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José GarcÃa Foto: Universal ![]() Die nichtlineare Erzählweise, die Quentin Tarantino in âPulp Fictionâ anwandte, wurde mehrfach nachgeahmt â auch von ihm selbst, etwa im zweiteiligen Film âKill Billâ (2003 und 2004), in dem sich die Zeit ständig vor- und zurückzudrehen scheint. Die durch weiÃe und gelbe Zwischentitel erfolgte Kapitelunterteilung suggeriert, dass âKill Billâ eine ausgefallene Dramaturgie besitzt. Beim näheren Hinsehen entpuppt sich diese jedoch als reines Spiel mit den Sehgewohnheiten des Kinozuschauers. Die Vorliebe Tarantinos, Spielfilme in Kapitel einzuteilen, behält der Regisseur in seinem aktuellen Film âInglourious Basterdsâ bei. In fünf Kapiteln erzählt Tarantinos neuer Spielfilm zwei Geschichten, die zunächst parallel verlaufen, und erst im Schlusskapitel dramaturgisch überzeugend miteinander verschmelzen. Es ist einerseits die Geschichte der Shosanna Dreyfus (Mélanie Laurent), die im Jahre 1941 im von den Nazis besetzten Frankreich miterleben muss, wie ihre Familie vom âJudenjägerâ SS- Oberst Hans Landa (Christoph Waltz) ausgelöscht wird. Im zweiten Erzählstrang stellt Leutnant Aldo Raine (Brad Pitt) eine Gruppe jüdisch-amerikanischer Soldaten zusammen, die hinter den feindlichen Linien auf deutsche Soldaten Jagd machen und sie skalpieren sollen. Die deutsche Schauspielerin und Geheimagentin Bridget von Hammersmark (Diane Kruger) soll die titelgebenden â eâ in die Filmpremiere des neuen Nazi-Propagandafilms, âDer Stolz der Nationâ einschleusen, die 1944 in Anwesenheit aller Nazi-GröÃen einschlieÃlich Joseph Goebbels (Sylvester Groth) und Adolf Hitler (Martin Wuttke) in einem Pariser Kino stattfinden wird. Das für die Nazi-Propagandaveranstaltung ausgesuchte Lichtspieltheater wird von der inzwischen in Paris unter falschem Namen lebenden Shosanna betrieben, was ihr ebenfalls die Gelegenheit liefert, ihren Rachefeldzug in die Tat umzusetzen. Dass es sich bei âInglourious Basterdsâ nicht um einen landläufigen Kriegsfilm handelt, wird bereits zu Beginn bei der Einblendung âEs war einmal im besetzten Frankreich 1941â deutlich. Der neue Tarantino-Film ist eine reine Märchenphantasie, die zu dem âWas wäre, wennâ-Genre gehört â wie etwa Steven Frys Roman âGeschichte machenâ(1997), in dem durch eine Zeitreise die Geburt Adolf Hitlers verhindert wird. âInglourious Basterdsâ ist jedoch in erster Linie ein in einen Kriegsfilm verkleideter Italo-Western. Dies verdeutlichen nicht nur etliche Bildeinstellungen, angefangen bei der Eingangssequenz, sondern insbesondere auch der mit mehreren Ennio Morricone-Titeln gespickte Soundtrack, der wie in allen Tarantino-Filmen eine zentrale Rolle spielt. Sogar der erwähnte âEs war einmal...â liest sich ebenfalls als Hommage an Sergio Leones âCâera una volta il Westâ (âSpiel mir das Lied vom Todâ, 1968). âInglourious Basterdsâ ist jedoch vor allem eins: eine Liebeserklärung an das Kino. War Quentin Tarantino bislang bereits für seine Anspielungen auf zahlreiche Filmgenres, für seine Aneignung von Versatzstücken und Zitaten aus der Filmgeschichte bekannt, so erweitert er in seinem aktuellen Film den Zitatenschatz mit dem deutschen Film der zwanziger Jahre weiter. Im Subtext von âInglourious Basterdsâ spielt nicht nur âDie weiÃe Hölle von Piz Palüâ (Arnold Fanck und Georg Wilhlem Pabst, 1929) eine herausragende Rolle. Hier tritt nicht nur Emil Jannings kurz auf und wird etwa auch Pola Negri zitiert. Darüber hinaus ist die Liebe des Regisseurs zum klassischen Kino auch in Details, etwa im Kleben eines Filmes, im Vorführen mit den guten, alten Projektoren, im Exkurs über den Nitrofilm, und nicht zuletzt in dem Gedanken zu erkennen, dass sein fiktiver Sieg über die Nazis über das Kino errungen wird: âMir gefällt, dass es die Macht des Kinos ist, die hier die Nazis bekämpft. Aber nicht als eine Metapher, sondern eine buchstäbliche Realitätâ (Quentin Tarantino). Was hat dies alles mit der historischen Wahrheit zu tun? Auf den ersten Blick wenig. Wahrscheinlich werden viele Zuschauer sowohl an der übermäÃigen, expliziten Gewalt des Filmes als auch an der respektlosen Art Anstoà nehmen, mit der Quentin Tarantino mit Geschichte umgeht. Dennoch: Das gehässige Lachen des Martin Wuttke-Adolf Hitlers beim Betrachten, und sei es nur im Film, wie amerikanische Soldaten erschossen werden, oder auch der mit den besten Manieren des Bildungsbürgers und einer akkuraten Ordnungsliebe gepaarte Sadismus des SS-Obersts erzählen künstlerisch frei ebenfalls eine historische Wahrheit. |
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