonen. Denn von Bedeutung sind nicht nur die großartigen Dialoge, sondern etwa auch die Frage, wer wo Platz nehmen darf.

Die Figur der Schwester James ist von der real existierenden Schwester „Peggy“ (Mary Margareth McEntee) inspiriert, die als 21-Jährige Regisseur John Patrick Shanley Lesen und Schreiben beibrachte. Schwester Peggy stand dem Filmteam denn auch als Beraterin zur Verfügung.

Obwohl der Film das heikle Thema des sexuellen Missbrauchs und der ität andeutet, ist dies keineswegs das Sujet von „Glaubensfrage“. Dieses besteht vielmehr in den Folgen des Zweifels, der Verdächtigung und des Rufmords.
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