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José García Foto: Arsenal ![]() Zu Beginn des Sommers geschieht jedoch das nicht mehr Erwartete: Die Bauarbeiten werden plötzlich wiederaufgenommen, denn die Autobahn soll doch noch in Betrieb genommen werden. Nachdem die Bauarbeiter den Straßenabschnitt neu asphaltiert und Leitplanken montiert haben, ändert sich die Lebensweise der Familie grundlegend. Zunächst versuchen sie, sich der neuen Situation anzupassen: Judith setzt sich auf der Liege Kopfhörer auf, Marion und Julien warten auf der anderen Seite der Autobahn auf ihren Vater, um auf abenteuerliche Weise gemeinsam auf die richtige Seite zu gelangen. Bald aber machen der Autolärm und die Abgase die Situation unerträglich. Packt der Vater in einem bestimmten Augenblick die Koffer, so weigert sich die Mutter, ihr Zuhause aufzugeben. Woanders wieder von vorne zu beginnen, kommt für sie gar nicht in Frage. Sie beginnen sich, der Herausforderung zu stellen: Zunächst wird Ohropax, dann Isolierwolle angewandt. Als auch das nicht mehr reicht, mauert Michel die Fernster zu. Der absolute Rückzug der Familie zehrt allerdings an ihrem Zusammenhalt: Judith sucht das Weite, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Die verbliebenen Familienmitglieder fangen an, sich auf die Nerven zu fallen, sie verlieren zunächst die Nerven und dann beinahe den Verstand. Agnès Godards Kamera fängt nicht nur wunderschöne Bilder in gesättigten Farben ein, deren Wirkung von der Filmmusik und dem nuancenreichen Ton unterstützt werden. Die Kamera bleibt darüber hinaus den Darstellern stets sehr nah. Dabei fällt paradoxerweise das zurückgenommene Spiel der großen Schauspieler Isabelle Huppert und Olivier Gourmet ins Auge, die den Kinderdarstellern, insbesondere dem 11-jährigen Kacey Mottet Klein, den größtmöglichen Entfaltungsraum lassen. Die verschrobene Story stellt eine vielschichtige Versuchsanordnung dar. Wie reagiert eine gut eingespielte Gemeinschaft auf eine Bedrohung von draußen? Nachdem eins der Familienmitglieder einzeln aus der Situation geflüchtet und der Versuch des Vaters an der Unnachgiebigkeit der Mutter gescheitert ist, bleibt nur noch der Rückzug ins Innere, was Regisseurin Ursula Meier Roadmovie à lenvers, das umgekehrte Roadmovie, nennt. Gilt dieses uramerikanische Filmgenre als paradigmatischer Ausdruck der Beweglichkeit und letztlich einer grenzenlosen Freiheit, so müsste ein umgekehrtes Roadmovie für Unbeweglichkeit und Unfreiheit symbolhaft stehen. Home kann darüber hinaus unschwer in Beziehung zur Lage der Schweiz gesetzt werden. Denn die Parabel auf ein in sich geschlossenes Land ist allzu offensichtlich. Aber Ursula Maiers Spielfilmdebüt erlaubt weitere tiefgründige Interpretationen, etwa als Zivilisationskritik oder aber überhaupt als Symbol für die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz, die durch äußere Einflüsse leicht aus dem Gleichgewicht zu werfen ist. |
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