WER IST HANNA? | Hanna
Filmische Qualität:   
Regie: Joe Wright
Darsteller: Saoirse Ronan, Eric Bana, Tom Hollander, Olivia Williams, Jason Flemyng, Jessica Barden, Cate Blanchett, Michelle Dockery
Land, Jahr: USA / Großbritannien / Deutschland 2011
Laufzeit: 111 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G ++
im Kino: 5/2011
Auf DVD: 11/2011


José García
Foto: Sony

Der englische Filmregisseur Joe Wright landete gleich mit seinem ersten Kinofilm „Stolz und Vorurteil“ („Pride & Prejudice“, 2005) einen großen Erfolg. Die Jane Austen-Filmadaption durch den damals gerade einmal 33-jährigen Briten blieb dem Zuschauer insbesondere wegen der in langen Einstellungen wiedergegebenen wunderschönen Bilder und wegen seiner zwanzigjährigen Hauptdarstellerin Keira Knightley in Erinnerung. Mit Keira Knightley in einer der Hauptrollen drehte Wright seinen zweiten Spielfilm „Abbitte“ („Atonement“, siehe Filmarchiv) nach dem gleichnamigen Roman von Ian McEwan. Exquisite, lichtdurchflutete Interieurs wechselten sich mit langen Plansequenzen ab. Über eine bloße romantische Geschichte hinaus behandelte „Abbitte“ jedoch tiefgreifende ethische Fragen um Schuld und Sühne. Wrights zweiter Kinofilm machte außerdem eine 12-jährige Schauspielerin weltbekannt: Saoirse Ronan, die den gestandenen Darstellern durchweg die Schau stahl.
Mit Saoirse Ronan besetzt nun Joe Wright die Hauptrolle seines aktuellen Spielfilmes „Wer ist Hanna?“. Nach den erwähnten Literaturverfilmungen mag es überraschen, dass der britische Regisseur mit „Wer ist Hanna?“ einen regelrechten Actionthriller inszeniert. Allerdings kommen die ethischen Fragen unter der actiongeladenen Oberfläche des Filmes nicht zu kurz.

Eine lange Einstellung zeigt eine aus Schnee und Eis bestehende, gleißend weiße Landschaft. Plötzlich erscheint ein Jäger im Wald. In der Abgeschiedenheit der finnischen Wälder wird ein etwa 16-jähriges Mädchen einem extrem harten Training unterzogen: Hanna (Saoirse Ronan) muss laut den Anweisungen ihres Vaters und Trainers Erik (Eric Bana) „immer bereit“ für den Nahkampf sein. Die harte Schulung schließt darüber hinaus das Memorieren von Lexikonwissen und das Erlernen von mehreren Sprachen mit ein. Zunächst bleibt dies alles ziemlich mysteriös, wozu ebenfalls der deutsche Verleihtitel „Wer ist Hanna?“ gegenüber dem schlichten Originaltitel „Hanna“ beiträgt. Auch deshalb drängt sich der Vergleich mit der „Kampfmaschine“ Jason Bourne („Die Bourne-Identität“, 2002) auf.
Nach der Exposition treibt eine Entscheidung Hannas die Handlung voran: Sie meint, endlich für die Mission gerüstet zu sein, für die sie von ihrem Vater jahrelang ausgebildet wurde. Sie verlässt die einsame Waldhütte, was freilich die CIA auf den Plan ruft. Nachdem sich Hanna und Erik getrennt haben, werden sie nun durch die halbe Welt gejagt. Hanna wird schnell gefangen genommen, und wacht in einem unterirdischen Bunker auf. Nachdem sie von dort dank ihrer schier übermenschlichen Kampfkünste fliehen kann, taucht sie mitten in der marokkanischen Wüste auf. Dort findet sie bei einer Hippie-Familie Aufnahme, mit deren Tochter sich Hanna angefreundet hat. Die Reise im Familienbus führt sie zunächst nach Frankreich, wohin sie von einem Kleinganoven und zwei Skinheads aus Hamburg verfolgt wird. Hannas Reiseziel: Berlin, wo sie ihren Vater treffen und sich an der Geheimdienstchefin Marissa Wiegler (Cate Blanchett) rächen soll, die für den Tod ihrer Mutter wohl verantwortlich ist. In Berlin wird sie aber auch nach und nach das Entscheidende über ihre Vergangenheit erfahren. Für den Zuschauer wird sich ebenfalls die im deutschen Filmtitel enthaltene Frage abschließend klären, die mit genetischen Eingriffen im Zusammenhang steht, womit „Wer ist Hanna?“ eine tiefgründige Dimension jenseits des bloßen Actionthrillers erhält.

Obwohl sich das Drehbuch der Erstlingsautoren Seth Lochhead und David Farr keineswegs stimmig ausnimmt, hilft das hohe, von der teilweise psychedelischen Filmmusik der Elektroband „Chemical Brothers“ unterstützte, Tempo über die Logikunstimmigkeiten hinwegzukommen. Die Kamera von Alwin Küchler wechselt lange Einstellungen und Sequenzen mit schnellen Schwenks ab, wobei die Kampfszenen zwar teils aus ausgefallenen Perspektiven inszeniert werden, aber ohne die sonst übliche Wackelkamera auskommen. Den ständigen Rhythmuswechsel unterstreicht ebenfalls die Montage von Paul Tothill, die schnelle Schnitte etwa in den Kampf- und Verfolgungsszenen mit langen Nahaufnahmen von Hannas Gesicht verknüpft, die das Geheimnisvolle an ihr zu erkunden suchen.

Dass die Schlusssequenz von „Wer ist Hanna?“ im Berliner Spreepark gedreht wurde, wo die böse Hexe Marissa buchstäblich aus dem Rachen des bösen Wolfs zum Showdown erscheint, betont den märchenhaften Charakter von Joe Wrights Film. „Wer ist Hanna?“ verwebt großartige Schauwerte mit rasender Action, aber auch mit Elementen des Science-Fiction-Genres.
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