GIER – DER FALL DES HOCHSTAPLERS DIETER GLANZ | Gier – Der Fall des Hochstaplers Dieter Ganz
Filmische Qualität:   
Regie: Dieter Wedel
Darsteller: Ulrich Tukur, Devid Striesow, Jeanette Hain, Katharina Wackernagel, Sibel Kekilli, Heinz Hoenig, Harald Krassnitzer, Gerd Wameling, Kai Wiesinger, Uwe Ochsenknecht, Dieter Laser
Land, Jahr: Deutschland 2010
Laufzeit: 180 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: X
Auf DVD: 1/2010


José García
Foto: ARD

In seinem Spielfilm „Wall Street“ (1987) lässt Regisseur Oliver Stone den zynischen Anleger Gordon Gecko (Michael Douglas) in einer nicht nur bei Cineasten, sondern auch bei Wirtschaftsfachleuten berühmt gewordenen Rede die Gier loben: „Ich zerstöre keine Unternehmen, ich befreie sie. Der entscheidende Punkt ist doch: Die Gier ist gut, die Gier ist richtig, sie klärt die Dinge.“ In „Wall Street“ wird der Spekulant Gordon Gecko Opfer seiner eigenen Gier. Arbeitet zurzeit Oliver Stone an einer Fortsetzung mit dem Titel „Wall Street: Money Never Sleeps“, die im April in den deutschen Kinos anlaufen und in der Michael Douglas einen nach einem Gefängnisaufenthalt geläuterten Gordon Gecko spielen soll, so hat der deutsche Drehbuchautor und Regisseur Dieter Wedel einen Fernseh-Zweiteiler mit dem Titel „Gier“ gedreht, wobei Wedel in einem Statement zu seinem Film auf Gordon Geckos berühmt-berüchtigte Rede ausdrücklich Bezug nimmt.

Im Zweiteiler zu je 90 Minuten, der am Mittwoch und Donnerstag, jeweils um 20.15 Uhr im Ersten ausstrahlt wird, heißt „der deutsche Gordon Gecko“ Dieter Glanz (Ulrich Tukur). Der Hamburger Investor mit besten Beziehungen zu den Reichen und Prominenten besitzt ein solches Charisma, dass sich die Stein- und die Möchtegernreichen glücklich schätzen, mit der Aussicht auf fantastische Gewinne ihm ihr Geld zur Verfügung stellen zu dürfen. Den Part, den in „Wall Street“ der von Charlie Sheen verkörperte Bud Fox darstellte, wird in „Gier“ vom kleinen Angestellten Andy Schroth (Devid Striesow) übernommen.

Andy Schroth arbeitet in einer mittelgroßen Immobilienfirma, bei der sich seine Aussichten auf beruflichen Erfolg und größeres Einkommen genauso mittelmäßig ausnehmen. Die Chance, in einer größeren finanziellen Liga zu spielen, eröffnet sich ihm, als er dank seiner finanzkräftigen Kundin Eva Wendler (Sabine Orléans) zu einer rauschenden Party des vermeintlichen König Midas eingeladen wird. Schroth ist natürlich von seinem Idol so verblendet, dass er sich zu einer größeren Investition überreden lässt. Allerdings muss er sich dafür von seinem Vater (Heinz Hoenig in einer Rolle mit deutlichen Anklängen an den Part von Charlies Vater Martin Sheen in „Wall Street“), von Arbeitskollegen und sogar von seinem Zahnarzt Geld leihen.

So steigt Schroth in den kleinen Kreis exklusiver Investoren ein, zu dem nicht nur Eva Wendler, sondern auch der „Berufserbe“ Hajo Novak (Harald Krassnitzer), der rechthaberische Heiner Kuntze (Gerd Wameling), der Juwelier Alfi (Kai Wiesinger), der Emporkömmling Leon Grünlich (Uwe Ochsenknecht) und der „General" (Dieter Laser) gehören. Dieter Glanz versteht es, sie mit der Ausschüttung der versprochenen Gewinne hinzuhalten. Die Investoren merken gar nicht, dass sie es selbst sind, die Glanz’ luxuriösen Lebensstil finanzieren.

Durch die Vielzahl an Figuren gelingt es dem Regisseur kaum, den meisten von ihnen Tiefe zu verleihen. Sie bleiben im Gegensatz zum aufwändigen Produktionsdesign und der ambitionierten Kameraführung reine Abziehbilder. Schwerwiegender als die Fremdheit der Figuren nimmt sich jedoch die Dramaturgie aus. Gelingt es dem Film, insbesondere im ersten Teil („Glanz und Gloria“) das Interesse des Publikums zu wecken, so zieht er sich im zweiten („Das Duell“) einfach hin: Die neunzig Minuten dieses zweiten Teiles bestehen aus einer reinen Wiederholung von Feiern in wechselnder Kulisse – mal auf Mallorca, mal in Südafrika –, die jedoch nur noch das immer Gleiche variieren. Nicht nur die Investorenriege, auch der Zuschauer wird immer wieder vertröstet. Dieter Wedel schafft es insbesondere kaum, einen Nebenstrang mit dem ermittelnden Oberstaatsanwalt Dr. Sasse (Alexander Held) und der Kriminalbeamtin Renate Behrend (Mariella Ahrens) in die Handlung zu integrieren.

Dies ist besonders schade, weil deshalb diese einzige positive Frauenfigur im ganzen Fernseh-Zweiteiler das verheerende Frauenbild von „Gier“ kaum aufwiegen kann. Denn alle anderen Frauen – die „Begleitdame“ Nadja (Sibel Kekilli), Andys Frau Sabine Schroth (Katharina Wackernagel) und vor allem Dieter Glanz’ Ehefrau Gloria (Jeanette Hain) – sind offensichtlich bereit, für Geld alles zu tun. Über die reine Dekorationsfigur in der Männerwelt kommen sie jedenfalls nicht hinaus.

Trotzdem bietet „Gier“ interessante Ansätze vorwiegend in den Dialogen („Ich bin ein gläubiger Mensch“, sagt etwa der zynische Hochstapler, „ich glaube an nichts so zuversichtlich wie an mich selbst“). Etwas mehr dramaturgische Dichte hätte dem Film über Geldgier und Gewinnsucht allerdings gut getan
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