FIVE MINUTES OF HEAVEN | Five Minutes Of Heaven
Filmische Qualität:   
Regie: Oliver Hirschbiegel
Darsteller: Liam Neeson, James Nesbitt, Anamaria Marcina, Niamh Cusack, Pauline Hutton, Richard Dormer, Mark Davison, Kevin O'Neill, Paul Garret
Land, Jahr: Großbritannien / Irland 2009
Laufzeit: 89 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 6/2010
Auf DVD: 11/2010


José García
Foto: Koch Media

Der 31. Juli 2007 wurde ein historischer Tag für Nordirland: Nach 38 Jahren Einsatz zog sich die britische Armee zurück. Von 1969 bis zum Beginn des Friedensprozesses 1998 beherrschte der unerbittliche Kampf zwischen den unionistischen Protestanten und den irisch-nationalistischen Katholiken die Politik in der nach der Unabhängigkeit der Republik Irland 1920/22 britisch gebliebenen Provinz Nordirland. Wie sich ein solcher „Konflikt“ für den Einzelnen auswirkt, erforscht der teilweise kammerspielartig anmutende Spielfilm „Five Minutes of Heaven“, der auf den ausführlichen Gesprächen von Drehbuchautor Guy Hibbert mit den echten Protagonisten Alistair Little und Joe Griffin basiert. Regie führt der Deutsche Oliver Hirschbiegel, der mit dem Spielfilm über die letzten Tage Hitlers „Der Untergang“ (siehe Filmarchiv) weltbekannt wurde.

Unterlegt von der Offstimme Alistair Littles (Liam Neeson) erzählt der Film in einer ausführlichen Rückblende von einem einschneidenden Ereignis im Oktober 1975. Nach dem „Blutigen Sonntag“ (30. Januar 1972) tobt der Bürgerkrieg zwischen der nach Unabhängigkeit strebenden IRA und der pro-britischen Ulster Volunteer Force (UVF). Ein 16-Jähriger holt eine Pistole aus einer Kiste mit Spielzeug heraus. Bemerkenswert ist dabei das Detail, dass sich der junge Alistair einen Pickel ausdrückt, ehe er sich die Waffe in den Hosenbund steckt: Pubertierende spielen ein gefährliches Spiel um Leben und Tod. Denn von der UVF hat er den Auftrag erhalten, den Katholiken Jim Griffin zu töten. Als er den jungen Mann durchs Wohnzimmerfenster erschießt, wird Jims Bruder, der damals 12-jährige Joe, Zeuge der Tat. Jahrelang wird er sich von seiner Mutter den Vorwurf anhören müssen, er sei für den Tod seines Bruders verantwortlich, weil er ihn nicht gewarnt habe.

Die eigentliche Handlung beginnt jedoch 33 Jahre später: Im Rahmen eines (fiktiven) Fernsehgesprächs unter dem Motto „Wahrheit und Aussöhnung“ sollen der nach 12 Jahren Haft geläuterte Alistair Little (Liam Neeson) und Joe Griffin (James Nesbitt) erstmals aufeinander treffen. Während Alistair wenigstens nach außen ganz ruhig im Studio sitzt und im Interview die Sätze spricht, die der Zuschauer zu Filmbeginn aus dem Off hörte, kämpft Joe gegen die Nerven – mit gutem Grund, denn er versteckt unter der Jacke ein Messer, mit dem er den Mörder seines Bruders umbringen, und so „fünf himmlische Minuten“ genießen will. Ein Gespräch mit der aus Weißrussland stammenden Assistentin der TV-Produktionsfirma Vika (Anamaria Marinca) stimmt Joe jedoch um. Das Opfer verlässt das Fernsehset, ohne sich mit dem Täter getroffen zu haben. Die inszenierte Versöhnung bleibt aus. Alistair beschließt aber, die Begegnung mit Joe doch noch auf privatem Weg zu suchen.

Drehbuchautor Guy Hibbert und Regisseur Oliver Hirschbiegel vermischen auf außergewöhnliche Art und Weise Authentisches mit Fiktivem. Dass sie als Rahmen eine TV-Reality-Show auswählten, ist eindeutig als Kritik an den Medien zu werten: Aussöhnung kann nicht einfach inszeniert werden. Der auf dem renommierten Filmfestival Sundance mit dem Drehbuch- und dem Regiepreis ausgezeichnete Film wechselt nicht nur die Zeiten, sondern auch die Genres: Er beginnt während der 1975 spielenden Rückblende als konventioneller Spielfilm, um dann immer kammerspielartiger zu werden. Den Übergang schaffen die Szenen, in denen die Hauptfiguren jeweils in einem Auto eingeschlossen sind. Zeigt sich das Drehbuch nicht immer sehr überzeugend, so setzt der Film insbesondere auf die Kraft der zwei großen irischen Schauspieler Liam Neeson und James Nesbitt, wobei letzterer dem Zuschauer durch sein intensives Spiel in Paul Greengrass’ „Bloody Sunday“ (2002) noch gut in Erinnerung geblieben ist. Während Nesbitt seinen Joe als irrational, ja fast hysterisch verkörpert, gestaltet Neeson den Part des geläuterten Täters ruhig-abgeklärt, zeigt aber auch eine innere Zerrissenheit, die von der Zeit nicht geheilt werden konnte.

In einem Interview führte Regisseur Oliver Hirschbiegel aus: „Es war für mich ungemein interessant zu erfahren, dass ein Täter die Vergangenheit bisweilen schwerer hinter sich lassen kann als ein Opfer. Wer von Gewalt betroffen war, hat Wut und Rache als Ventile. Der Täter trägt die Schuld bis ans Ende seiner Tage.“ Sein Film straft die naive Vorstellung Lügen, ein Gespräch, womöglich vor laufender Kamera, könnte einfach die Aussöhnung bewirken. Dass die Suche nach Vergebung viel tiefer liegt, zeigt das menschliche Drama von „Five Minutes of Heaven“ in aller Deutlichkeit.
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