AFFAEREN A LA CARTE | Le code á changé
Filmische Qualität:   
Regie: Danièle Thompson
Darsteller: Karin Viard, Dany Boon, Marina Fois, Patrick Bruel, Emmanuelle Seigner, Christopher Thompson, Marina Hands
Land, Jahr: Frankreich 2009
Laufzeit: 100 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: D
im Kino: 7/2009
Auf DVD: 1/2010


José García
Foto: Prokino

Bei der Übertragung fremdsprachiger Filmtitel ins Deutsche geht häufig die doppelte Bedeutung des Originaltitels verloren. So etwa auch bei Danièle Thompsons „Le code a changé“, der nun im deutschen Kino startet. Der „Code“ meint hier zunächst einmal die vierstellige Zahl, die in Frankreich, insbesondere in Paris an einer Tafel an der Hausfront einzugeben ist, damit sich die Haustür öffnet. Wird der Code geändert, so dass ein Besucher die neue Kombination nicht kennt, so bleibt ihm der Zugang versperrt. Der Originaltitel bezieht sich allerdings auch auf einen Gesellschaftscodex, den es ebenso zu beherrschen gilt, will man nicht gesellschaftlich außen vor bleiben.

Die Übertragung von Danièle Thompsons „Le code a changé“ mit „Affären à la carte“ behält zwar die Nähe zum französischen Kulturkreis bei, besitzt jedoch einen zu frivolen Beigeschmack. Handelt Thompsons Spielfilm von den Irrungen und Wirrungen der Liebe im erwachsenen Alter, so schlägt die französische Regisseurin und Mit-Drehbuchautorin einen ungleich seriöseren Ton an, als der deutsche Verleihtitel vermuten lässt.

Paris, an einem 21. Juni. Um den Sommeranfang zu feiern und wohl auch die neue Küche einzuweihen, lädt ein ungleiches Ehepaar Freunde und Bekannte zum Abendessen ein: Marie-Laurence, genannt ML (Karin Viard) und Piotr (Dany Boon), die erfolgreiche Scheidungsanwältin und ihr Mann, der gerade arbeitslos geworden ist, kaufen ein, bereiten das Mahl vor, erkundigen sich nach dem aktuellen Stand der Gästeliste.

Ganz oben darauf steht Lucas (Christopher Thompson), der ML für seine exklusive Anwaltskanzlei gewinnen möchte. Dem gelungenen Auftritt bei seiner künftigen Geschäftspartnerin steht jedoch die Laune seiner Frau Sarah (Emmanuelle Seigner) entgegen, mit der er sich auf der Hinfahrt heftig streitet. Plötzlich steigt Sarah aus dem Wagen aus – zunächst ist es noch unklar, ob sie bei ML und Piotr überhaupt erscheinen wird.

Zu den Gästen zählen noch zwei weitere Paare: In der Ehe zwischen MLs bester Freundin, der Gynäkologin Mèlanie (Marina Foïs), und dem Krebsarzt Alain (Patrick Bruel) kriselt es, weil sie den Perfektionismus ihres Mannes nicht ausstehen kann. Mèlanie hat sich auf eine Affäre mit einem Jockey eingelassen und erwägt ernsthaft, Alain zu verlassen.

Ganz anders steht es um die Beziehung zwischen MLs Schwester Juliette (Marina Hands) und dem viel älteren Erwann (Patrick Chesnais). Juliette liebt es offensichtlich, durch ihr Verhältnis mit einem „Alt-68er“ zu provozieren – ein Verhältnis, das sie aber am liebsten mit einer Ehe legalisieren würde.

Zu der Runde gehören noch zwei Singles: der Innenarchitekt Jean-Louis (Laurent Stocker) und MLs Flamencotanz-Lehrerin Manuela (Blanca Li), die seit längerer Zeit gegen eine Krebserkrankung ankämpft. Überraschenderweise taucht im Laufe des Abends MLs und Juliettes Vater Henri (Pierre Arditi) auf. ML sieht dunkle Wolken heraufziehen, da Juliette und ihr Vater seit Jahren kein Wort mehr miteinander geredet haben. Sie schiebt Henri kurzerhand in ein anderes Zimmer ab.

Ein Ensemblefilm mit zehn oder gar elf gleichberechtigten Figuren, die Regisseurin Danièle Thompson in Gleichgewicht hält. Ihr gelingt es darüber hinaus, jeder dieser Figuren einen eigenen Charakter zu verleihen, ohne in Klischees zu verfallen.

Das intelligente Drehbuch, das die Regisseurin zusammen mit ihrem Sohn Christopher Thompson geschrieben hat, wartet mit einem bemerkenswerten Kunstgriff auf: Nach einem scharfen Schnitt ist ein ganzes Jahr vergangen. Der 21. Juni des folgenden Jahres zeigt ML wieder bei den Vorbereitungen für ein Abendessen. Mit einem deutlichen Gespür für Rhythmus enthüllt Regisseurin Danièle Thompson durch Rückblenden die Veränderungen im Leben dieser elf Menschen.

Diese Erzählstruktur erinnert unweigerlich an Woody Allens „Hannah und ihre Schwestern“ (1986), der mit einer Familienfeier am Thanksgiving beginnt und mit einem weiteren Thanksgiving endet. Aber auch andere Motive scheinen diesem Woody Allen-Film entlehnt worden zu sein. So etwa der Ehepartner, der sich fest entschlossen gibt, sich scheiden zu lassen, und doch am Ende die Liebe zum Ehepartner neu entdeckt.

Die Ähnlichkeiten mit den Spielfilmen Woody Allens aus den achtziger Jahren setzen sich darüber hinaus in den scharfen Dialogen und dem Wortwitz fort, den „Affären à la carte“ bietet. Danièle Thompson verwendet jedoch ganz bewusst kräftige Farben, die den fröhlichen, lebensintensiven Sommeranfang ins Bild setzen.

Der herausragende Darsteller-Reigen, die sichere Inszenierung und die beachtliche Kameraführung veranschaulichen die Orientierungslosigkeit einer Generation, der es zwar in materieller Hinsicht an nichts mangelt, die aber kaum wirkliche Überzeugungen besitzt. Besonders deutlich wird es etwa in einer Szene, in der eine „praktizierende Katholikin“ in einer Kirche um Kraft betet, um ihren Mann zu betrügen.
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