BROTHERS | Brothers
Filmische Qualität:   
Regie: Jim Sheridan
Darsteller: Tobey Maguire, Jake Gyllenhaal, Natalie Portman, Sam Shepard, Mare Winningham, Bailee Madison, Taylor Geare, Patrick Flueger, Clifton Collins Jr., Jenny Wade, Carey Mulligan
Land, Jahr: USA 2009
Laufzeit: 104 Minuten
Genre: Dramen
Publikum:
Einschränkungen: X -, G
im Kino: 1/2011
Auf DVD: 5/2011


José García
Foto: Koch Media

Im Gegensatz zum deutschen Kino, das seit jeher in aller Regel nicht-deutschsprachige Filme in einer synchronisierten Fassung zeigt, kennt die amerikanische Filmindustrie keine Synchronisierung. Und weil untertitelte Spielfilme – wie etwa in Deutschland, aber im Unterschied zu anderen europäischen oder auch zu den südamerikanischen Ländern – nur sehr eingeschränkt eingesetzt werden, verbleibt nur noch eine Möglichkeit: Ein herausragender, aber eben nicht-englischsprachiger Film wird nach demselben Drehbuch neu gedreht – daher der Fachausdruck „Remake“. Übrigens: Dies war die allgemeine Praxis zu Beginn des Tonfilmes Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts: Damals wurde derselbe Film mit unterschiedlicher Besetzung in verschiedenen Sprachen gedreht.

Jim Sheridans nun anlaufendes Familiendrama „Brothers“ ist eine Neuverfilmung des Filmes „Brothers – Zwischen Brüdern“ („Brødre“, siehe Filmarchiv) der dänischen Regisseurin Susanne Bier aus dem Jahre 2004. Sheridan bildet zwar die Vorlage so gut wie Szene für Szene ab und siedelt seinen Film außerdem in einer amerikanischen Stadt in Minnesota an, einem Dänemark sehr ähnlichen US-Bundesstaat. Dennoch nimmt sich sein Remake keineswegs wie eine Durchpause aus, was insbesondere dem eindringlichen Spiel der Hauptakteure zu verdanken ist.

Sheridans „Brothers“ erzählt denn auch von zwei Brüdern, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Captain Sam Cahill (Tobey Maguire) führt ein glückliches Familienleben mit Frau Grace (Natalie Portman) und den zwei niedlichen Töchtern Isabelle und Maggie. Dem Vorbild seines Vaters (Sam Shepard) folgend, eines Vietnamveterans, hat er sich in der Armee bewährt und wurde mehrfach ausgezeichnet. Sein Bruder Thommy (Jake Gyllenhaal) kommt gerade aus dem Gefängnis. Sein zielloses Leben ist vor allem dem strengen Vater ein Dorn im Auge. Als nun Sam zum vierten Mal in den Einsatz in Afghanistan zieht, gibt er ein Abschiedsessen, zu dem er gegen Graces Wunsch auch Thommy einlädt, und bei dem das gespannte Verhältnis zwischen dem schwarzen Schaf und dem Vater wieder einmal eskaliert.

Als gleich an seinem ersten Tag in Afghanistan Sams Hubschrauber abgeschossen wird, erklärt ihn die Armee für tot. Bei der Trauerbewältigung hilft Grace ausgerechnet Thommy, der sich mit der wachsenden Verantwortung für seine Schwägerin und seine kleinen Nichten zusehends ändert. Thommy nimmt immer mehr den Platz seines Bruders ein – was allerdings in der Beziehung zu Grace nicht über einen flüchtigen Kuss hinausgeht. Für das wachsende Zusammengehörigkeitsgefühl steht symbolhaft die unfertige Küche im Haus der Cahills, die nun Thommy mit ein paar Freunden renoviert, und die Sam irgendwann einmal, nachdem er heimgekehrt ist, demolieren wird. Denn Sam hat überlebt, aber die Schuld, die er bei einer grausamen Tat während der monatelangen Haft auf sich lud, hat ihn zutiefst verwandelt. Selbst seine eigenen Töchter haben nun Angst vor dem traumatisierten und unberechenbaren Vater, und fühlen sich beim liebevollen Onkel geborgen.

Wie bereits Susanne Bier in „Brødre“ kontrastiert auch Jim Sheridan die kalten Farben der Schneelandschaft Minnesotas mit den hellen Tönen unter der gleißenden Sonne Afghanistans, um seinen Film zwar konventionell, aber auch fernab der typischen Hochglanzbilder Hollywoods zu inszenieren. Die größte Stärke von „Brothers“ liegt indessen in der intensiven schauspielerischen Leistung der drei Protagonisten, die dem Drama eine außerordentliche Tiefe verleihen. Sie werden darüber hinaus von den zwei Kindern – der zehnjährigen Bailee Madison als Isabelle und der achtjährigen Taylor Geare als Maggie – bestens unterstützt. Die markerschütternde Eindringlichkeit, mit der ganz besonders Isabelle den Schmerz angesichts der Veränderung ihres Vaters ausdrückt, gehört zu den herausragenden Momenten von Sheridans Film. Aber auch der wie gewohnt souverän agierende Sam Shepard als alkoholabhängiger Vater fügt in Form einer am Rande spielenden Nebenhandlung ein weiteres Drama hinzu.

Ohne Pathos behandelt „Brothers“ universelle Fragen wie Trauer- und Schuldbewältigung. Nicht Kriegskritik steht im Mittelpunkt des Spielfilmes, sondern eher die seelischen Wunden, die der Krieg hinterlässt. In dieser Hinsicht geht die Neuverfilmung gar einen Schritt weiter als das dänische Original, weil Sheridans Film den kausalen Zusammenhang zwischen Sams Erlebnissen in der Gefangenschaft und dem Familiendrama stärker betont. Die Verarbeitung des vom heimkehrenden Soldaten Erlebten steht somit im Mittelpunkt von „Brothers“. Ein Sujet, das bereits der Vietnamkriegsfilm kennt und nun für den Afghanistan- und Irakkrieg aktualisiert wird.
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