EFFI BRIEST | Effi Briest
Filmische Qualität:   
Regie: Hermine Huntgeburth
Darsteller: Julia Jentsch, Sebastian Koch, Barbara Auer, Mišel Maticevic, Margarita Broich, Rüdiger Vogler, Juliane Köhler, Thomas Thieme
Land, Jahr: Deutschland 2007
Laufzeit: 118 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: X
im Kino: 2/2009
Auf DVD: 6/2009


José García
Foto: Constantin

„Effi Briest“ gilt als Paradebeispiel unter den Romanen Theodor Fontanes (1818-1898). Denn in „Effi Briest“ (1894) behandelt der deutsche Meister des poetischen Realismus in formvollendeter Form das Thema, das sich durch etliche seiner früheren Romane – vor allem „Stine“ (1890) und „Frau Jenny Treibel“ (1892) – durchzieht: Die Frau, die an den Konventionen ihrer Zeit zerbricht. Thomas Mann wertete „Effi Briest“ als den besten Roman seit Goethes „Wahlverwandtschaften“.

Es wundert also kaum, dass auch der Film „Effi Briest“ für sich entdeckte: Gustaf Gründgens adaptierte den Roman 1939 unter dem Titel „Der Schritt vom Wege“. Im Jahr 1955 folgte Rudolf Jugerts „Rosen im Herbst“, 1969 die DDR-Verfilmung von Wolfgang Luderer „Effi Briest“. Die ehrgeizigste Filmadaption lieferte jedoch 1974 Rainer Werner Fassbinder mit Hanna Schygulla in der Hauptrolle. Fassbinder drehte den Film in brillanten Schwarz-Weiß-Bildern. Die eigenwillige Filmsprache mit u.a. Weißblenden, Schrifteinblendungen und der Überscheidung von Dialog und Off-Stimme schafft eine dem Roman adäquate Atmosphäre. Darüber hinaus gelingt es Fassbinder, die Charaktere getreu der Vorlage zu zeichnen.

Nun hat Hermine Huntgeburth Fontanes „Effi Briest“ nach einem Drehbuch von Volker Einrauch mit Julia Jentsch in der Effi-Rolle neu verfilmt. Obwohl das Produktionsdesign und die Kostüme dem ausgehenden 19. Jahrhundert entsprechen, möchten Drehbuchautor und Regisseurin offensichtlich den Stoff modernisieren. Und das bekommt „Effi Briest“ denkbar schlecht.

Am augenfälligsten weicht der Film von der Romanvorlage im aufgesetzten „Happy End“ ab. Nachdem Effi zwei Stunden lang den Zwängen der Zeit unterworfen geblieben ist, zündet sie sich vor den erschrockenen Eltern eine Zigarette an. Sie lehnt ihr Angebot ab, zu ihnen zurückzukehren, und wählt den Weg in eine selbstbestimmte Zukunft. Diese Entscheidung mag zum 21. Jahrhundert passen, steht jedoch mit der Figurentwicklung, auch im Film, in keinem Zusammenhang.

Darüber hinaus zeichnet sich Huntgeburths Interpretation durch einen Hang zur Expliziertheit aus. Was Fontane andeutet, vor allem Effis Affäre mit Major von Crampas, wird auf der Leinwand drastisch bebildert. Statt mit den „heißen Küssen“ Crampas auf Effis Hand bei einer Kutschenfahrt endet die erste Begegnung zwischen den beiden mit einer eindringlichen Sexszene in einer baufälligen Hütte in den Dünen.

Dies stellt allerdings Fontanes Intention auf den Kopf. Denn der Romancier geißelt ja die strengen Moralvorstellungen einer Gesellschaft, die allein wegen eines „platonischen“ Verhältnisses in Form eines Duells „Satisfaction“ verlangt. Für die Verhältnisse der (preußischen) Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert scheinen Regisseurin Huntgeburth und Drehbuchautor Einrauch freilich kein Gespür zu haben.

Die neue Verfilmung trifft ebenso wenig den vielgelobten „Plauderton“ des Romanautors, den er zwar in seinem Altersroman „Der Stechlin“ perfektionierte, der aber bereits „Effi Briest“ prägt. Trotz oder gerade wegen seines Modernisierungsversuchs fällt Huntgeburths Film arg beliebig aus.

Wer eine ausgezeichnete „Effi Briest“-Verfilmung sehen möchte, greift deshalb lieber auf Fassbinders Adaption von 1974 zurück. Sie erschien voriges Jahr bei „Kinowelt Arthaus“ als DVD in bestechender Bild- und Tonqualität.
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