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José GarcÃa Foto: Pandora Ein Leben im Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Moderne in der weiten Steppe Zentralasiens stand zuletzt im Mittelpunkt von René Bo Hansens âDie Stimme des Adlersâ (siehe Filmarchiv). Mit âTulpanâ, der 2008 beim Internationalen Filmfestival Cannes den Hauptpreis der Sektion âUn certain regardâ gewann und nun im regulären Kinoprogramm startet, liefert der aus Kasachstan stammende Regisseur Sergey Dvortsevoy erneut eine solche Auseinandersetzung mit den harten Lebensbedingungen nomadischer Stämme, diesmal in der kasachischen Steppe. Dorthin ist der Matrose Asa (Askhat Kuchinchirekov) nach seinem auf hoher See geleisteten Militärdienst zurückgekehrt. Er zieht vorerst zu seiner Schwester Samal (Samal Yeslyamova) und seinem Schwager Ondas (Ondasyn Besikbasov), die in der schier unermesslichen, fast menschenleeren Einöde ihre Kinder groÃziehen und Schafe züchten. Damit auch Asa seine eigene Herde bekommen und sich damit seinen Traum vom unabhängigen Leben erfüllen kann, muss er zunächst einmal heiraten. So lauten nun einmal die unzweideutigen Regeln. In der kaum bevölkerten Steppe stellt sich das Heiraten jedoch als schwieriges Unterfangen heraus. Denn weit und breit gibt es ein einziges heiratsfähiges Mädchen: Tulpan. Asa wirbt nun um die junge Frau, die weder er noch der Zuschauer im ganzen Film zu sehen bekommen wird. Asa erzählt Tulpans Eltern von seinen Abenteuern auf hoher See. Wohl um den Dauergast loszuwerden, erklärt sich Ondas bereit, für seinen Schwager zehn Schafe und einen kitschigen Lüster zu zahlen. Weder das umständliche Palaver Asas noch Ondasâ Brautgeschenke zeitigen jedoch Wirkung. Denn Tulpan findet die abstehenden Ohren Asas einfach abstoÃend. AuÃerdem möchte sie lieber in der Stadt aufs College gehen als ihr ganzes Leben in der Steppe verbringen. In die Stadt ziehen möchte auch Asas Freund Boni (Tulepbergen Baisakalov), das Faktotum der Steppe mit einem Faible für den Boney-M-Song âRivers of Babylonâ. Das Angebot, mit ihm das Glück in der aufstrebenden Stadt zu versuchen, lehnt aber Asa. Lieber nimmt er den Kampf gegen alle auf, gegen den Unmut seines Schwagers, gegen Schafe, die nur tote Lämmer zur Welt bringen, ja selbst gegen seine abstehenden Ohren. In seinem Langspielfilmdebüt setzt Sergey Dvortsevoy nicht primär auf Charakterzeichnung, erfüllen die Figuren doch auÃer Asa lediglich eine bestimmte Funktion. So ist Samal die liebende Schwester, Ondas aber der missmutige Schwager. In dieser Rollenverteilung übernimmt Boni die Stelle des Klassenclowns, der immer wieder für Lacher sorgt. âTulpanâ zeichnet sich vielmehr durch die Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm aus. Bezeichnend für diesen Stil sind die langen Einstellungen ohne Schnitt. So beobachtet etwa die Kamera minutenlang Asas und Ondasâ Bemühungen, während eines Sandsturms die Schafherde zusammenzubringen. Ebenso in Echtzeit dokumentiert Dvortsevoys Film die schwierige Geburt eines Lamms sowie dessen sich daran anschlieÃende Beatmung. Obwohl hin und wieder durch die Einfügung langer Dokumentarsequenzen die Spielhandlung in den Hintergrund tritt, gelingt es Sergey Dvortsevoy, diese zwei Handlungselemente konsequent miteinander zu verschränken. Denn die im langsamen Rhythmus wiedergegebenen, dokumentarisch anmutenden Alltagszenen verkommen in keinem Moment zu Postkartenbildern mit touristischem Zweck. Sie stehen vielmehr im Dienst der Darstellung eines ursprünglichen Lebens in der Natur, in das freilich das moderne Lebensgefühl längst Einzug gehalten hat. Auch wenn die Kamera ein archaisches Leben in der Jurte, mit Kamelen, Ziegen- und Schafherden zeigt, ist die Sehnsucht nach der modernen Zivilisation im Film allgegenwärtig. Mag manchem Zuschauer die betont langsame Darstellung lauter Alltäglichkeiten zu ereignislos vorkommen, so kann der konsequente Stil des Regisseurs mit den wunderschönen Bildern als Gegenargument ins Feld geführt werden. Ãhnlich René Bo Hansens âDie Stimme des Adlersâ zeigt Sergey Dvortsevoys âTulpanâ durch seine beobachtende Kamera eine Welt zwischen Tradition und Moderne. |
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