TÖDLICHES KOMMANDO | The Hurt Locker
Filmische Qualität:   
Regie: Kathryn Bigelow
Darsteller: Jeremy Renner, Anthony Mackie, Brian Geraghty, Guy Pearce, Ralph Fiennes, David Morse, Christian Camargo, Suhail Aldabbach
Land, Jahr: USA 2008
Laufzeit: 124 Minuten
Genre: Action/Western
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 8/2009
Auf DVD: 11/2009


José García
Foto: Concorde

Der Vietnam-Krieg hinterließ im Kino tiefe Spuren. Coppolas „Apocalypse Now“ (1979) oder Oliver Stones „Platoon“ (1986) und „Geboren am 4. Juli“ (1989), um lediglich die bekanntesten Vietnam-Spielfilme zu nennen, haben darüber hinaus das mediale Bild des Vietnam-Kriegs geprägt. Für den Irakkrieg fehlt es bislang an einer solchen filmischen Aufarbeitung, was möglicherweise an der mangelnden historischen Perspektive liegen könnte.

Kathryn Bigelows „Tödliches Kommando“ („The Hurt Locker“) füllt diese Lücke wenigstens teilweise aus. Bagdad im Sommer 2004: Es fehlen nur noch 38 Tage bis zur turnusmäßigen Ablösung für das amerikanische „Team Bravo“, als es zu einem Einsatz gerufen wird. Während der Geheimdienstmann JT Sanborn (Anthony Mackie) und der Scharfschütze Owen Eldrige (Brian Geradhty) das Gelände sichern, wird der Bombenentschärfer Matt Thomson (Guy Pearce) in einen Schutzanzug gesteckt, um eine Bombe manuell zu entschärfen. Als die Soldaten einen verdächtigen Mann bemerken, ist es zu spät: Dieser löst mit seinem Handy den Zünder aus, Sergeant Matt Thomson überlebt die Detonation nicht.

Die Exposition in Bigelows Film führt dem Zuschauer die Gefahr vor Augen, in der sich ein solches Sonderkommando ständig befindet. Sie wird indessen als dramaturgischer Kunstgriff eingesetzt, um die eigentliche Hauptfigur in „Tödliches Kommando“ einzuführen: Sergeant William James (Jeremy Renner), der bereits am Tag nach Thomsons Tod der kleinen Spezialeinheit als Vorgesetzter zugeteilt wird.

Bereits bei seinem ersten Einsatz zündet James eine Rauchbombe, die zwar als Ablenkungsmanöver funktioniert, aber auch den eigenen Leuten den Sichtkontakt nimmt. Sergeant William James bewegt sich durch Bagdad wie weiland Oberst Kilgore in „Apocalypse Now“ durch Vietnam: Er tritt als eine Art Cowboy auf, der alle Sicherheitsvorkehrungen missachtet.

Nach einem Drehbuch des Journalisten Mark Boal, der im Irak ein Bombenentschärfungsteam begleitete, erzählt der episodisch angelegte Film konsequent aus der Sicht des kleinen Einsatzkommandos. Die nervöse Handkamera filmt aus dem Geschehen heraus, zeigt stets einen kleinen Ausschnitt, so dass „Tödliches Kommando“ streckenweise wie eine Kriegsreportage anmutet. Mit ungewohnten, teils klaustrophobischen Perspektiven und verwackelten Bildern gelingt es der Kamera von Barry Ackroyd, dem Zuschauer ein Gefühl der Unsicherheit, der Orientierungslosigkeit zu vermitteln.

Die Western-Anklänge der Filmmusik unterstützten einen Konflikt, der nicht auf der Ebene der großen Politik, ja nicht einmal des Krieges insgesamt stattfindet. Wie in einem Western spielt sich der Konflikt „Mann gegen Mann“ ab, hier zwischen dem sorglos-draufgängerischen James und dem besonnenen Sanborn. Die zwei Männer stehen geradezu für zwei gegensätzliche Sichtweisen des Krieges, wobei für Sergeant William James der Krieg buchstäblich zu einer Droge geworden ist.

Das Zitat des „New York Times“-Journalisten Chris Hedges „Krieg ist eine Droge“ steht am Anfang des Filmes. Regisseurin Bigelow macht es denn auch anhand der Hauptfigur insbesondere in einer wunderbaren Einstellung nachvollziehbar, als Sergeant James zurück aus dem Irak zu Hause vor einem prallen Supermarktregal steht, und sich nicht für eine Cornflakes-Sorte entscheiden kann.

„Tödliches Kommando“ als „Antikriegsfilm“ zu bezeichnen, griffe zu kurz. In einem „Focus“-Interview führte Regisseurin Kathryn Bigelow dazu aus: „‚The Hurt Locker’ ist kein typischer Kriegsfilm. Es geht in dem Film nicht um eine politische Botschaft, man sieht keinen einzigen Politiker, und der Film stellt sich auch nicht auf eine politische Seite. Stattdessen nimmt der Film den Zuschauer mit auf eine äußerst adrenalingeladene Reise durch den Alltag eines Bomben-Entschärfungs-Teams inmitten des Irakkrieges. Mein Ziel war es, den gefährlichen Job und die Emotionen dieser Soldaten so realistisch wie möglich darzustellen.“

Die Konzentration auf die zwischenmenschlichen Konflikte verleiht „Tödliches Kommando“ einen allgemein gültigen Charakter, der den Irak-Krieg übersteigt. Ähnlich „Der schmale Grat“ (Terrence Malick, 1998) entzieht sich „Tödliches Kommando“ außerdem einer Klassifizierung als „Kriegs“- oder „Antikriegsfilm“. Der Zuschauer ist vielmehr gefordert, eigene Schlüsse zu ziehen.
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