VORSICHT SEHNSUCHT | Les herbes folles
Filmische Qualität:   
Regie: Alain Resnais
Darsteller: André Dussollier, Sabine Azéma, Anne Consigny, Emmanuelle Devos, Mathieu Amalric, Michel Vuillermoz, Edouard Baer, Annie Cordy
Land, Jahr: Frankreich 2009
Laufzeit: 103 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2010


José García
Foto: Schwarz-Weiss

In „Vorsicht Sehnsucht!“ beobachtet die Kamera lange Zeit eine Frau beim Schuhkaufen. Die ausgesuchten Einstellungen zeigen vor allem ihre Füße und die Schuhe, die sie nacheinander anprobiert. Doch ihr Gesicht sieht der Zuschauer nicht. Auf der Straße wird ihr die Handtasche entrissen, der Dieb wirft sie wenig später weg, nachdem er das Bargeld herausgenommen hat. Der Pensionär George Palet (André Dussollier) findet sie in einem Parkhaus. Ihr Bild auf dem Pilotenschein, den er dabei entdeckt, fesselt ihn allerdings so sehr, dass er sich für Marguerite (Sabine Azéma) zu interessieren beginnt.

Da George eine blühende Fantasie besitzt, die ähnlich den sich ganz am Anfang des Filmes durch den Asphalt einen Weg bahnenden, titelgebenden „Les herbes folles“ („Verrückte Gräser“) wild sprießt, kann sich der Zuschauer in keinem Augenblick sicher sein, wo die Wirklichkeit endet und Georges Vorstellung beginnt. Schließlich hatte ihn eine Off-Stimme gewarnt: „Er schrieb auf, was er über sein Leben dachte, bis er es glaubte“.

Der inzwischen 87 Jahre alte Regiealtmeister Alain Resnais, der vor einem halben Jahrhundert mit „Hiroshima, mon amour“ (1959) und „Letztes Jahr in Marienbad“ (1961) weltberühmt wurde, spielte etwa in „Das Leben ist ein Chanson“ (1997) insofern mit den Erzählstrukturen des Kinos, als er in die Dialoge der Schauspieler Playbackeinlagen von populären französischen Chansons hineinschnitt. Auch „Vorsicht Sehnsucht!“ nimmt sich als ein erzählerisches Experiment aus.

Denn George malt sich aus, wer diese Marguerite, die in einem Pariser Vorort wohnt und eine Zahnarztpraxis betreibt, sein mag, ehe er jedoch die Tasche bei der Polizei abgibt. Da er seine Telefonnummer hinterlassen hatte, ruft sie ihn an, um sich bei ihm zu bedanken. Ein von ihm vorgeschlagenes Treffen lehnt Marguerite jedoch ab, was George umso mehr anstachelt, sie mit Telefonaten und Briefen zu verfolgen. Ob es wirklich zu einem Treffen kommt, oder dies nur Georges Fantasie entsprungen ist, lässt der Film durch seine betont künstliche Inszenierung völlig offen. Die in grelle Neonfarben getauchte, menschenleere Straße mit dem Kino und dem Café erinnert stark an einen Traum oder an eine sterile Filmkulisse. Die ausgiebige Verwendung der Off-Stimme und die teilweise einem Thriller entnommene Filmmusik tragen ebenfalls zu einem surrealen Eindruck bei, unter dessen Oberfläche sich jedoch ein Anflug von Sehnsucht und diffuser Melancholie bemerkbar macht.
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