GRAN TORINO | Gran Torino
Filmische Qualität:   
Regie: Clint Eastwood
Darsteller: Clint Eastwood, Bee Vang, Ahney Her, Christopher Carley, Brian Haley, Geraldine Hughes, Dreama Walker, Brian Howe, John Carroll Lynch
Land, Jahr: USA 2008
Laufzeit: 116 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 3/2009
Auf DVD: 7/2009


José García
Foto: Warner Bros.

Mit seinen 78 Jahren arbeitet Regisseur Clint Eastwood mit ungebrochener Produktivität weiter. Seit „Mystic River“ (siehe Filmarchiv) scheint er sogar eine neue schöpferische Kraft gefunden zu haben: Auf „Million Dollar Baby“ (2004) folgte das Weltkriegs-Doppeldrama „Flags of Our Fathers“ und „Letters from Iwo Jima“ (siehe Filmarchiv). Im Jahr 2008 lieferte der Regie-Altmeister erneut zwei Spielfilme hintereinander: Während der dreifach für den diesjährigen Oscar nominierte „Der fremde Sohn“ (siehe Filmarchiv) noch im deutschen Kino läuft, startet bereits seine letzte Regiearbeit „Gran Torino“.

„Gran Torino“ beginnt mit einer Beerdigungsfeier. Der polnischstämmige Walt Kowalski (Clint Eastwood) bleibt nach dem Tod seiner Frau nicht nur allein in seinem Haus. Er ist außerdem der letzte Alteingesessene in seinem ganzen Viertel, in dem sich mittlerweile Migranten aus aller Welt angesiedelt haben: Schwarze, Latinos und vor allem Mitglieder des Hmong-Volkes, das aus Südostasien stammend im Vietnamkrieg auf Seiten der Vereinigten Staaten kämpfte. Deshalb führte die amerikanische Regierung im Jahre 2004 ein Umsiedlungsprojekt ein, um staatenlose Hmong-Flüchtlinge in die Vereinigten Staaten aufzunehmen. Einige von ihnen sind denn auch Kowalskis Nachbarn geworden. Der Veteran aus dem Koreakrieg weigert sich allerdings, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.

Aber nicht nur mit ihnen hat Walt Kowalski Probleme: Seinen Sohn verweist er seines Hauses, nachdem dieser ihm einen Umzug ins Altersheim oder wenigstens einen typischen Rentnerurlaub schmackhaft zu machen versucht hat. Auch den Gesprächen mit dem jungen Pfarrer Father Janovich (Christopher Carley) geht er aus dem Weg. Der bärbeißige Walt Kowalski hat offenbar nur Freude an seinem Hund, seinem Bier auf der Veranda und seinem 1972er Gran Torino, den er wie seinen Augapfel hütet.

Mit dem alten Straßenkreuzer steht die Drehbuch-Wendung im Zusammenhang, wodurch die Handlung in Gang gesetzt wird. Eines Nachts bricht der Nachbarsjunge Thao (Bee Vang) in Walts Garage ein, um den Luxusschlitten zu stehlen. Als Walt Kowalski nicht nur den von einer Hmong-Gang als Mutprobe für Thao ausgedachten Diebstahl verhindert, sondern sich auch den Übergriffen der Jugendlichen entgegenstellt, wird er für Thaos Familie und insbesondere für dessen ältere Schwester Sue (Ahney Her) zum Held wider Willen. Weil Thaos Mutter und Schwester darauf bestehen, dass der Junge bei Walt Wiedergutmachung leisten soll, entsteht zwischen dem grimmigen alten Herrn und dem nüchternen Jungen langsam eine Art Freundschaft, die auch zur Läuterung Walts führen wird.

Das manchmal allzu simple Drehbuch des Debütanten Nick Schenk verfilmt der Regie-Altmeister Eastwood geradlinig und mit einem ausgesprochenen Gespür für Rhythmus, an dem ebenfalls der für den Schnitt zuständige Cutter Gary D. Roach, der seit 1996 für Clint Eastwood arbeitet, großen Anteil hat. „Gran Torino“ gehört zu den Spielfilmen mit einer solch präzisen Dramaturgie, dass sie der Zuschauer am liebsten mit der Uhr in der Hand verfolgen würde. Die Kamera von Tom Stern, der seit 2003 Clint Eastwoods Filme fotografiert hat, trägt in höchsten Maße mit ihrer Eleganz zum klassischen Eindruck des Filmes, mit ihrem Hang für ausgewaschene Farben und beinahe schwarzweiße Kompositionen zu einem Erscheinungsbild bei, das dem eigentlichen Sujet entspricht.

Dieses besteht in der Läuterung, im ebenfalls klassischen Kinothema der Metanoia: Auf seine alten Tage erweist sich der rassistische Menschenverächter als lernfähig genug, um seine Vorurteile zu überwinden, und sich für andere, zunächst ihm so fremde Menschen einzusetzen, auch wenn dies – „Million Dollar Baby“ nicht unähnlich – zu einer moralisch fragwürdigen Entscheidung führen wird.

Bei der Verleihung des Prädikats „besonders wertvoll“ führt die Filmbewertungsstelle Wiesbaden aus: „Fiktives und Authentisches, Symbolisches und Direktes, Musik aus verschiedenen Kulturen, Ruhe und Action, zu Erwartendes und Überraschendes bewirken in ihrer Verschmelzung einen filmästhetischen Genuss.“

Für katholische Kinogänger bietet „Gran Torino“ darüber hinaus eine besonders bedeutsame Nebenhandlung in der Beziehung Kowalskis zu seinem Pfarrer, der immer wieder den alten Mann zur Beichte zu bewegen sucht. Die sympathische Figur des jungenhaft, aber ebenso ernst wirkenden Priesters bleibt in Erinnerung.

Auch an der US-amerikanischen Kinokasse hat sich „Gran Torino“ als großer Erfolg erwiesen: Bei einem Budget von 33 Millionen Dollar hat er in den Vereinigten Staaten bereits mehr als 138 Millionen Dollar eingenommen, so dass er zur erfolgreichsten Regiearbeit Eastwoods avancierte.

Obwohl Clint Eastwood angekündigt hat, dass „Gran Torino“ seine letzte Schauspieler-Rolle sein soll, wird er weiterhin als Regisseur arbeiten: Die Dreharbeiten für seinen nächsten Film „The Human Factor“ über Nelson Mandela sind bereits in Vorbereitung.
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