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José GarcÃa Foto: Kinowelt âDas Leben der Anderenâ (siehe Filmarchiv) machte nicht zuletzt dadurch, dass der Spielfilm mit dem Oscar als âBester fremdsprachiger Filmâ ausgezeichnet wurde, Florian Henckel von Donnersmarck weltberühmt. Was kann aber ein Regisseur, nachdem er mit seinem Erstlingswerk einen der wichtigsten deutschen Filme der letzten Jahrzehnte geliefert hatte, als nächstes Projekt in Angriff nehmen? In einem Interview führte der Regisseur dazu aus: âMit dem Oscar ist es leichter, ein Projekt auf die Beine zu stellen, Macht zu bekommen. Aber das Filmemachen wird nicht leichter davon.â Anders ausgedrückt: Der inzwischen nach Hollywood übergesiedelte deutsche Regisseur konnte sich den Stoff für seinen nächsten Film selbst aussuchen, wobei freilich die Erwartungen ungemein hochgeschraubt waren. Florian Henckel von Donnersmarck entschied sich, ehe er wieder zu einem düster-schweren Sujet zurückkehrt, einen Genrefilm âeinzuschiebenâ. Denn der nun anlaufende âThe Touristâ nimmt sich wie einer der Agentenfilme mit wechselnden Identitäten, lebensgefährlichen Verwechselungen und überraschenden Wendungen aus, die im klassischen Hollywood-Film der fünfziger und sechziger Jahre groÃe Verbreitung fanden, und etwa in Alfred Hitchcocks âDer unsichtbare Dritteâ (âNorth by Northwestâ, 1959) und in Stanley Donens âCharadeâ (1963) ihren Höhepunkt erreichten. Die ersten Bilder des Filmes liefert eine Observationskamera: Von einem Lieferwagen aus verfolgen französische Polizisten eine attraktive Frau, die sich auf dem Kopfsteinpflaster von Paris auf hohen Absätzen und in enganliegendem Kleid wie auf einem Laufsteg bewegt. Elise Clifton Ward (Angelina Jolie) wird beobachtet, weil sie die Polizei zu einem der meistgesuchten Betrügern führen kann: Ihr Verlobter Alexander Pearce schuldet dem englischen Finanzamt 877 Millionen Pfund. Kein Wunder, dass die von Chefinspektor Jones (Timothy Dalton) geleitete Abteilung für Wirtschaftskriminalität bei Scotland Yard den mit dem Fall betrauten Inspektor John Acheson (Paul Bettany) mächtig unter Druck setzt, um Alexander Pearce ausfindig zu machen. Die Fahndung wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sich der gewiefte ehemalige Buchhalter des Gangsters Mr. Shaw (Stephen Berkoff) das Gesicht so operieren lieÃ, dass sein jetziges Aussehen niemand kennt, nicht einmal Elise Ward. Wie es so in Agentenfilmen geht, erhält sie in einem Café einen Brief des mysteriösen Pearce zugestellt: Sie soll sich in der Gare du Nord in den Zug setzen, der um 8.22 Uhr abfährt, und sich dort einen Mann mit seiner â Pearces â Statur âaussuchenâ. Auf diese Weise gerät der unauffällige, titelgebende Tourist Frank Tupelo (Johnny Depp) scheinbar zufällig ins Visier von Interpol und Gangstern, die den Mathematiklehrer aus Wisconsin für den gesuchten Pearce halten und bald durch Venedig jagen. Die Ãhnlichkeit mit den Filmen Alfred Hitchcocks beschränkt sich nicht auf die wendungsreiche Handlung. Darüber hinaus übernimmt in âThe Touristâ Angelina Jolie eine ähnliche Funktion wie Grace Kelly etwa in âBei Anruf Mordâ (1954) oder âÃber den Dächern von Nizzaâ (1955): Sie ist Dreh- und Angelpunkt des ganze Filmes. John Seales Kamera liebkost sie, nicht selten in leichter Untersicht, um sie besser zur Geltung zu bringen. Demgegenüber spielt Johnny Depp den âJedermannâ, der vermeintlich wider Willen in einen Strudel von Verfolgungsjagden hineingerät, mit ähnlich zurückgenommener Haltung wie Cary Grant den harmlosen Werbefachmann, der ahnungslos in âDer unsichtbare Dritteâ (1959) in Geheimdienstintrigen verwickelt wurde. Zwar kommt in âThe Touristâ die moderne Kommunikationstechnik nicht zu kurz â beispielsweise wird ein im Zug aufgenommenes Foto in Bruchteilen von Sekunden ins Hauptquartier von Scotland Yard übertragen und dort sofort per Scanner für eine weltweite Suche im Rechner eingesetzt. Die Inszenierung gestaltet Henckel von Donnersmarck jedoch ganz klassisch: Der für groÃe Hollywood-Produktionen wie âRain Manâ, âGorillas im Nebelâ oder âDer englische Patientâ bekannte Kameramann John Seales liefert keine schnell geschnittenen Wackelbilder aus der Handkamera, sondern Hochglanzaufnahmen von Venedig und von mit viel Liebe zum Detail ausgestatteten, noblen Interieurs. Dass beim Agentenfilm der Humor nicht zu kurz kommt, dafür sorgen ârunning gagsâ wie eine elektronische Zigarette oder der Hang Johnny Depps alias Frank Tupelo, jeden Italiener auf Spanisch anzusprechen. Obwohl von der amerikanischen Filmkritik verrissen, wurde âThe Touristâ vom âAuslandspresseverband Hollywoodâ (HFPA) am Dienstag für drei âGolden Globeâ-Preise nominiert. Die Tiefgründigkeit seines Erstlingswerks âDas Leben der Anderenâ besitzt âThe Touristâ gewiss nicht. Wer dies erwartet, muss sich noch gedulden, bis Florian Henckel von Donnersmarck das nach eigenen Angaben bereits fertig gestellte Drehbuch zu seinem nächsten Film umsetzt. Aber unterhaltsames Hollywood-Kino in bester klassischer Tradition ist der neue Film des deutschen Regisseurs mit Wohnsitz in Los Angeles durchaus geworden. |
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