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José GarcÃa Foto: Universal Die Bildersprache des amerikanischen Filmregisseurs Michael Mann gehört zu den innovativsten im heutigen Kino. Für âCollateralâ (siehe Filmarchiv) setzte Mann hochauflösende Digitalkameras ein, deren Schärfe und Kontrasttiefe gerade in den Nachtszenen dem Film eine auf der groÃen Leinwand noch nicht gesehene hyperrealistische Anmutung verliehen. Die âHigh Definitionâ-Digitalvideokameras erlaubten dem Regisseur darüber hinaus eine auÃergewöhnliche Bewegungsfreiheit, die sich in einer Art Dokumentarismus niederschlug. Die Kamera filmte sozusagen aus dem Geschehen heraus, sie trat den Darstellern stets sehr nahe. Diese ästhetische Innovation war in âCollateralâ allerdings kein Selbstzweck. Sie stand vielmehr im Dienst der Charakterzeichnung. Ãhnlich den früheren Arbeiten von Michael Mann âHeatâ (1995) und âInsiderâ (1999) nahm sich âCollateralâ vor allem als Charakterstudie aus. Im Gegensatz dazu gelang es Michael Mann in seinem nächsten Film âMiami Viceâ (siehe Filmarchiv) keine Charakterzeichnung der Hauptfiguren. Denn âMiami Viceâ haftet ein allgegenwärtiger Zynismus: Woran sich Polizei und Gangster unterscheiden sollen, wird in âMiami Viceâ nicht deutlich. Der aktuelle Spielfilm von Michael Mann âPublic Enemiesâ verknüpft erneut diese zwei Grundzüge des Regisseurs aus Chicago miteinander: Die Auseinandersetzung zwischen einem Gangster und dem Polizisten, der seine Lebensaufgabe in der Verfolgung des Kriminellen sieht, wird mit Manns eigenwilliger Bilderästhetik hyperrealistisch in Szene gesetzt. âPublic Enemiesâ handelt von 14 Monaten im Leben eines Bankräubers, dessen Popularität in den Vereinigten Staaten mit der eines Al Capone vergleichbar ist: John Dillinger (Johnny Depp) befreit im Jahre 1933 in einer spektakulären Actionsequenz einige Bandenmitglieder aus einem Hochsicherheitsgefängnis, und führt seine Bank-Raubzüge fort, die ihn zum meistgesuchten Mann auf der Fahndungsliste des damals noch im Entstehen begriffenen FBI sowie zum ersten offiziellen âStaatsfeind Nummer 1â machten. Dillingers Gang, zu der später auch âBaby-Faceâ Nelson (Stephen Graham) und Alvin Karpis (Giovanni Ribisi) gehörten, gab dem ehrgeizigen J. Edgar Hoover (Billy Crudup) die Chance, aus dem âBureau of Investigationâ eine mit aller Macht ausgestattete Bundesbehörde, das FBI, auszubauen. Hoover beauftragte mit Dillingers Verfolgung den mit allen Wassern gewaschenen Melvin Purvis (Christian Bale), der zum gnadenlosen Gegenspieler von John Dillinger wurde. Mit der Haupthandlung verwoben ist die Liebesgeschichte zwischen John Dillinger und Billie Frechette (Marion Cotillard). Damit kehrt ein Motiv aus âHeatâ wieder: Die Liebe zu einer Frau macht den Gangster verwundbar. Denn das FBI benutzt Billie als Druckmittel gegen Dillinger. Obwohl âPublic Enemiesâ auf den ersten Blick wie eine Neuauflage von âHeatâ aussieht, wird der Unterschied in der direkten Begegnung zwischen John Dillinger und Melvin Purvis allzu deutlich. Im Gegensatz zur legendären Szene mit Robert De Niro und Al Pacino in einem Kaffeehaus in âHeatâ, geraten die von Johnny Depp und Christian Bale verkörperten Charaktere zu holzschnittartigen Figuren: Der Gangster gibt sich herablassend, der Polizist selbstsicher. Der Film lässt die zum Markenzeichen von âHeatâ, âInsiderâ und âCollateralâ gewordene Charakterstudie zweier Menschen, die sich einen verbissenen Zweikampf liefern, vermissen. Ebenso schablonenhaft wird Dillingers Liebesgeschichte mit Billie Frechette gezeichnet, die lediglich den genreüblichen Konventionen folgt. Was das Garderobenmädchen an einem Leben an der Seite des meist gesuchten Verbrechers fasziniert, wird in keinem Augenblick deutlich. Die Qualitäten von âPublic Enemiesâ liegen weder in der Dramaturgie einer lediglich aus einer Aneinanderreihung von SchieÃereien und Verfolgungsjagden bestehenden Gangstergeschichte noch in der oberflächlichen Charakterstudie. Handlung und Figuren stehen vielmehr im Dienst des Experimentierens mit den Möglichkeiten, die Manns gestalterisch überwältige Filmsprache bietet. Die hochauflösende Optik von âPublic Enemiesâ besitzt zwar einen beinahe haptischen Charakter. Aber die Hochglanzbilder spiegeln blutleere Charaktere wider. Wie in âMiami Viceâ lassen sich keine Unterschiede zwischen Polizisten und Gangster ausmachen. Auch in âPublic Enemiesâ herrscht ein unterschwelliger Zynismus. |
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