FASTEN AUF ITALIENISCH | L’italien
Filmische Qualität:   
Regie: Olivier Baroux
Darsteller: Kad Merad, Valérie Benguigui, Roland Giraud, Philippe Lefèbvre, Guillaume Gallienne, Farida Ouchani, Nathalie Lévy-Lang
Land, Jahr: Frankreich 2010
Laufzeit: 102 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: X -
im Kino: 1/2011
Auf DVD: 7/2011


José García
Foto: Arsenal

Toto Cutugnos wohl bekanntester Song „L’italiano” erklingt, während sich auf der Leinwand Dino (Kad Merad) fertigmacht: Er rasiert sich die Glatze, schlüpft in den gewiss italienischen Designer-Anzug, hängt sich das nicht gerade unauffällige Kettchen mit dem Kreuz um den Hals, setzt sich die unvermeidliche Sonnenbrille auf: der Inbegriff des echten Italieners, von dem Cutugnos raue Stimme („Sono un italiano, un italiano vero“) erzählt. Einige Augenblicke später – das Lied ist noch zu hören – kommt allerdings eine erste Irritation auf: Die bekannte Silhouette Roms entpuppt sich als Werbeplakat. Das Hinweisschild zeigt an, wohin Dino in seinem nagelneuen Maserati fährt: Nizza.

Dort hat er den perfekten Job. Als Italiener in Frankreich verkauft Dino Fabrizi italienische Luxuswagen. Einziger Haken an Dinos Erfolgsgeschichte: Er ist gar kein Italiener! Weder sein Chef noch die Kollegen, ja nicht einmal seine von ihm stets „Ragazza“ gerufene Freundin Hélène (Valérie Benguigui) wissen, dass Dino Fabrizi eigentlich Mourad Ben Saoud heißt und aus Algerien stammt. So gut wie jedes Wochenende macht er sich auf den Weg zum Flughafen, allerdings nicht, wie er Hélène vorgaukelt, um seine angeblich in Rom lebenden Eltern zu besuchen. Dino fährt ins Parkhaus, nimmt das Kettchen mit dem Kreuz ab, ändert dieses oder jenes Accessoire… und aus dem Parkhaus läuft Mourad in die Ankunftshalle, wo seine tatsächliche Mutter bereits auf den vermeintlich gerade aus Rom Gelandeten wartet.

Wie lange Dino/Mourad dieses Doppelleben bereits führt, erfährt der Zuschauer nicht. In seiner flotten Inszenierung kommt aber Regisseur Olivier Baroux schnell zum einschneidenden Ereignis, das diese Doppelidentität in Frage stellt: Bei einem seiner Besuche bei den Eltern erleidet Mourads Vater einen Herzinfarkt, woraufhin dieser den Sohn bittet, für ihn den Ramadan einzuhalten. Weil er nicht besonders religiös ist, besorgt er sich zunächst einmal in einer Buchhandlung das Buch „Islam für Dummies“ und konsultiert dann einen Imam. Die Vorahnung, die ihn beschleicht, stellt sich als völlig begründet heraus: Im Geschäftsleben gestaltet sich das Einhalten der Gebetszeiten und der Fastengebote als eine Art Hindernislauf. Ganz zu schweigen von der Verpflichtung, sich in seiner nichtehelichen Beziehung vom Geschlechtsverkehr fernzuhalten, für die er Hélène gegenüber allerlei Ausflüchte suchen muss. Als Mourads Chef, der ihn eigentlich zu seinem Nachfolger machen möchte, das neue Verhalten seines „italienischen“ Vorzeigeverkäufers etwas eigenartig vorkommt, droht die Situation außer Kontrolle zu geraten.

Baroux’ Film mit dem im Gegensatz zum vielsagenden Originaltitel „L’italien“ eher einfältigen deutschen Verleihtitel „Fasten auf Italienisch“ hat seine eindeutige Stärke in der Auswahl des Hauptdarstellers: Der selbst in Algerien geborene Franzose Kad Merad hat sein komödiantisches Talent mit leicht melancholischem Unterton in „Willkommen bei den Sch’tis“ (siehe Filmarchiv) bereits unter Beweis gestellt. Seinen Dino/Mourad gestaltet er als Zielscheibe der Situationskomik, ohne ihn jedoch der Lächerlichkeit preiszugeben. Darüber hinaus beweist Olivier Baroux ein gutes Gespür für Erzählrhythmus, das von der Musik, etwa im Kontrast zwischen arabischer und italienischer Musik, bestens unterstützt wird.

Wie alle guten Komödien spricht Regisseur Olivier Baroux’ Film auf witzig-humorvolle Art auch tiefgründige Themen an, insbesondere das Integrationsproblem der Franzosen mit sogenanntem Migrationshintergrund – was freilich ebenfalls sowohl auf Deutschland als auch auf andere europäische Länder Anwendung finden könnte. Dass in Frankreich ein Italiener einfacher Arbeit und Wohnung findet als der Sohn von algerischen Immigranten, dürfte keine neue Erkenntnis sein. Sie wird hier jedoch durch eine beschwingte Inszenierung bildlich vorgeführt, die auf allzu plakative Effekte verzichtet. Dazu führt Hauptdarsteller Kad Merad aus: „Wir wollten keinen politischen Film machen, aber die Geschichte kratzt an einem sehr zeitgemäßen Thema, am Verständnis von Identität und Nationalität. Der Film blickt wie durch eine Lupe darauf, macht eine Bestandsaufnahme. Zwar mit komischen Mitteln, aber die Aussage stützt sich auf die Realität.“ Dass aber Mourad zu sich selbst und zu seinen Wurzeln findet, enthüllt ein weiteres Sujet von „Fasten auf Italienisch“: die Familie. Die Bedeutung, die ihr Olivier Baroux’ Film beimisst, wird nicht nur etwa in den witzigen und ernsten, aber immer liebevollen Dialogen deutlich, sondern insbesondere auch in der Vater-Sohn-Beziehung, die in einer bewegenden Geste gipfelt und sich am Schluss von „Fasten auf Italienisch“ als dessen eigentlicher Kern herausstellt.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren