SOURCE CODE | Source Code
Filmische Qualität:   
Regie: Duncan Jones
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Michelle Monaghan, Vera Farmiga, Jeffrey Wright, Michael Arden, Cas Anvar, Russell Peters, Brent Skagford, Craig Thomas
Land, Jahr: USA / Frankreich 2011
Laufzeit: 93 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 6/2011
Auf DVD: 10/2011


José García
Foto: Kinowelt

Der britische Regisseur Duncan Jones lieferte mit „Moon“ (siehe Filmarchiv) ein viel gefeiertes Spielfilmdebüt. Der Science-Fiction-Film, der bemerkenswerte Fragen über das Menschsein stellte, zeichnete sich durch eine minimalistische Inszenierung und eine geschmackvolle Ästhetik aus. Dem Science-Fiction-Genre bleibt der 1971 geborene Sohn von David Bowie auch in seinem zweiten Spielfilm „Source Code“ treu, auch wenn er diesmal nicht sein eigenes, sondern das Drehbuch von Erstlingsautor Ben Ripley verfilmt.

Die ersten Einstellungen zeigen die mit einer nervösen Musik unterlegten, fotorealistischen Bilder einer Großstadt. In einem auf diese Stadt zufahrenden Zug wacht ein junger Mann (Jake Gyllenhaal) plötzlich auf, der völlig desorientiert wirkt. Ihm gegenüber sitzt eine hübsche Frau namens Christina (Michelle Monaghan), die vorsichtige Annäherungsversuche unternimmt. Als sie ihn mit dem Namen Sean anspricht, wird seine Irritation noch größer. Völlig konsterniert sieht er sich im Spiegel auf der Zugtoilette – und entdeckt eine ganz andere Gestalt. Nach acht Minuten reißt eine gewaltige Explosion die Zuginsassen in den Tod. Der junge Mann wacht wieder einmal auf: Er befindet sich in einer Art Kapsel. Mit der Außenwelt ist er lediglich durch einen Bildschirm verbunden, auf dem eine Frau in Uniform (Vera Farmiga) erscheint und mit ihm kommuniziert. Colter Stevens, so sein eigentlicher Name, kann sich nur an einen Hubschraubereinsatz in Afghanistan erinnern.

Von der Frau in Offiziersuniform erfährt Colter – und mit ihm der Zuschauer – vom „Source Code“: Das geheime Programm der US-Armee ermöglicht es, eine Versuchsperson im Körper eines anderen die letzten acht Minuten eines bereits geschehenen Ereignisses immer wieder neu durchleben zu lassen. Die Explosion im Zug könne er also nicht mehr verhindern, wohl aber einen weiteren, vom selben Terroristen geplanten Anschlag, der noch nicht geschehen sei. Seine Mission: Den Täter ausfindig zu machen. Deshalb wird der Soldat immer wieder im Körper des Lehrers Sean für jeweils acht Minuten in den Zug zurückgeschickt. Allerdings verfügt er nicht über beliebig viel Zeit. Denn in der „Realzeit“ ist der Attentäter weiterhin auf freiem Fuß, weshalb Colter bei seinen „Reisen“ nach immer neuen Indizien suchen und diese an die Frau in Offiziersuniform auf dem Bildschirm weiterleiten soll.

Dieses Immer-Wieder-Das-Gleiche-Erleben erinnert vordergründig auf die Zeitschleife, in der sich der Protagonist von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (Harold Ramis, 1993) befand, wozu etwa auch die ähnliche Liebesgeschichte beiträgt. Allerdings mit einem gravierenden Unterschied: Colter kann nichts mehr verändern, weil er lediglich in ein Computerprogramm, in eine Art „Matrix“ reist – das sei nicht die Realität, erklärt ihm der Leiter des „Source Code“-Programms. Selbstverständlich gibt sich der Soldat mit dieser Auskunft nicht zufrieden. Nach und nach fängt er an, neben seinem eigentlichen Ziel, die Identität des Attentäters herauszufinden, nach Möglichkeiten zu suchen, von der „Matrix“ aus mit der „echten“ Welt zu kommunizieren. Dazu wird er einerseits durch den Wunsch, sich mit seinem Vater zu versöhnen, andererseits durch das wachsende Interesse seiner jungen Zugbegleiterin angetrieben. Die Idee der Zukunftsbeeinflussung aus der Zukunft selbst heraus rückt „Source Code“ in die Nähe etwa von Terry Gilliams „Twelve Monkeys“ (1995).

Die verhältnismäßig überschaubaren Schauplätze hat „Source Code“ mit Duncan Jones' Spielfilmdebüt „Moon“ gemeinsam. Aber auch die Dramaturgie setzt ebenfalls darauf, Informationen an den Zuschauer in kleinen Schritten zu liefern, was Jones' Regie mit dem genreüblichen hohen Rhythmus zu vereinbaren weiß. Die Spannung resultiert nicht aus einer Materialschlacht oder aus besonderen Spezialeffekten, sondern aus den ganz vielen Details, die nach und nach enthüllt werden. In der Art, Nervenkitzel hervorzurufen, lehnt sich Duncan Jones offenbar an den Meister des „Suspense“ an. Wie Alfred Hitchcock setzt auch er wohldosierten Humor ein, der über die Konstruiertheit des Drehbuchs hinweghilft.

Trotz einer actiongeladenen Oberfläche setzt Regisseur Duncan Jones eigene humanistische Akzente. Prangerte er in „Moon“ etwa die Gier an, die den Menschen zu einem reinen Kostenfaktor degradiert, so spricht er sich in „Source Code“ dagegen aus, dass ein Soldat als Versuchskaninchen missbraucht wird – und sei es zum hehren Zweck der Terrorismusbekämpfung. Die erlesen kühle Ästhetik von „Moon“ mag Duncan Jones in seinem neuen Spielfilm nicht erreichen. Mit „Source Code“ liefert er jedoch einen spannenden und zugleich intelligenten Science-Fiction-Film, der nicht auf Technik, sondern auf den menschlichen Faktor setzt.
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