MARCELLO, MARCELLO | Marcello, Marcello
Filmische Qualität:   
Regie: Denis Rabaglia
Darsteller: Francesco Mistichelli, Elena Cucci, Alfio Alessi, Luigi Petrazzuolo, Luca Sepe, Renato Scarpa, Antonio Pennarella, Roberto Bestazzoni
Land, Jahr: Schweiz / Deutschland 2009
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 6/2010
Auf DVD: 2/2011


José García
Foto: Senator

Der große Erfolg in Italien und anderswo von Marco Tullio Giordanas sechsstündigem Epos „Die besten Jahre“ („La meglio gioventù“, 2003) hat nicht nur zu Nachahmern mit einer ähnlich episch angelegten, mehrere Jahrzehnte umfassenden Handlung geführt, etwa „Baarìa – Eine italienische Familiengeschichte“ (siehe Filmarchiv), sondern auch zu Spielfilmen, die in einer verhältnismäßig weit zurückliegenden Vergangenheit angesiedelt sind, so auch der nun anlaufende „Marcello Marcello“, der im Italien des Jahres 1956 spielt.

Basierend auf dem 2004 erschienenen Erstlingsroman von Mark David Hatwood „Marcello und der Lauf der Liebe“ („Marcello’s Date“) erzählt der Spielfilm „Marcello Marcello“ vom 18-jährigem Marcello (Francesco Mistichelli) und dem seltsamen Brauch auf seiner (fiktiven) malerischen Heimatinsel Amatrello: Um ein Mädchen erstmals offiziell ausführen zu dürfen, müssen an ihrem 18. Geburtstag dem Vater der Angebetenen Geschenke gebracht werden. Der Vater entscheidet also, wer von den Schlange stehenden Anwärtern mit seiner Tochter zu ihrem Geburtstag ausgehen darf. Ein ziemlich dümmlicher Brauch, findet Marcello. Denn seine Eltern lernten sich auf diese Weise kennen, und wurden so unglücklich, dass die Mutter den Vater verließ.

Als allerdings Elena (Elena Cucci), die Tochter des Bürgermeisters del Ponte (Mariano Rigillo), nach mehrjähriger Abwesenheit auf die Insel zurückkehrt, ändert Marcello schlagartig seine Meinung. Denn ihr 18. Geburtstag steht unmittelbar bevor, und der Fischersohn möchte unbedingt der Auserwählte sein. Marcello weiß schon, welches das perfekte Geschenk für Elenas Vater ist: Der Hahn, der Tag für Tag den Bürgermeister viel zu früh aus dem Schlaf reißt. Der grobschlächtige Metzer will Marcello jedoch das Tier ausschließlich gegen zwei Flaschen Limoncello geben, den zwei ältliche Jungfer lagern. Die beiden Schwestern wiederum möchten ihren sagenhaften Schnaps allerdings nur gegen ihre einstigen Hochzeitskleider tauschen, die sie nie von der Schneiderin bekamen. Und so weiter und so fort. Marcello hetzt von einem Tauschgeschäft ins nächste, denn jeder Dorfbewohner scheint noch eine alte Rechnung mit einem anderen offen zu haben. Die muss der 18-Jähriger erst begleichen, ehe er das von ihm ausgesuchte Geschenk bekommt. Dabei sitzt ihm Konkurrent Armando stets im Nacken, dessen reiche Eltern dafür sorgen, dass er immer das schönste Geschenk überreichen konnte.

Regisseur Dennis Rabaglia, der aus der französischsprachigen Schweiz stammt, aber italienische Wurzel hat und auch die italienische Staatsangehörigkeit besitzt, erzählt Marcellos Spießrutenlauf nicht linear, sondern in eine Rahmenhandlung eingebettet. Marcello schreibt diese Geschichte in einem Aufsatz nieder, den er in Anwesenheit eines Delegierten der Schulbehörde für ein Stipendium in Rom verfasst, bis sich die eine Handlung mit der anderen vermischt. Denn das Drehbuch von Rabaglia und seinem Mitautor Luca de Benedittis will es so, dass der Zeitpunkt des Aufsatzes mit dem Augenblick der Geschenkübergabe genau zusammenfällt.

Die Inszenierung von „Marcello Marcello“ erinnert an italienische moderne Klassiker wie Giuseppe Tornatores „Cinema Paradiso“ (1988) oder Michael Radfords „Der Postmann“ („Il postino“, 1994), fällt allerdings eine Spur sentimentaler aus. Dies gilt etwa für die in satten Farben strahlenden Postkartenbilder des Dorfes mit seinen pastellfarbenen Häusern und dem smaragdgrünen Wasser im Fischerhafen von Kameramann Filip Zumbrunn, aber auch für die Filmmusik des Deutschen Henning Lohner. Diese hat zwar gewisse Anklänge an die Kompositionen von Nicola Piovani für Roberto Benignis Filme „Das Leben ist schön“ (1997) und „Pinocchio“ (2002), gestaltet sich jedoch einen Deut schnulziger. Darüber hinaus ist das Personal, ob es sich um den Lehrer, den Pfarrer, den Frisör oder den Bürgermeister handelt, durchweg klischeeartig gezeichnet.

Aus dem Ganzen resultiert eine märchenhafte, ja offensichtlich so gewollt kitschige Anmutung, dass sie über jeden Kitsch erhaben zu sein scheint. „Marcello Marcello“ stellt sich denn auch als Parabel über menschliche Unzulänglichkeiten und Schwächen heraus: Neid, Missgunst und Eifersucht scheinen im ganzen Dorf vorzuherrschen. Weil er aber seinen Film nicht als Drama, sondern als sommerleichte Komödie gestaltet, zeigt Regisseur Denis Rabaglia für seine Figuren so viel Empathie, dass viel Platz für Hoffnung bleibt. Zwar erreicht „Marcello Marcello“ in keinem Augenblick die emotionale Tiefe von „Cinema Paradiso“ oder „Der Postmann“, weil ihm deren leise Melancholie fehlt. Aber als vergnüglicher Schwank über die erste Liebe und die conditio humana kann Rabaglias Film gewiss bezeichnet werden.
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