LIEBE AUF DEN ZWEITEN BLICK | Last Chance Harvey
Filmische Qualität:   
Regie: Joel Hopkins
Darsteller: Dustin Hoffman, Emma Thompson, James Brolin, Kathy Baker, Liane Balaban, Eileen Atkins, Richard Schiff
Land, Jahr: Großbritannien / USA 2008
Laufzeit: 93 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2009
Auf DVD: 8/2009


José García
Foto: Concorde

Obwohl im Laufe der Filmgeschichte in Hollywood viele Regisseure ihre ganz individuelle Handschrift entwickeln konnten, wird mit dem Regisseur- oder Autorenfilm im Allgemeinen eher das europäische Kino assoziiert. Mit Hollywoodfilmen verknüpfen viele Zuschauer demgegenüber vielmehr die Namen von Schauspielern. Bereits das „klassische“ Hollywood-Kino bestand vorwiegend aus Schauspielerfilmen: Die Menschen strömten ins Kino, um beispielsweise einen Film „mit John Wayne“ – nicht in erster Linie, um den „neuen John Ford“ zu sehen.

Der nun im deutschen Kino anlaufende „Liebe auf den zweiten Blick“ („Last Chance Harvey“) leugnet in keinem Augenblick seinen Charakter als Schauspielerfilm durch und durch. Denn die leicht melancholische Komödie lebt nicht so sehr vom abgedroschenen Drehbuch oder von den Regieeinfällen des für beides zuständigen jungen Regisseurs Joel Hopkins, obwohl dieser an zwei, drei Stellen unter Beweis stellt, dass er bekannte Situationen originell visuell umsetzen kann. „Liebe auf den zweiten Blick“ ist vielmehr auf die Hauptdarsteller Dustin Hoffman und Emma Thompson eindeutig zugeschnitten.

Dustin Hoffman verkörpert den New Yorker Harvey Shine, der in einer echten Lebenskrise steckt. Seine Stelle als Komponist von Werbe-„Jingles“ (einprägsame Melodien für Werbebotschaften) steht auf der Kippe, weil der längst nicht mehr junge Musiker mit der Zeit nicht hat Schritt halten können. Sollte seine aktuelle Auftragskomposition beim Kunden durchfallen, droht ihm der Rauswurf. Ausgerechnet am Wochenende vor diesem wichtigen Geschäftstermin muss er aber nach London zur Hochzeit seiner Tochter Susan (Liane Balaban).

Kaum am Flughafen angekommen, wird Harvey von einer Mitarbeiterin angesprochen, die Fluggästebefragungen durchführt. Zwar winkt Harvey schnell ab, aber die kurze Begegnung wird nicht folgenlos bleiben. Und sie bietet darüber hinaus Autor und Regisseur Hopkins die Gelegenheit, die zweite Hauptfigur einzuführen.

Emma Thompson spielt die Flughafen-Mitarbeiterin Kate Walker als verdrossene Frau im mittleren Alter (früher hätte man sie „alte Jungfer“ genannt), die offensichtlich längst die Hoffnung aufgegeben hat, die Liebe ihres Lebens zu finden. Zwar geht sie hin und wieder zu irgendwelchen, von ihren Kolleginnen arrangierten Treffen mit irgendwelchen Männern. Das tut sie offenkundig aber eher, um ihre Freundinnen nicht zu brüskieren. Darüber hinaus hat sie ohnehin genug mit ihrer Mutter Maggie (Eileen Atkins) zu tun, die sie zu allen passenden und unpassenden Gelegenheiten auf ihrem Handy anruft.

Dass es zwischen Harvey und Kate zu einer zweiten Begegnung kommen muss, daran zweifelt kein Zuschauer. Schließlich verspricht es der deutsche Filmtitel. In dieser Hinsicht bietet das Drehbuch selbstverständlich keine Überraschungen. Schwerer wiegt es allerdings, dass der Film so mit Klischees überfrachtet ist, dass der Zuschauer aufatmet, wenn es endlich zu dieser zweiten Begegnung kommt.

Denn bei „Liebe auf den zweiten Blick“ kommt es eigentlich auf die Dialoge zwischen den Hauptfiguren an. In dieser Hinsicht erinnert der Film an ein Theaterstück, zumal im Schatten von Dustin Hoffman und Emma Thompson alle anderen Darsteller bloß als Statisten agieren, mögen sie auch so ausgewiesene Schauspieler wie James Brolin (als Susans Stiefvater Brian) oder Eileen Atkins (als Kates Mutter) sein.

Wäre „Liebe auf den zweiten Blick“ tatsächlich ein Theaterstück, so gebe es ohne Zweifel immer wieder Szenenapplaus. Jedenfalls ganz sicher nach dem ersten Dialog in einem Flughafenrestaurant. Während es Harvey immer deutlicher wird, dass sich ihm hier – wie im Originaltitel suggeriert – die „letzte Chance“ in Liebesdingen bietet, bleibt Kate lange verschlossen. Bald kommen die Enttäuschungen, die sie an diesem einen Tag erlebt haben, zur Sprache. Über diesen „Wettbewerb“ um das größere Fiasko entdecken sie einen gleichen Sinn für Humor, was zu einer zaghaften Annährung führt.

Dass Joel Hopkins’ Film doch nicht gefilmtes Theater geworden ist, verdankt er größtenteils der hervorragenden Arbeit des Kameramanns John De Borman, der London in ein mild-sonniges Licht getauchte bildhübsche Bilder entlockt. Zu den anmutig-abwechselungsreichen Einstellungen passt das ebenfalls sorgfältig komponierte Produktionsdesign trefflich.

Das nuancenreiche Spiel der zwei Darsteller macht den bedeutenden Altersunterschied – Emma Thompson ist diese Woche 50 Jahre alt geworden, Dustin Hoffman wird im August 72 – vergessen. Der trockene Humor, der sich immer wieder Bahn bricht, hilft darüber hinaus über alle Sentimentalitätsfallen in diesem modernen Märchen über die spätere Liebe hinweg.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren