THE WAY BACK – DER LANGE WEG | The Way Back
Filmische Qualität:   
Regie: Peter Weir
Darsteller: Ed Harris, Colin Farrell, Jim Sturgess, Saoirse Ronan, Alexandru Potocean, Gustaf Skarsgård, Mark Strong, Dragos Bucur, Sebastian Urzendowsky
Land, Jahr: USA 2010
Laufzeit: 132 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 7/2011
Auf DVD: 10/2011


José García
Foto: Splendid

Im Jahre 1959 erreichte die Fernsehadaption des auf einer wahren Begebenheit beruhenden Heimkehrerromans „So weit die Füße tragen“ (1955) höchste Einschaltquoten (damals hieß so etwas „Straßenfeger“). Die Flucht des deutschen Soldaten Clemens Forell aus einem sibirischen Kriegsgefangenenlager wurde 2001 von Hardy Martins fürs Kino neuverfilmt. Dieser Film gehört zusammen etwa mit „Das Massaker von Katyn“ von 2007 (siehe Filmarchiv) des polnischen Altmeisters Andrzej Wajda zu den ganz wenigen Spielfilmen, die von den menschenverachtenden Grausamkeiten der Sowjetunion erzählen.

Der nun anlaufende Spielfilm „The Way Back – Der lange Weg“ des australischen Regisseurs Peter Weir zeichnet nach einem auf dem Roman „The Long Walk: The True Story of a Trek to Freedom“ von Slavomir Rawicz basierenden, zusammen mit Keith R. Clarke selbstverfassten Drehbuch den 6000 Kilometer „langen Weg“ nach, den sieben Gefangene zurücklegten, nachdem die im Jahr 1940 aus einem sibirischen Straflager ausbrachen. Der Film beginnt mit der Verurteilung des jungen polnischen Offiziers Janusz (Jim Sturgess) wegen angeblicher Spionage zu 20 Jahren Arbeitslager. In Sibirien erkennt er schnell, dass die einzige Chance, in diesem aus härtester Arbeit und unmenschlichen Lebensbedingungen bestehenden System zu überleben, in der Flucht besteht. Janusz freundet sich mit dem russischen Schauspieler Khabarov (Mark Strong) an, der zwar ständige Fluchtpläne schmiedet, die er aber kaum jemals umsetzen wird. Um einen realistischen Ausbruch zu versuchen, muss der polnische Offizier andere Verbündete finden.

Einer, der auf jeden Fall dabei sein will, ist der verschlossene Amerikaner Mr. Smith (Ed Harris), der mit seinem Sohn nach Russland kam, um am Bau der Moskauer U-Bahn als Statiker zu arbeiten. Zur Ausbrecher-Gruppe gehören auch der künstlerisch begabte Pole Tamasz (Alexandru Potocean) und sein Landsmann Kazik (Sebastian Urzendowsky), der sich als nachtblind herausstellt, ferner der schwächliche, aber humorvolle Jugoslawe Zoran (Dragos Bucur) sowie der lettische Priester Voss (Gustaf Skarsgård), der einen schrecklichen Vorfall in seiner Vergangenheit zu bewältigen hat. Ihnen schließt sich noch der gewalttätige Russe Valka (Colin Farrell) an, der als Straßenkrimineller ganz oben in der Lagerhierarchie steht. Die Dramaturgie von „The Way Back“ baut größtenteils auf die Rivalität zwischen Mr. Smith und dem Russen, dem der Amerikaner nicht über den Weg traut.

Die zügig inszenierte Flucht aus dem Straflager gelingt der Ausbrechergruppe verhältnismäßig leicht. Dies stellt sich jedoch als das geringste Problem dar, hatte der Lagerkommandant doch bereits bei Janusz’ Ankunft verkündet: „Es sind weder unsere Gewehre noch unsere Hunde noch unser Stacheldraht, die euer Gefängnis bilden. Sibirien ist euer Gefängnis.“ Mit nur wenig Lebensmitteln und kaum Ausrüstung machen sich die sieben Männer zu einem Marsch durch den sibirischen Winter bei Temperaturen bis zu minus 40 Grad auf. Am Baikal-See stößt zu ihnen die junge Polin Irena (Saoirse Ronan), die sie zunächst gar nicht aufnehmen wollen. Als sie die Grenze der Sowjetunion erreichen, stellen sie fest, dass die Mongolei ebenfalls kommunistisch geworden ist. Deshalb muss die Reise zunächst durch die Wüste Gobi, später sogar über das Himalaja-Gebirge weitergehen. Hunger und Erschöpfung, die sibirische Kälte und die unerbittliche Hitze in der Wüste fordern ihren Tribut: Die Gruppe wird immer kleiner, nur wenige werden in Indien ankommen.

Regisseur Peter Weir hält sich bei einigen Episoden kurz auf, andere – etwa die Überquerung der Wüste Gobi – beschreibt er ausführlicher. Für das in Bulgarien, Marokko und Indien gedrehte Epos schafft Kameramann Russell Boyd großartige Bilder, die allerdings kein Zweck für sich sind. Sie zeigen vielmehr, wie verloren sich der Mensch in der erbarmungslosen Natur vorkommt. Ein Gefühl, das von der teilweise getragenen Musik von Burkhard Dallwitz verstärkt wird. Kämpfte im Arbeitslager jeder für sich, so müssen die Ausbrecher in der Wildnis zusammenhalten. Das Überleben in der harten Natur, etwa die teilweise äußerst schwierige Beschaffung von Lebensmitteln, führt allerdings auch zur Verrohung und zum Konkurrenzkampf. In diesem Zusammenhang spielt die junge Polin eine bedeutende Rolle: Sie bringt einerseits die Männer zum Reden, so dass der Zuschauer Einiges über ihren Hintergrund erfährt. Andererseits erweckt sie in den gefühllos gewordenen Männern den Beschützerinstinkt. Dazu führt Drehbuchautor Keith R. Clarke aus: „Wenn sie sich entschließen, das Mädchen zu beschützen, ist das aus meiner Sicht ein Akt des Widerstands gegen den Gulag, als würden sie sagen ‚Du hast mir meine Menschlichkeit nicht genommen’.“

Darüber hinaus spricht „The Way Back“ aber auch tiefgründige Themen an: Das Abtragen von Schuld, aber auch Versöhnung und Liebe stellen sich als der größte Antrieb heraus, um diesen schier unmenschlich „langen Weg“ auf sich zu nehmen.
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