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José GarcÃa Foto: farbfilm Ein älterer Mann sitzt vor einem Laptop und klagt darüber, dass sein Computer ihm nicht âgehorchtâ. Aus dem von der Computerindustrie gerne verwendeten Begriff âPlug & Playâ (âAnschlieÃen und Loslegenâ) ist âPlug & Prayâ (âanschlieÃen und beten, dass es funktioniertâ) geworden. Der spöttisch abgewandelte Begriff dient denn auch dem deutschen Dokumentarfilmer Jens Schanze als Titel für seinen Film, der nach seiner Teilnahme am diesjährigen âDOK.fest Münchenâ nun im regulären Kinoprogramm startet. Die scheinbar alltägliche Szene des Resignierens vor dem Computer erhält allerdings eine ganz besondere Note, wenn der Zuschauer erfährt, um wen es sich beim so hilflos Dreinschauen handelt: Joseph Weizenbaum war von 1970 bis 1988 Professor für Computer Science am weltberühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Bekannt wurde der 1923 in Berlin geborene, 1936 mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten emigrierte Weizenbaum mit der Erfindung des ersten Spracherkennungsprogramms ELIZA im Jahre 1966. Dass einer der Pioniere im Bereich Computer und Künstliche Intelligenz sein eigenes Notebook nicht mehr versteht, wird in âPlug & Prayâ zu einem Sinnbild für die von Joseph Weizenbaum geäuÃerte Kritik an den technologischen Allmachtvisionen, die von der Industrie propagiert werden. Damit erhält aber der ironische Filmtitel über die banale Bedeutung hinaus einen tieferen Sinn: âPlug & Prayâ steht nach den Warnungen des Miterfinders des Computers ebenfalls für âBeten angesichts der Gefahren durch die neuen Technologienâ. Joseph Weizenbaum stellt Schanzes Dokumentarfilm mit Ray Kurzweil den bekanntesten Verfechter der Künstlichen Intelligenz gegenüber. Mit seinen Visionen von der Verschmelzung von Mensch und Maschine sollen âdie biologischen Fesseln der Evolutionâ überwunden werden. Kurzweils Langzeitprojekt: die Ãberwindung des biologischen Todes beim Menschen, ein diesseitiges âewiges Lebenâ. Weil Weizenbaums Tod mitten in die Dreharbeiten für âPlug & Prayâ fiel, stellt dies einen beinah ironischen Kontrapunkt zu Ray Kurzweils ewiges-Leben-Fantasien dar. Um einen Ãberblick über den heutigen Stand der Verschmelzung von Computertechnologie, Robotik, Biologie, Neurowissenschaften und Entwicklungspsychologie zu liefern, besucht Jens Schanze mit seinem Kameramann Börres Weiffenbach Forschungslaboratorien in der ganzen Welt. In Osaka und Kyoto experimentiert Hiroshi Ishiguro insbesondere mit der äuÃeren Erscheinung von Robotern. Sein Ziel: Humanoide Roboter derart zu perfektionieren, dass der Unterschied zwischen Mensch und Maschine nicht mehr feststellbar ist. Giorgio Metta leitet in Genua das Projekt âiCubâ am 2006 gegründeten Italian Institute of Technology. Metta studiert anhand eines humanoiden Roboters mit der Gestalt eines 3-jährigen Kindes die Entwicklung lebenslang lernender künstlicher Systeme. Eine eher praktische Zielsetzung verfolgt Hans-Joachim Wünsche an der Universität der Bundeswehr in München, dessen Forschungsgruppe an der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen arbeitet. Gegen die geradezu euphorische Stimmung, die in solchen Forschungseinrichtungen und insbesondere bei Kurzweils Firma herrscht, baut Jens Schanzes Film dadurch einen Gegensatz, dass er Joseph Weizenbaum nicht nur die meiste Leinwandzeit einräumt, sondern ihn auch immer wieder in GroÃaufnahme zeigt, womit seine mahnende Stimme ein ganz besonderes Gewicht erhält. âPlug & Prayâ könnte sogar als Hommage an den groÃen Skeptiker bezeichnet werden. Seine Mahnungen, die sich in der Frage âIst der Mensch eine Maschine aus Fleisch?â verdichten, bilden das Herzstück von Schanzes Dokumentation. Ein Argument gegen die Fortschrittsgläubigkeit, die Schanzes Film jedoch nicht aufgreift, wurde bereits im Jahre 2000 von Bill Joy geäuÃert. In seinem Essay âWarum die Zukunft uns nicht brauchtâ (F.A.Z. 06.06.2000) schrieb Joy: âDie Robotik träumt davon, den Menschen schrittweise durch Robotertechnologie zu ersetzen, so dass wir gleichsam Unsterblichkeit erlangen, indem wir unser Bewusstsein abspeichern. Doch wenn wir uns in unserer eigenen Technologie abspeichern, welche Chance haben wir dann, hinterher noch wir selbst oder auch nur menschliche Wesen zu sein? Mir scheint es sehr viel wahrscheinlicher, dass ein Roboter nichts mit einem Menschen in unserem Verständnis zu tun hat, dass die Roboter keineswegs unsere Kinder sein werden und dass auf diesem Wege das Menschsein verloren gehen wird.â Im Einzelnen mag die Wissenschaft zwar Fortschritte erzielt haben, wie âPlug & Prayâ an manchen Stellen veranschaulicht. Im Grundsatz bleibt die Diskussion indes auf dem Stand der Jahrhundertwende â dies ist, je nach Standpunkt, das enttäuschende oder das beruhigende Fazit von Jens Schanzes Dokumentarfilm âPlug & Prayâ. |
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