EINE PERLE EWIGKEIT | La teta asustada
Filmische Qualität:   
Regie: Claudia Llosa
Darsteller: Magaly Solier, Susi Sánchez, Efraín Solís, Marino Ballón, Antolín Prieto, Bárbara Lazón, Karla Heredia, Delci Heredia
Land, Jahr: Spanien / Peru 2009
Laufzeit: 94 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 11/2009
Auf DVD: 5/2010


José García
Foto: Neue Visionen

Die traumatischen Spätfolgen des Balkankrieges für die Frauen, die Opfer von Massenvergewaltigungen wurden, sind mehrfach filmisch verarbeitet worden, so zuletzt in Hans-Christian Schmids „Sturm“ (siehe Filmarchiv). Dass sie auch über die Muttermilch an die nächste Generation weitergegeben werden können, besagt eine peruanische Sage: Wenn Mütter großes Leid erfahren, vererben sie ihren Töchtern die „Krankheit der Angst“, die als „verschreckte Brust“ bezeichnet wird. Dies ist auch der Originaltitel („La teta asustada“) des Spielfilmes „Eine Perle Ewigkeit“ von Claudia Llosa, der als erster peruanischer Film am internationalen Wettbewerb der diesjährigen Berlinale teilnahm, und gleich mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet wurde.

Während die Leinwand noch schwarz bleibt, hört der Zuschauer ein Lied in der Inkasprache Quechua. Hört sich der Gesang ungemein melodiös an, so erzählt der Text von lauter Grausamkeiten. Die alte Indianerin, der die Stimme gehört, wurde offensichtlich während der bürgerkriegsähnlichen Kämpfe des „Leuchtenden Pfads“ gegen Regierungstruppen vergewaltigt. Ihre Tochter Fausta (Magaly Solier) erlebte die Vergewaltigung ihrer Mutter im Mutterleib. Nun trägt sie in sich diese „Krankheit der Angst“.

Die Krankheit äußert sich zwar in Nasenbluten und Ohnmachtsanfällen. Aber viel schlimmer ist die panische Angst, Männern zu begegnen. Damit ihr nicht das gleiche widerfährt, trägt Fausta eine Kartoffel in der . Über ihre Ängste und Gefühle kann Fausta nicht reden, aber sie kann sie mit ihrem Gesang ausdrücken.

Als Faustas Mutter stirbt, fühlt sich die junge Frau verpflichtet, die Tote in ihre Heimat, hoch in die Anden zurückzubringen, damit sie an der Seite ihres Mannes begraben werden kann. Faustas Onkel (Marino Ballón), bei dem sie in einem Armenviertel Limas wohnt, geht darauf widerwillig ein, stellt aber Bedingungen: Fausta muss sich das dafür notwendige Geld selber verdienen, und zwar schnell. Denn die Hochzeit Maximas, der einzigen Tochter des Onkels, steht bevor. Und bis dahin muss der Leichnam aus dem Haus verschwunden sein.

So nimmt Fausta eine Stelle als Hausmädchen bei der reichen Pianistin Mrs. Aida (Susi Sánchez) an. Obwohl bedeutend älter, fühlt sich der Gärtner Noé (Efraín Solís) zu der schüchternen Fausta hingezogen. Als die Pianistin eines Abends Faustas Gesang hört, ist sie davon so fasziniert, dass sie der jungen Frau einen Pakt vorschlägt: Für jedes Lied, das Fausta singt, soll die junge Frau eine Perle von ihrer kostbaren Halskette bekommen, mit denen sie die Beerdigung ihrer Mutter abbezahlen kann.

In ihrem zweiten Spielfilm zeigt die peruanische Regisseurin Claudia Llosa eine exotische Welt, die in ihren bunten Farben an eine Telenovela erinnert. Skurrile Episoden verbinden „Eine Perle Ewigkeit“ eher mit dem magischen Realismus der lateinamerikanischen Literatur (Die Regisseurin ist eine Nichte des weltbekannten Schriftstellers Mario Vargas Llosa).

Der Film konzentriert sich allerdings nicht auf solche, zu einer gewissen morbiden Schaulust neigende Momente. Die Kamera folgt vielmehr Fausta immer sehr nah. Mit ihrer Körpersprache und mit ihren Augen gelingt es der jungen Darstellerin, die Llosa für ihren ersten Film „Madeinusa“ (2006) in einem kleinen Dorf in den Anden entdeckte, die ständige Beklemmung, ein Gefühl des steten Angespanntseins zu vermitteln. Diese Nahaufnahmen wechselt die Kamera von Natasha Braier aber mit Totalen des Landes ab, etwa bei den Hochzeiten, die das Unternehmen von Faustas Onkel ausrichtet. Der Kamerafrau glücken dabei nicht nur traumhafte, sondern auch teils surreale Bilder.

Dem Kontrast auf der visuellen Ebene entspricht die Konfrontation zwischen den starken Gegensätzen in der Gesellschaft und der Kultur des Anden-Landes. Die ärmlichen Behausungen am Stadtrand, wo Fausta bei ihrem Onkel wohnt, stehen im starken Gegensatz zur feudalen, festungsartigen Villa der steinreichen Opernsängerin. Die traditionelle indianische Kultur hebt sich von der europäisierten Umgebung von Mrs. Aida vollständig ab, aber etwa auch von den Ärzten aus Lima, die eine solche „Krankheit der verschreckten Brust“ gar nicht kennen. Der Prozess der Heilung, den Fausta durchmacht, steht symbolisch auch für die Aussöhnung zwischen den beiden Kulturen, zwischen dem Erbe und der Zukunft Perus.
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