JULIE & JULIA | Julie & Julia
Filmische Qualität:   
Regie: Nora Ephron
Darsteller: Amy Adams, Meryl Streep, Stanley Tucci, Chris Messina, Linda Emond, Helen Carey, Jane Lynch, Mary Lynn Rajskub, Dave Annable, Vanessa Ferlito
Land, Jahr: USA 2009
Laufzeit: 123 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 9/2009
Auf DVD: 1/2010


José García
Foto: Sony

Die Verknüpfung mehrerer Parallelhandlungen gehört spätestens seit Woody Allens „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ („Crimes and Misdemeanors“, 1989) zu den Stilmitteln des modernen Kinos. Noch komplexer gestaltet seine Erzählstruktur ein Spielfilm, der Handlungsstränge aus unterschiedlichen Zeiten miteinander kombiniert. So verzahnt etwa Stephen Daldrys „The Hours. Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (siehe Filmarchiv) drei Erzählungen aus drei Zeitebenen (1923, 1952, 2001) miteinander.

Basierend auf den autobiografischen Büchern von Julie Powell „Julie & Julia: 365 Tage, 524 Rezepte und eine winzige Küche“ (2006) und Julia Child „My Life in France“ (Mit-Verfasser: Alex Prud’homme, 2006) erzählt Drehbuchautorin und Regisseurin Nora Ephron im nun anlaufenden „Julie & Julia“ ebenfalls aus dem Leben von zwei Frauen, die zeitlich etwa ein halbes Jahrhundert voneinander getrennt, in der Liebe zur französischen Küche jedoch miteinander vereint sind.

Julia Child (Meryl Streep) begleitet im Jahr 1948 ihren Mann Paul (Stanley Tucci) nach Frankreich, als er an die amerikanische Botschaft versetzt wird. Das Leben als Ehefrau eines Diplomaten Ende der vierziger Jahre ist nicht besonders aufregend, zumal Julia keine Kinder bekommen kann. Nach mehreren Anläufen, eine sinnvolle Beschäftigung zu finden, schreibt sich Julia Child in die renommierte, Ende des 19. Jahrhunderts in Paris gegründete Kochschule „Cordon Bleu“ ein. Julia verfasst zusammen mit den Französinnen Simone Beck und Louisette Bertholle das Kochbuch „Mastering the Art of French Cooking“, das in den Vereinigten Staaten die französische Küche populär macht. Der erste Handlungsstrang von „Julie & Julia“ beschreibt die acht Jahre, die es bis zur Veröffentlichung brauchte.

Auf der zweiten Ebene spielt Amy Adams Julie Powell, die sich kurz vor ihrem 30. Geburtstag eine Art Sinnkrise durchmacht: Sie arbeitet im Jahre 2002 als Telefonistin in der Firma, die nach dem 11. September 2001 das Gelände am so genannten „Ground Zero“ wieder aufbauen soll und den Angehörigen der Opfer Hilfe anbietet. Zu der emotional kräftezehrenden Arbeit kommt ein Umzug mit ihrem Mann Eric (Chris Messina) in eine ihr unbekannte Gegend in Queens hinzu. Dass ihre Freundinnen offensichtlich Karriere machen, s t sie an, eine neue Aufgabe zu finden. Julie findet diese darin, in 365 Tagen alle 524 Rezepte aus „Mastering the Art of French Cooking“ zu kochen und darüber in einem Blog („The Julie/Julia Project“) zu berichten. Das Projekt findet immer mehr Anhänger, die Julies Berichte begeistert verfolgen.

Nora Ephron wechselt ständig zwischen Paris und New York, zwischen den fünfziger Jahren und der Zeit ein halbes Jahrhundert später. Obwohl er allzu naheliegende Parallelmontagen vermeidet, bietet der Film einen manchmal überdeutlichen Kontrast zwischen den warmen, sonnendurchfluteten Farben im Frankreich der 1950er Jahre und den bläulich-grauen Tönen im heutigen New York. In die Inszenierung übersetzt, bedeutet dies: Obwohl Julias Kinderlosigkeit und die politischen Folgen des McCarthismus, unter denen Paul leidet, immer wieder einen schmerzhaften Kontrapunkt zum Leben im „douce France“ bilden, wird das Leben der Julia Child verklärt.

Denn Meryl Streep verkörpert eine durch Julie Powells schwärmerischen Blick gesehene Julia Child: „Ich bin die Julia, die sich Julie Powell vorstellt“, so die Schauspielerin, die mit ihrer exzentrisch-schrillen, aber stets liebevollen Interpretation erneut eine Oscar-reife Darstellung bietet. Dennoch: Dank „You Tube“ kann sich jeder Zuschauer von der Perfektion überzeugen, mit der sich Meryl Streep die Originalfigur Julia Child aneignet.

Die gebrochene Sicht auf die Kochbuchautorin, die durch ihre Fernsehsendung „The French Chef“ (1962-1973) in den Vereinigten Staaten Prominentenstatus erhielt, wird etwa in der Szene deutlich, als sich Julie und ihr Mann Eric Dan Aykroyds Parodie auf Julias Kochsendung anschauen, aber ebenso in der Ablehnung, mit der die „echte“ Julia Child (gestorben im August 2004) Julies Blog-Projekt gegenüberstand – und die Nora Ephrons Film keineswegs verschweigt.

Über die Liebe zum Kochen im allgemeinen und zur französischen Küche im Besonderen hinaus, die „Julie & Julia“ versprüht, behandelt Nora Ephrons Film auch das Eheleben zu diesen unterschiedlichen Zeiten. Darin zeigen ebenfalls Julia und Julie Gemeinsamkeiten: Sie sind der jeweils tonangebende Part. Auch deshalb fügen sich Julia Child und Julie Powell in das Bild der starken Frauen, die Stephen Daldry in „The Hours“ zeichnete.
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