VORSTADTKROKODILE | Vorstadtkrokodile
Filmische Qualität:   
Regie: Christian Ditter
Darsteller: Nick Romeo Reimann, Fabian Halbig, Manuel Steitz, Leonie Tepe, Axel Stein, Jacob Matschenz, Oktay Özdemir, Nora Tschirner, Smudo, Maria Schrader, Martin Semmelrogge
Land, Jahr: Deutschland 2009
Laufzeit: 98 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2009
Auf DVD: 9/2009


José García
Foto: Constantin

In der Öffentlichkeit wird immer wieder das Bild von einsamem Jugendlichen heraufbeschworen, der jede freie Minute vor dem Computer- oder Videospiel-Bildschirm verbringt, und dessen soziale Kontakte sich auf das virtuelle „Chatten“ beschränken. Die Anziehung, die Jugendbücher und –filme auf Jugendliche nach wie vor ausüben, spricht jedoch eine ganz andere Sprache.

Nicht nur, weil dies belegt, dass Jugendliche mehr lesen als ihnen zugetraut wird, sondern auch weil zu den wesentlichen Bestandteilen erfolgreicher Jugendbücher und –filme der Wert der Freundschaft im allgemeinen und die Zugehörigkeit zu einer Jugendbande im besonderen gehört. Eine solche Clique steht im Mittelpunkt des Romans „Vorstadtkrokodile“ von Max von der Grün, der seit seinem Erscheinen im Jahr 1976 mehr als 800.000 Mal verkauft wurde.

„Vorstadtkrokodile“ wurde bereits 1977 vom WDR fürs Fernsehen verfilmt. Nun hat der 1977 geborene Christian Ditter eine modernisierte Fassung auf die große Leinwand gebracht. Ditter bearbeitete das auf der Grundlage des Romans von Max von der Grün entwickelte Drehbuch von Martin Ritzenhoff und führte darüber hinaus Regie. Obwohl die Handlung und das Produktionsdesign dem heutigen Lebensgefühl angepasst wurden, bleibt der Kern der Vorlage gewahrt: Die gesellschaftliche Integration von Behinderten steht ganz deutlich im Mittelpunkt. So schrieb Max von der Grün im Vorwort zu seinem Roman: „Auch mein Sohn sitzt im Rollstuhl und muss oft warten, bis Nachbarjungen kommen und ihn abholen, zum Fußballplatz mitnehmen oder zum Minigolfplatz“. Darüber hinaus vermittelt er die Botschaft, dass Freunde nur dann unschlagbar sind, wenn sie zusammenhalten.

Die Zugehörigkeit zur Jugendbande spielt von Anfang an eine bedeutende Rolle. Gleich die erste Sequenz zeigt eine Schwindel erregende Mutprobe: Der zehnjährige Hannes (Nick Romeo Reimann), der bei seiner alleinerziehenden Mutter (Nora Tschirner) aufwächst, will unbedingt in die aus sechs Jungen und einem Mädchen bestehende Jugendbande der „Vorstadtkrokodile“ aufgenommen werden. Dafür gerät er bei der notwendigen Mutprobe auf einem Fabrikdach in Lebensgefahr.

Der Film schneidet die draufgängerische Aktion parallel zu deren Beobachtung durch einen Jungen, der im Rollstuhl sitzt, und der die Feuerwehr alarmiert. Der querschnittsgelähmte Kai (Fabian Halbig) wird von seinen Eltern, insbesondere von seiner Mutter (Maria Schrader) überbehütet, wünscht sich aber nichts sehnlicher als Freunde zu haben, und ein normales Leben zu führen. Die Chance scheint sich anzubahnen, als sich Hannes bei ihm für den Anruf bei der Feuerwehr bedankt. Hannes versucht, Kai bei den Vorstadtkrokodilen einführen. Diese sehen aber in dem Rollstuhlfahrer nur einen „Spasti“, der wegen seiner Behinderung bei ihren Touren nicht mithalten kann.

Die Integration des behinderten Kai gelingt aber doch noch, als er einen Einbruch beobachtet: Kai weiß nicht nur, wer den Laden von Hannes Mutter ausgeraubt hat, sondern auch wo die Einbrecher das Diebesgut versteckt halten. Nun darf er probeweise bei den Vorstadtkrokodilen mitmachen. Kai bringt immer bessere Ideen in die Clique hinein, um die Einbrecher dingfest zu machen.

Bei aller schablonenhaften Figurenzeichnung – „der schlagende Vater“, „die allein erziehende Mutter“, „die überbehütenden Eltern“ – trifft Regisseur Christian Ditter den Ton in den Dialogen und in der Jugendsprache, die freilich manchmal etwas zu derb wird. Auch der Humor gerät nur selten plump – etwa als das einzige Mädchen in der Bande, Maria (Leonie Tepe), den Jungs beweist, dass sie mit gewissen Nebenwirkungen von Kais Behinderung besser als die Machos zurecht kommt.

Im allgemeinen aber bleibt der wohldosierte Humor jugendgerecht, etwa in der Minigolfszene. Den Minigolfplatzbesitzer verkörpert im Übrigen Martin Semmelrogge, der bereits in der 1977-WDR-Verfilmung mitgespielt hatte.

Folgt die Handlung der Einbrecher-Verfolgung im Kern Erich Kästners „Emil und die Detektive“, so überzeugt „Vorstadtkrokodile“ vor allem wegen der Verknüpfung von jugendgerechter Action und relevanten gesellschaftlichen Fragen.

Denn gelungen in den Film eingebettet ist vor allem das Thema der Integration, das dem Romanautor so wichtig ist. Ohne Sentimentalitäten stellt der Film die körperliche Behinderung Kais und dessen Integration in eine Clique von Nichtbehinderten in den Mittelpunkt. Für die Integration von Kindern mit „Migrationshintergrund“ steht eine Gruppe von Albanern, die kaum Deutsch sprechen, und denen das Misstrauen der Bevölkerung begegnet.

Christian Ditters aktualisierte Version der „Vorstadtkrokodile“ stellt eine gelungene moderne Inszenierung eines Jugendbuchs mit einem zeitlosen Ansatz dar.
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