THE KING’S SPEECH | The King’s Speech
Filmische Qualität:   
Regie: Tom Hooper
Darsteller: Colin Firth, Helena Bonham Carter, Guy Pearce, Michael Gambon, Geoffrey Rush, Timothy Spall, Jennifer Ehle, Derek Jacobi, Anthony Andrews, Eve Best
Land, Jahr: Großbritannien / Australien 2010
Laufzeit: 118 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 2/2011
Auf DVD: 7/2011


José García
Foto: Senator

Ein Mikrophon in Großaufnahme. Bereits in diesem Bild findet sich der Kern der Handlung von „The King's Speech“ verdichtet: Wir schreiben das Jahr 1925. Seit wenigen Jahren werden öffentliche Reden nicht nur per Lautsprecher, sondern auch mittels Rundfunk an die Öffentlichkeit übertragen. Weil Hörfunkübertragungen noch in den Kinderschuhen stecken, bereiteten sich die Sprecher mit speziellen Atmungs- und Sprechübungen darauf vor. Auch dies zeigt Tom Hoopers Spielfilm in Nahaufnahme. Die unterschwellige Komik dieser Szene prägt den humorvollen Ton, der sich wie ein roter Faden durch „The King's Speech“ zieht. Es folgt eine Super-Großaufnahme des Mikrophons aus der subjektiven Perspektive: Albert Herzog von York (Colin Firth), zweiter Sohn des Königs Georg V., soll die Abschlussrede für die Empire-Ausstellung im Londoner Wembley-Stadion halten. Da die Ausstellung zur Verbundenheit zwischen dem Vereinigten Königreich und dessen ehemaligen Kolonien („Commonwealth“) beitragen soll, wird die Rede in die halbe Welt übertragen. Für Bertie, wie der Herzog von York im Familienkreis genannt wird, endet seine erste öffentliche Ansprache in einem Desaster: Wegen seines Stotterns bekommt er kaum ein paar abgehackte Worte heraus. Die Qual ist dem Publikum, insbesondere aber seiner Frau Elisabeth (Helena Bonham Carter) unmissverständlich anzusehen.

Nach erfolglosen Therapien bei renommierten Ärzten nimmt Berties Frau die Angelegenheit in die Hand: Sie besucht den Sprachtherapeuten Lionel Logue (Geoffrey Rush), einen extrovertierten Australier und gescheiterten Shakespeare-Theaterschauspieler mit unkonventionellen Methoden. Obwohl sich der Herzog von York zunächst wenig angetan zeigt von der für ihn viel zu direkten Art des Therapeuten – es kommt deswegen zu einem zwischenzeitlichen Bruch zwischen ihm und Logue –, wird Bertie Jahre später die Sitzungen wieder aufnehmen. Dass dies erforderlich ist, bestätigt der Lauf der Geschichte: Im Jahre 1936 stirbt Berties Vater, König Georg V. (Michael Gambon). Zwar besteigt dessen ältester Sohn (Guy Pearce) als Edward VIII. den britischen Thron. Aber das Festhalten an seiner Beziehung zur geschiedenen Wallis Simpson (Eve Best) zwingt ihn nach nur wenigen Monaten zur Abdankung. Bertie wird im Jahre 1936 König des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland mit dem Namen Georg VI. Vor seine größte Bewährungsprobe sieht er sich am 3. September 1939 gestellt, als der König in der filmtitelgebenden Ansprache Adolf Hitler den Krieg erklärt.

Hoopers Film basiert auf wahren Tatsachen. Die zwei Männer blieben bis zum Tod des Königs 1952 freundschaftlich verbunden. Georg VI. erhob Logue aus Dankbarkeit zu einem Commander im Royal Victorian Order. Das Drehbuch von David Seidler konzentriert sich auf die außergewöhnliche Männerfreundschaft zwischen den unterschiedlichen Charakteren. Wie etwa auch in „Die Queen“ (DT vom 11.1.2007) gilt das Interesse des Regisseurs den privaten Gegebenheiten der „Royals“. Dementsprechend inszeniert Hooper „The King's Speech“ als Kammerspiel mit ganz wenigen Außenaufnahmen. Kameramann Danny Cohen erzeugt jedoch mit seinem Weitwinkelobjektiv sehr modern wirkende Bilder. Obwohl sie bei manchen langsamen Kamerafahrten ganz nah an die Grenze zum Manierismus kommen, schaffen diese Großaufnahmen eine ungewöhnliche Nähe zu den Figuren.

Denn „The King's Speech“ ist vor allem ein Schauspieler-Film: Firths zurückgenommenes Spiel hat ihm nicht nur einen „Golden Globe“ und den diesjährigen britischen BAFTA-Preis eingebracht. Darüber hinaus gilt er als aussichtsreicher Anwärter auf den Oscar. Rush stellt den legeren, aber in seinen Methoden („My castle, my rules“) sehr fordernden Australier nicht nur mit viel Verve, sondern insbesondere auch mit bestimmender Körpersprache dar. Bonham Carter zeigt nach exzentrischen Rollen als zukünftige „Queen Mum“ einen wohltuenden Minimalismus, der sich in kleinen Gesten ausdrückt. Lediglich Timothy Spall chargiert als Winston Churchill übermäßig – er tritt glücklicherweise in wenigen Szenen auf.
Der ansprechende Gesamteindruck wird durch das stimmige Produktionsdesign von der Frisur und den Kleidern von Bonham Carter bis etwa den Aufzug in der Praxis des Sprachtherapeuten unterstrichen. Dazu trägt ganz besonders auch der mit klassischen Kompositionen ergänzte Soundtrack von Alexandre Desplat bei: Dass er beispielsweise die Ansprache vom 3. September 1939 mit dem zweiten Satz von Beethovens siebter Sinfonie unterlegt, betont den Glauben an „das andere Deutschland“.
Am Sonntagabend wurde „The King's Speech“ mit sieben britischen Filmpreisen, darunter als „Bester Film“, ausgezeichnet. Mit insgesamt zwölf Nominierungen gilt Tom Hoopers Film als der große Favorit für die diesjährige Oscarverleihung. Ganz gleich, wie viele Statuetten er dann am 27. Februar gewinnt, eines steht jetzt schon fest: „The King's Speech“ ist ohne Zweifel einer der Höhepunkte des Kinojahres.
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