BEIM LEBEN MEINER SCHWESTER | My Sister's Keeper
Filmische Qualität:   
Regie: Nick Cassavetes
Darsteller: Cameron Diaz, Abigail Breslin, Sofia Vassilieva, Jason Patric, Alec Baldwin, Heather Wahlquist
Land, Jahr: USA 2009
Laufzeit: 109 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
Auf DVD: 6/2010


José García
Foto: Warner Bros.

Ob Literatur oder Film, die Fiktion hilft abstrakte Begriffe zu veranschaulichen. Dies gilt insbesondere auch für komplexe bioethische Fragen, etwa im Zusammenhang mit Klonen oder der PID. Mit der Präimplantationsdiagnostik beschäftigte sich bereits letztes Jahr der deutsche Fernsehfilm „Die Drachen besiegen“. In diesem Film von Rodica Döhnert (Drehbuch) und Franziska Buch (Regie) entschloss sich ein bayerisches Ehepaar, mittels künstlicher Befruchtung und Gen-Check ein Kind mit den genetischen Merkmalen ihrer an Leukämie erkrankten Tochter auf die Welt zu bringen, um über einen adäquaten Knochenmarkspender zu verfügen.

In dem nun auf DVD vorliegenden amerikanischen Spielfilm „Beim Leben meiner Schwester“ („My Sister’s Keeper“) von Nick Cassavetes ist im Vergleich zum deutschen TV-Film die Perspektive insofern verschoben, als die elf Jahre zuvor mittels PID gezeugte jüngere Tochter Anna (Abigail Breslin) im Mittelpunkt steht. Zu Beginn erklärt sie aus dem Off, während Super-8 Aufnahmen diese Vorgeschichte bebildern, dass sie „zu einem bestimmten Zweck“ geboren wurde, um das Leben ihrer Schwester zu retten.

Nach dieser Einführung macht das auf der Grundlage des gleichnamigen, 2004 erschienenen Romans von Jodi Picoult von Regisseur Nick Cassavetes mitverfasste Drehbuch die entscheidende Wendung: Nachdem sie ihr bisheriges Leben lang als Ersatzteillager für ihre zwei Jahre ältere Schwester Kate (Sofia Vassilieva) gedient hat, weigert sich nun die 11-Jährige, eine Niere zu spenden. Anna beauftragt Staranwalt Campbell Alexander (Alec Baldwin) damit, ihr Recht auf medizinische Selbstbestimmung gegen ihre eigenen Eltern zu erstreiten.

In meistens holprig eingefügten Rückblenden wird unter Verwendung einer teilweise kaum zu ertragenden rührseligen Musik die jeweilige Sicht der verschiedenen Familienmitglieder, aber auch die des Anwaltes wiedergegeben. Dies hätte in einem Film mit solchem Sujet Platz für Reflexion schaffen können, ja müssen. Diese beschränkt sich jedoch auf einen Kommentar von Kates und Annas Vater (Jason Patric): „Wir haben gegen die Natur gehandelt und jetzt die Quittung bekommen“. Die Mutter (Cameron Diaz) beharrt hingegen darauf, dass sie für das Wohl ihrer kranken Tochter alles tun würde.

Zwar stellt Cassavetes’ Film wichtige Fragen, die offensichtlich aus der Romanvorlage stammen – etwa ob wir über fremdes Leben, beispielsweise über das der eigenen Kinder verfügen dürfen. Die von dieser Thematik vorgegebene grundsätzliche Frage, ob ein Mensch um eines anderen Menschen willen oder ob er stets nur um seiner selbst willen ist, geht in der Gefühlsduselei jedoch gänzlich unter. Denn der Regisseur verlegt sich auf einen austauschbaren Gerichtsfilm, der außerdem deshalb besonders auf die Tränendrüse drückt, weil die Richterin (Joan Cusack) kurz vorher eine zwölfjährige Tochter bei einem Autounfall verloren hatte. Wenn darüber hinaus der Rechtsanwalt an Epilepsie leidet, dann ist es allzu deutlich, dass es Nick Cassavetes lediglich um Überwältigung des Zuschauers geht.

Den ethischen Fragen widmet er demgegenüber kaum Platz. Kennzeichnend dafür ist die in einer Rückblende erzählte Entscheidung der Eltern für eine künstliche Befruchtung: Der Film zeigt lediglich das Gespräch der Eltern mit dem Arzt, der sie nur darauf hinweist, dass er ihnen diese Möglichkeit eigentlich nicht erwähnen dürfte. Dadurch unterschlägt der Film schlicht und einfach die brisante Frage: Wie viele Kinder mussten im Reagenzglas erzeugt werden, um dann mittels Präimplantationsdiagnostik, kurz PID dasjenige auszuwählen (Anna), das die erwünschten Merkmale aufwies, um ihrer Schwester Kate Knochenmark zu spenden? Die in ethischer Hinsicht zentrale Frage: Wie weit darf der Mensch Gott spielen, wenn er selbst festlegt, welches Embryo sich bis zur Geburt entwickeln darf und welches nicht? stellt der Film erst recht nicht.
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