PONYO – DAS GROSSE ABENTEUER AM MEER | Gake no ue no Ponyo
Filmische Qualität:   
Regie: Hayao Miyazaki
Darsteller: dt. Stimmen): Alina Freund, Nick Romeo Reimann, Anja Kling, Christian Tramitz
Land, Jahr: Japan 2008
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Animation
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 9/2010
Auf DVD: 2/2011


José García
Foto: Universum

Der inzwischen 69-jährige japanische Regisseur Hayao Miyazaki wurde 2005 als erster Filmemacher von Animationsfilmen mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk bei den Internationalen Filmfestspielen Venedig ausgezeichnet. Miyazaki kommt insbesondere das Verdienst zu, an der Entwicklung komplexer Handlungen und Szenarien für alle Altersstufen im Zeichentrickfilm maßgeblich beteiligt zu sein. Zum Markenzeichen seiner Filme gehören der enorme Detailreichtum der Zeichnung sowie das Plädoyer für Ökologie und gegen den Werteverfall, gegen den Verlust von Traditionen. Wegen dieser Verbindung von formaler Perfektion, vielschichtigen Handlungen und tiefgründigen Fragen ist das von Hayao Miyazaki gegründete Ghibli-Studio das erklärte Vorbild für die weltweit führende Animationsschmiede „Pixar“.

Der neue Film von Hayao Miyazaki „Ponyo – Das große Abenteuer am Meer“ erzählt frei nach Hans Christian Andersens Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ (1837) vom Goldfischmädchen Ponyo, das davon träumt, ein Mensch zu werden. Mit Hilfe magischer Kräfte – nicht umsonst ist ihr Vater Fujimoto ein Unterwasserzauberer, der die Meere beschützt – gelingt es Ponyo, an die Meeresoberfläche zu kommen und in einem Marmeladenglas an den Strand gespült zu werden. Dort wird Ponyo vom fünfjährigen Sosuke gerettet, der den Goldfisch in einem Wassereimer in den Kindergarten und ins benachbarte Altersheim mitnimmt, in dem seine Mutter arbeitet. Durch die Freundschaft mit dem Jungen wachsen Ponyo Beine und Arme. Der Goldfisch verwandelt sich in ein fünfjähriges Mädchen. Die Verwandlung fordert jedoch Fujimoto heraus: Die Fische, die er ausschickt, werden zu Meeresungeheuern. Meterhohe Wellen bedrohen das Küstenstädtchen, in dem Sosuke lebt. Um das Gleichgewicht zwischen Meer und Land wiederherzustellen, ist Ponyo auf Sosukes Hilfe angewiesen.

Nachdem Miyazakis letzte Filme „Chihiros Reise ins Zauberland“ (2001, siehe Filmarchiv) und „Das wandelnde Schloss“ (2004, siehe Filmarchiv) von der Computeranimation teilweise ausgiebig Gebrauch machten, verzichtete der Altmeister bei seinem neuen Werk auf jegliche Animation aus dem Computer. Die vollständig handgezeichneten Figuren muten in ihren vereinfachten Formen darüber hinaus kindlicher als die Charaktere der erwähnten Filme an. Sie erinnern eher an „Mein Nachbar Totoro“, das Meisterwerk von Hayao Miyazaki aus dem Jahre 1988. Diese Vereinfachung in den Figuren steht allerdings keineswegs im Gegensatz zu der aufwändigen Darstellung und Animation des Ozeans und der Wellen. Der Regie-Altmeister lässt die Wellen wie „lebendige Fische“ aussehen. Dadurch, dass die meterhohen Wellen nur von Kindern als großer Schwarm von Fischen erkannt werden, während sie von den Erwachsenen als normale Brandungswellen wahrgenommen werden, nimmt Miyazaki das Grundprinzip aus „Mein Nachbar Totoro“ wieder auf: Nur die ungetrübten Augen der Kinder können die essentielle Wahrheit erkennen.

In „Ponyo – Das große Abenteuer am Meer“ erscheint andererseits das Meer nicht bloß als Schauplatz, sondern als lebendiges Lebewesen. Es wird zu einem Hauptdarsteller, der ein in Miyazakis Filmen immer wiederkehrendes Sujet versinnbildlicht: Die Umweltzerstörung. So führt der Regisseur selbst aus: „Dieser Film ist meine Antwort auf das Leid und die Ungewissheit in unserer heutigen Zeit.“ Das aus den Fugen geratene Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur und darüber hinaus die Überalterung der Gesellschaft – nicht von ungefähr arbeitet Sosukes Mutter in einem Altersheim – sind Themen, die sich vorwiegend an ein Erwachsenenpublikum wenden.

Obwohl sich in „Ponyo – Das große Abenteuer am Meer“ die Figuren nicht so komplex ausnehmen wie etwa in „Chihiros Reise ins Zauberland“ und auch das Drehbuch nicht den anfangs vorgelegten Rhythmus über die gesamte Filmdauer beibehalten kann, besticht der neue Film vom japanischen Altmeister durch die in bunten Farben und präziser Zeichnung wiedergegebene, zauberhafte Freundschaftsgeschichte sowie durch Joe Hisaishis Musik, die den Erzählrhythmus und insbesondere die Meeresbewegungen meisterhaft unterstützt.

Bemerkenswert ist in „Ponyo“ ebenfalls die Darstellung der Familie, die sich von der süßlichen, heilen Welt der meisten Hollywood-Kinderfilme wesentlich unterscheidet. Sosukes Eltern arbeiten hart. Der Vater befindet sich als Seemann so gut wie während der gesamten Filmdauer auf seinem Schiff, so dass Sosuke mit ihm lediglich durch das Funkgerät und die Schiffssignale kommunizieren kann. Die Mutter ist durch ihre außerhäusliche Arbeit ebenfalls die meiste Zeit abwesend. So fällt dem kleinen Sosuke wie weiland Chihiro die Aufgabe zu, seine Eltern zu retten. Mit seinem neuen Film liefert Hayao Miyazaki erneut eine Hommage an die Kindheit.
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