ONDINE – DAS MÄDCHEN AUS DEM WASSER | Ondine
Filmische Qualität:   
Regie: Neil Jordan
Darsteller: Colin Farrell, Alicja Bachleda-Curus, Alison Barry, Stephen Rea, Tony Curran, Dervla Kirwan, Emil Hostina, Don Wycherley, Norma Sheahan, Tom Archdeacon
Land, Jahr: Irland 2009
Laufzeit: 103 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: X -
im Kino: 10/2010
Auf DVD: 2/2011


José García
Foto: Concorde

Der Mythos von den Seejungfrauen, die den Menschen entweder Unheil bringen (Sirenen beziehungsweise Nixen) oder sie beschützen (Wasserfrauen), taucht in zahlreichen Kulturen auf. So konnte Odysseus dem seitdem sprichwörtlich gewordenen Sirenengesang nur deshalb widerstehen, weil er sich an den Mast seines Schiffes binden ließ. Clemens Brentano (1801) und Heinrich Heine (1824) verarbeiteten Anfang des 19. Jahrhunderts die Volkssage der Loreley literarisch, die mit ihrer „wundersame(n) / gewaltige(n) Melodei“ die Schiffer so sehr verzauberte, dass sie nicht mehr auf die gefährliche Strömung achteten und mit ihren Kahnen an den Felsen zerschellten. Die literarische Beschäftigung mit dem Nixenmotiv, die in Hans Christian Andersens Kunstmärchen „Die kleine Seejungfrau“ von 1837 gipfelte, lebte weiter im Film. Eine Variation der Legende vom Fabelwesen aus dem Wasser lieferte zuletzt M. Night Shyamalan in seinem Spielfilm „Das Mädchen aus dem Wasser“ (siehe Filmarchiv). Nun greift das Motiv der irische Regisseur Neil Jordan in seinem Film „Ondine – Das Mädchen aus dem Meer“ auf.

Untermalt von ruhiger Gitarrenmusik fährt ein Fischerboot unter wolkenverhangenem Himmel an der wildromantischen Küste vom irischen Kork vorbei. Als der Fischer Syracuse (Colin Farrell) sein Schleppnetz aus dem tiefblauen Wasser zieht, glaubt er seinen Augen nicht zu trauen: Darin liegt eine junge, scheinbar leblose Frau (Alicja Bachleda-Curus), die sich allerdings bald zu regen beginnt. Das bildhübsche Mädchen, das mit starkem Akzent spricht, zittert nicht nur vor Kälte. Weil sie darüber hinaus eine panische Angst hat, von weiteren Menschen gesehen zu werden, versteckt sie Syracuse kurzerhand im idyllisch an einer verwunschenen Bucht gelegenen Häuschen seiner verstorbenen Mutter.

Die junge Frau aus dem Wasser, die der Fischer „Ondine“ nennt, lässt Syracuse nicht mehr los. Sie begleitet ihn an Bord des Fischkutters, wobei ihre fremdartig klingenden (Sirenen-)Gesänge dafür sorgen, dass sich in Syracuses Käfige mit ungewohnt vielen Hummern füllen. Bald kommt die wegen eines Nierenleidens im Rollstuhl sitzende Tochter des Fischers Annie (Alison Barry), der Syracuse die Begegnung mit Ondine verschwiegen und ein Märchen über Meerjungfrauen erzählt hatte, hinter das Geheimnis ihres Vaters. Für Annie, die sich schnell mit Ondine anfreundet, ist das Mädchen aus dem Wasser einfach eine „Selkie“, eine Robbenfrau, die sich in einen Menschen verwandelt, indem sie am Land ihr Fell ablegt. Syracuse scheint jedoch mehr als nur Freundschaft für die geheimnisvolle Schöne zu empfinden.

Über weite Strecken setzt Regisseur Neil Jordan auf eine märchenhafte, von den alten Sagen inspirierte Anmutung, die sowohl von den „verwunschen“ wirkenden Bildern von Kameramann Christopher Doyle als auch von der traumhaften Musik von Kjartan Sveinsson getragen wird. Zunächst changiert „Ondine – Das Mädchen aus dem Wasser“ zwischen Märchen und konventioneller Liebesgeschichte, die eine deutliche Läuterungskomponente besitzt. Denn der geschiedene Einzelgänger Syracuse, der kurz zuvor dem Alkohol entsagt hat und sich nur mühsam seinen Lebensunterhalt verdient, erwacht durch die Liebe zu „Ondine“ zu neuem Leben.

Einen deutlichen Stilbruch erfährt Jordans Film indes im letzten Drittel, als Ondine von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Aus dem beschaulichen, ruhig erzählten Liebesmärchen wird eine Gangster-Geschichte, die zwar eine rationale Erklärung der Ereignisse bietet, aber auch logische Unstimmigkeiten zutage treten lässt. Denn Neil Jordan scheint sich für die Kriminalhandlung nur insofern zu interessieren, als sie über die realistische Interpretation von Ondines Geschichte hinaus lediglich eine dramaturgische Wendung auf dem Weg zum Happy End liefert. Die lange Zeit durchgehaltene märchenhafte Stimmung in der malerischen irischen Landschaft verträgt sich kaum mit einem allzu realistischen Gangster-Drama.

Katholischen Zuschauern bleibt allerdings die Figur des gutmütigen Dorfpfarrers (Stephen Rea) in guter Erinnerung, der sich mit Engelsgeduld um den nicht ganz bußfertigen Alkoholiker kümmert, der den Beichtstuhl eigentlich als Ersatz für die im Dorf nicht existierende Anonyme Alkoholiker-Gruppe missbraucht.
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