BRIGHT STAR. MEINE LIEBE. EWIG | Bright Star
Filmische Qualität:   
Regie: Jane Campion
Darsteller: Ben Whishaw, Abbie Cornish, Paul Schneider, Kerry Fox, Thomas Sangster, Samuel Barnett, Sebastian Armesto, Samuel Roukin
Land, Jahr: Großbritannien / Australien / Frankreich / USA 2009
Laufzeit: 119 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 12/2009
Auf DVD: 5/2010


José García
Foto: Tobis

Die englische Literatur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wird seit mehr als zwei Jahrzehnten immer wieder für die große Leinwand adaptiert. James Ivory brachte etwa mit „Zimmer mit Aussicht“ (1985) und „Wiedersehen in Howards End“ (1992) Werke von E.M. Foster (1879-1970) ins Kino. Jane Austens (1775-1817) „Sinn und Sinnlichkeit“ wurde 1995 von Ang Lee, ihr Roman „Stolz und Vorurteil“ 2005 von Joe Whrigt verfilmt. Rauschende Kleider, viktorianische Stilmöbel, typisch englische Landhäuser, exquisite Dialoge, große Gefühle und meistens eine wegen der Standesunterschiede unglückliche Liebe sind die Grundbestandteile solcher Literatur und Filme.

Jane Campions „Bright Star. Meine Liebe. Ewig“, der am offiziellen Wettbewerb des Filmfestivals Cannes 2009 teilnahm, ist zwar „eine Art romantisches Gedicht“ (Jane Campion), aber keine „Literaturverfilmung“ im eigentlichen Sinne. Der Spielfilm behandelt vielmehr die Romanze zwischen dem englischen Dichter John Keats (1795-1821) und der Schneiderin Fanny Brawne. Ein Film, der einige Parallelen zu „Geliebte Jane“ (Julian Jarrod, siehe Filmarchiv) über die unglückliche Liebe zwischen der Schriftstellerin Jane Austen und dem jungen Juristen Tom Lefroy aufweist.

Im Jahr 1818 ist der 23-jährige John Keats (Ben Whishaw) noch vollends unbekannt. Als Gast bei seinem Schriftsteller-Kollegen Mr. Brown (Paul Schneider) in Hampstend, das Anfang des 19. Jahrhunderts noch ein beschauliches Dorf außerhalb Londons ist, lernt er die 17-jährige Fanny (Abbie Cornish) kennen. Er spottet über ihre eigenwillig-putzige, selbstentworfene Kleider, sie macht sich über seine Gedichte lustig. Aber was sich neckt, das liebt sich – Es ist der Beginn einer großen Liebe, die allerdings von Anfang an wegen der Standesunterschiede zum Scheitern verurteilt ist. Denn in der Klassengesellschaft der vorviktorianischen Zeit ist die Liebe zwischen einem armen Dichter und einer jungen Frau aus dem wohlhabenden Landadel, die durchaus Hoffnung auf eine gute Partie haben dürfte, einfach ein Ding der Unmöglichkeit.

Allen Warnungen ihrer Mutter (Kerry Fox) zum Trotz ist Fanny von dieser unglücklichen Liebe erfüllt, die aus den wenigen Begegnungen und den Briefen genährt wird, die ihr Keats aus der Ferne, zunächst aus der Isle of Wight, später aus Rom schreibt, wo er schließlich im Jahre 1821 an Tuberkulose sterben wird. Bei einem seiner Besuche bringt er ihr ein Gedicht mit dem Titel „Bright Star“ mit: „Dein Gedicht“, sagt John zu Fanny.

In meisterhaft komponierten Bildern schwelgt die Kamera von Greig Fraser in den Landschaften der vier Jahreszeiten: eine blühende Fliederwiese, sonnendurchflutete Flussufern, herbstliche Wälder, ein mit Schnee bedeckter Baum bilden den Rhythmus einer Dramaturgie, die kaum auf den Fortgang der äußeren Handlung setzt.

Die Naturbilder sind in Jane Campions Inszenierung indes genauso wenig Selbstzweck wie die schön zurückgenommene Musik, die meistens vom Cembalo oder von einem einzelnen Streichinstrument stammt. Sie sollen vielmehr eine Entsprechung für Keats’ Gedichte und Balladen bilden, die dem Film seine Struktur verleihen.

Zwar basiert das von Jane Campion selbst verfasste Drehbuch auf Andrew Motions „Keats: A Biography“ (1997), aber der Film erzählt aus der Sicht Fannys ebenfalls auf der Grundlage der Gedichte und Briefe von John Keats. Campion schreckt nicht davor zurück, ihre Hauptdarsteller immer wieder Verse rezitieren oder aus Briefen vorlesen zu lassen, die in Überblendungen ins Bild kommen.

Dies zeugt von der Wirkkraft der Dichtung und gewährt gleichzeitig einen Einblick in die kreative Arbeit eines Schriftstellers. Es erlaubt darüber hinaus aber auch herzergreifende Bildeinstellungen, die jedoch niemals kitschig wirken – etwa wenn Fanny einen Brief Johns inbrünstig küsst. Campion setzt spärlich auf eine symbolhafte Bildsprache, beispielsweise mit Schmetterlingen im Glas, vor allem aber auf die Sichtbarmachung von Gefühlen etwa durch den Wind, der durch Fenster und Gardinen weht, bei dem sich Fanny überglücklich aufs Bett fallen lässt.

Die Bildsprache von „Bright Star. Meine Liebe. Ewig“ steht jedoch im diametralen Gegensatz zur süßlichen Welt einer Jane Austen. Zwar zeigt sie auch die Konventionen einer längst vergangenen Welt, aber die Protagonisten wirken stets modern. Denn die Zurückhaltung in ihrer Liebe ist nicht Ausdruck dieser Konventionen, sie fließt vielmehr aus gegenseitiger Achtung.

Um diese Gratwanderung der großen Gefühle auszudrücken, konnte Jane Campion auf zwei fabelhafte Darsteller zählen: Ben Whishaw wirkt immer authentisch als Dichter. Und beim Anblick von Abbie Cornishs großen, ausdruckstarken Augen versteht der Zuschauer, dass sie der „leuchtende Stern“ für Keat’s Inspiration werden konnte.
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