|
||||||||||||||||||||
José GarcÃa Foto: Buena Vista International Mit âDas Leben ist schönâ (âLa vita è bellaâ, 1997) ging Roberto Benigni das Wagnis ein, das Leben in einem Konzentrationslager aus der Sicht eines Kindes zu zeigen. Mit einem teils hyperrealistischen, teils surrealen Produktionsdesign machte der italienische Regisseur deutlich, dass es ihm dabei gar nicht um die Abbildung der Wirklichkeit ging. Obwohl diese hin und wieder, etwa durch einen Leichenberg, urplötzlich ins Bild hineinbrach, blieb das Konzentrationslager für den Zuschauer als reine Kulisse sichtbar. So nahm sich âDas Leben ist schönâ weniger eine Parabel auf den Widerstand gegen die Nazis oder die Hoffnung in einer ausweglosen Situation als ein schönes Beispiel für die Liebe eines Vaters zu seinem Sohn aus. Auf diesen schmalen Grat wagt sich nun der britische Regisseur Mark Herman mit der Verfilmung des Romans des irischen Autors John Boyne âDer junge im gestreiften Pyjamaâ, der ebenfalls den Holocaust mit den Augen eines unschuldigen Kindes betrachtet. Der achtjährige Bruno (Asa Butterfield) lebt Anfang der 40er Jahre in Berlin. Vom Krieg spürt Bruno in seinem Alltag nichts. Ausgelassen tobt er zusammen mit seinen Freunden durch die StraÃen der Hauptstadt â aber nicht mehr lange. Denn sein Vater (David Thewlis) ist gerade befördert worden, was einen Ortswechsel mit sich bringt. So muss sich der Junge von seinen Freunden verabschieden, um irgendwo mitten auf dem Land mit seiner Mutter (Vera Farmiga) und der 12-jährigen Schwester Gretel (Amba Beatty) ein neues Leben zu beginnen. Allerdings ist Bruno auf dem Land gar nicht glücklich. Statt in die Schule zu gehen, bekommen seine Schwester und er einen strengen Lehrer, so dass der Junge keine Spielkameraden findet. Von Langeweile getrieben, setzt er sich über das Verbot hinweg, das Gelände zu verlassen. Insbesondere der âBauernhofâ, den er aus seinem Zimmerfenster gesehen hatte, weckt seine Neugier. Hinter einem Stacheldraht trifft Bruno endlich auf einen Gleichaltrigen. Einiges kommt ihm allerdings eigenartig vor: Der Junge trägt den gleichen gestreiften Pyjama wie etwa der verängstigte Küchengehilfe Pavel (David Hayman), der einmal Brunos aufgeschürftes Knie versorgt und ihm dabei erzählt, er sei eigentlich Arzt. Darüber hinaus heiÃt der Junge im gestreiften Pyjama Schmuel (Jack Scanlon). Einen solchen Namen hat Bruno noch nie gehört. Ãber den Stacheldrahtzaun hinweg beginnt eine Freundschaft, die Brunos Vorstellungen langsam erschüttert. Selbst wenn er das, was er von Schmuel hört, nicht einordnen kann. In das Bild, das er von seinem Vater und dessen Aufgaben hat, passt es trotzdem kaum. Aber auch Brunos Mutter erfährt eines Tages, worin die âArbeitâ ihres Mannes besteht. Die Freundschaft zwischen den beiden Jungen wird einmal wegen eines Verrats Brunos auf eine harte Probe gestellt. Reumütig sucht Bruno Schmuels Vergebung, weshalb er sich gerne dazu bereit erklärt, Schmuel bei der Suche nach seinem verschwundenen Vater zu helfen. Doch dafür muss er mit einer Schaufel ein Loch unter den Zaun graben und seine Kleidung gegen einen gestreiften Pyjama austauschen, wodurch Bruno freilich der Katastrophe entgegeneilt. Wie 1997, als Roberto Benigni âDas Leben ist schönâ vorlegte, stellt sich erneut die Frage: Darf ein Spielfilm eine ânaiveâ Sicht des Holocausts bieten? Ein zwiespältiger Eindruck entsteht durch die zweideutige Inszenierung. Zwar ist der Parabelcharakter des Filmes unverkennbar. Denn keinem Zuschauer kann es verborgen bleiben, dass âDer Junge im gestreiften Pyjamaâ keinen Anspruch auf eine realistische Darstellung erhebt. Die Filmemacher legen jedoch etwa bei Nebenhandlungen â die Wandlung der Ehefrau des Lagerkommandanten, die Verführung von Brunos Schwester durch die Nazipropaganda â offensichtlich Wert auf eine realistischere Darstellung. Insgesamt überwiegt indes das Gleichnishafte. Denn die naive Sicht des Kindes stellt nicht nur für den Erwachsenen eine weitere Möglichkeit dar, sich dem Unfassbare zu nähern. Darüber hinaus veranschaulicht der Film sinnbildlich, dass sich die furchtbarsten Verbrechen nicht nur gegen die Opfer, sondern letztlich auch gegen die Täter wenden. |
||||||||||||||||||||
|