PHANTOMSCHMERZ | Phantomschmerz
Filmische Qualität:   
Regie: Matthias Emcke
Darsteller: Til Schweiger, Jana Pallaske, Stipe Erceg, Luna Schweiger, Julia Brendler, Alwara Höfels, Kida Khodr Ramadan, Renate Kohn, Ralf Dittrich, Carina Wiese
Land, Jahr: Deutschland 2008
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: D, X
im Kino: 5/2009
Auf DVD: 10/2009


José García
Foto: Warner Bros.

Als „Pantomschmerz“ bezeichnet die Medizin schmerzhafte Empfindungen, die nach dem Verlust eines Gliedmaßes oder eines Teils davon häufig auftreten. In seinem gleichnamigen Spielfilm liefert Matthias Emcke eine filmische Hommage an seinen kanadischen Freund Stephen Sumner, einen passionierten Radfahrer, der bei einem Unfall ein Bein verlor. „Phantomschmerz“ ist das Spielfilmdebüt des in Los Angeles lebenden deutschen Produzenten.

In Emckes Film heißt der Fahrradbegeisterte Marc, und der wird von Til Schweiger dargestellt, der auch als Ko-Produzent von „Phantomschmerz“ fungiert. Der Film lässt kein einziges Klischee aus, um Marc als Lebenskünstler zu etablieren: Er lebt mehr schlecht als recht von Gelegenheitsjobs, so dass er den Unterhaltszahlungen für seine 12-jährige Tochter Sarah (Schweigers echte Tochter Luna) kaum nachkommen kann. Schweren Herzens trennt er sich von seinem geliebten ’72 Dodge Charger, um den Rückstand auszugleichen.

Sein gutes Aussehen und sein Talent als Geschichtenerzähler lassen Marc bei den Frauen gut ankommen. Aber auch hier will er keine Verantwortung übernehmen – im Gegensatz zu seinem besten Freund Alex (Stipe Erceg), der mit Anna (Julia Brendler) glücklich verheiratet und auch beruflich erfolgreich ist, so dass er sich eine schicke Wohnung leisten und dem Hallodri Marc hin und wieder finanziell unterstützen kann. Marcs wahre Leidenschaft ist aber das Radfahren, sein größter Traum: Den legendären Col du Tourmalet zu bezwingen.

Als Marc bei einer der Gelegenheitsarbeiten Nika (Jana Pallaske) kennen lernt, scheint er endlich die richtige Frau gefunden zu haben. Gerade dann ereignet sich jedoch der Unfall, der Marcs Leben verändern soll: Eines Nachts wird er mit seinem Motorroller von einem Auto angefahren. Die einzige Chance, den Schwerverletzten zu retten, besteht in der Amputation des linken Beines. Sein Freund Alex nimmt es auf sich, ihm die Nachricht zu überbringen.

Was sich bei aller Klischeehaftigkeit als eine berührende Geschichte liest, leidet bei ihrer Umsetzung unter einer uneinheitlichen Regie deutlich.

Zwar findet Kameramann Ngo The Chau zunächst schöne Bilder, um Marcs Leidenschaft zu veranschaulichen – etwa die Szene, in der eine Gruppe Radfahrer an den einsamen Marc langsam herankommt, ehe dieser auf die Pedale tritt, um die verdutzten Verfolger hinter sich zu lassen.

Marcs Talent als Geschichtenerzähler, der mit seinen erfundenen Anekdoten die eigene Tochter und seine Kollegen unterhalten soll, wird jedoch mehr behauptet als gezeigt. Dies gilt ebenso für Marcs Beziehung zu Nika: Obwohl Jana Pallaske eine ansehnliche schauspielerische Leistung zeigt, erschließt sich dem Zuschauer kaum, warum Marc sie als „etwas Besonderes“ ansieht. Dass sie in ihrer Vorliebe für Antoine de Saint-Exupérys „Der kleine Prinz“ eine Gemeinsamkeit entdecken, stellt sich als genauso abgedroschener Kunstgriff heraus wie die allgegenwärtige Off-Stimme, die Marcs schwierige Beziehung zu seinem Vater erklären soll.

„Phantomschmerz“ besitzt im Marcs Freund Alex eine überaus interessante Nebenfigur, in der die persönliche Freundschaft zwischen Regisseur Matthias Emcke und Stephen Sumner durchscheint. Gerade die Szenen, in denen Alex seine Freundschaft zu Mar er Beweis stellt, gehören zu den gelungenen Momenten des Films. Umso unverständlicher, dass der Regisseur diese Figur immer mehr vernachlässigt.

Stattdessen setzt die einfallslose Regie immer häufiger auf Musik und auf die Metapher des „Phantomschmerzes“ als seelischer Schmerz. Dadurch kippt aber der Spielfilm endgültig ins Sentimentale. Der Rest der abgegriffenen Handlung wird einfach abgehandelt: Nachdem Marc sein Selbstmitleid in Alkohol zu ertrinken droht, hilft ihm Nika, buchstäblich wieder auf die Beine zu kommen. Der Verlust führt zur Läuterung des Veratwortungslosen.

Bei einer solchen austauschbaren Inszenierung kann der Zuschauer letztlich kaum Interesse für das Schicksal des Protagonisten empfinden. Phantomschmerz“ wird so zu einer farblosen Story, dessen Ausgang sich der Zuschauer ohnehin selbst ausdenken kann.
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