ASHES OF TIME: REDUX | Dung che sai duk
Filmische Qualität:   
Regie: Wong Kar-wai
Darsteller: Leslie Cheung, Brigitte Lin, Maggie Cheung, Tony Leung Chiu Wai, Jackie Cheung, Charlie Yeung, Carina Lau
Land, Jahr: Hongkong / China / Taiwan 2008
Laufzeit: 93 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S, G +
im Kino: 9/2009
Auf DVD: 1/2010


José García
Foto: Fox

Seit Ang Lees Film „Tiger und Dragon“ (2000) erlebt im westlichen Kino die chinesische Mischung aus Schwertkämpfen und in kunstvollen Tableaus arrangierten schönen Landschaften einen regelrechten Aufschwung. Zhang Yimous „Hero“ (2002) und „House of Flying Daggers“ (2004) trugen wesentlich zu diesem Genre bei, das einerseits eine Neuinterpretation der chinesischen Geschichte bietet, andererseits in einer Art Parallelwelt angesiedelt ist.

Diese „jianghu“ genannte Martial Arts- Kunstwelt bildet den Rahmen für ein literarisches Genre, das bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht und vor allem an der Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert in China populär wurde. Zu einer neuen Blüte gelang das „Wuxia“ genannte Genre im Hongkong der 1950er Jahre mit den Romanen des Autors Louis Cha, insbesondere mit seinem Epos „The Eagle-Shooting Heroes“. Inspiriert von den Figuren in diesem Roman drehte Regisseur Wong Kar-wai im Jahre 1994 den Film „Ashes of Time“, den der in Hongkong aufgewachsene Regisseur nun bearbeitet hat: „Ashes of Time: Redux“ wurde bei den Filmfestspielen Cannes 2008 außer Konkurrenz uraufgeführt.

„Ashes of Time: Redux“ kreist um den Schwertkämpfer Ouyang Feng (Leslie Cheung), der seit einigen Jahren in der westlichen Wüste lebt. Dorthin zog er sich zurück, nachdem die Frau, die er liebte, seinen älteren Bruder und nicht ihn heiratete. Aus enttäuschter Liebe ist Ouyang Feng ein zynischer Vermittler von Auftragskillern geworden.

Im Rhythmus der Jahreszeiten erzählt „Ashes of Time: Redux“ von verschienenden Begegnungen Ouyang Fengs. So besucht ihn wie jedes Jahr, wenn der Frühling kommt, sein einziger Freund Huang Yaoshi (Tony Leung Ka Fai), der sich ebenfalls von der Liebe betrogen fühlt. Huang bringt ein Geschenk mit: einen Zauberwein, den er von einer Frau bekommen hat, und der die Erinnerung löscht. Ouyang lehnt es ab, davon zu trinken, aber Huang hat ihn schon probiert. Mit dem Mord an Huang beauftragt Muron Yang den Auftragskiller-Vermittler, weil Huang seine Schwester Muron Yin abgewiesen hat, nachdem er um ihre Hand angehalten hatte. Yin und Yang (beide gespielt von Brigitte Lin) erweisen sich als die zwei Seiten derselben Person.

Im Sommer besucht Ouyang Fengs Wirtshaus ein Bauernmädchen (Charlie Yeung), das seinen Bruder rächen will, sowie ein fast erblindeter Schwertkämpfer (Tony Leung Chiu Wai), der Geld für die Reise in seine Heimat braucht, weil er ein letztes Mal die Pfirsichblüte sehen will – später wird es sich herausstellen, dass „Pfirsichblüte“ der Name seiner Frau ist. Im Herbst sucht der zersauste Schwertkämpfer Hong Qi (Jacky Cheung) einen Auftrag, weil er hungrig ist.

Die episodenhafte, elliptische Erzählweise Wong Kar-wais erschwert zwar dem westlichen Zuschauer den Zugang zu diesen Geschichten. Aber nicht die unterschiedlichen, freilich miteinander verschachtelten Episoden, genauso wenig wie die Schwertkämpfe, stehen im Vordergrund von „Ashes of Time: Redux“. Der immer wieder kehrende Rhythmus betont das Sujet des Filmes, das nicht in der Handlung, sondern in der Anmutung liegt. Schnell geschnittene Kampfszenen werden mit Zeitlupe kombiniert, die verlangsamte Zeit evoziert. In der verfliegenden Zeit wird die enttäuschte Liebe, die verpassten Gelegenheiten und das Ankämpfen gegen das Vergessen („Wenn man nicht bekommen kann, was man will, soll man wenigstens versuchen, es nicht zu vergessen“) zum eigentlichen Thema des Filmes. Ein Sujet, das bereits Wong Kar-wais große Filme „In the Mood for Love“ (2000) und „2046“ (2004) auszeichnete.

Die melancholische Stimmung wird von Christopher Doyles Kameraführung betont, die von den Großaufnahmen der Gesichter zu großartigen Landschaftstotalen hin- und herwechselt. Goldene Farben wechseln sich dabei mit bläulichen Tönen ab, die zusammen mit den für Wong Kar-wai charakteristischen angeschnittenen Bildeinstellungen immer wieder das Traumhafte betonen, obwohl die traumhaft schönen Traumbilder manchmal an der Grenze zum Kitsch stehen. Die Filmmusik, die ebenfalls verschiedene Extreme – kräftig-gewaltig in den Kampfszenen, Cello-Einspielungen zu den melancholischen Passagen – miteinander verknüpft, unterstützt poetische Bilder, die sich den gängigen Kinotrends widersetzen.

Trotz der ungewohnten Optik erzählt „Ashes of Time: Redux“ wiederum eine allgemeingültige Geschichte: Die Enttäuschung machte aus Ouyang Feng einen erbarmungslosen Zyniker. Durch die unterschiedlichen Begegnungen mit Menschen, die ähnliche Verletzungen erlitten haben, wird ihm aber seine Einsamkeit bewusst. Damit ist er den einsamen Western-Helden des klassischen Hollywood-Kinos nicht so entfernt, wie es den Anschein hat.
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