MEIN ZIEMLICH KLEINER FREUND | Un homme à la hauteur
Filmische Qualität:   
Regie: Laurent Tirard
Darsteller: Jean Dujardin, Virginie Efira, Cedric Kahn, Stéphanie Papanian, César Domboy, Edmonde Franchi, Bruno Gomila, Manuele Gaillard
Land, Jahr: Frankreich 2015
Laufzeit: 99 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 9/2016
Auf DVD: 1/2017


José Garcia
Foto: Concorde

Nach einem anstrengenden Tag erhält Diane (Virginie Efira) den Anruf eines Unbekannten. Ein gewisser Alexandre behauptet, ihr Handy in einem Café gefunden zu haben. Mit seinem witzigen Charme und seiner Offenheit wickelt Alexandre die Gesprächspartnerin um den Finger. Ein Abendessen mit dem Unbekannten schlägt die Anwältin um die vierzig aber ganz entschieden aus. Gegen einen Kaffee am Nachmittag hätte sie jedoch nichts einzuwenden. Auf die Frage, wie sie sich erkennen werden, antwortet Alexandre schlagfertig: Erstens wisse er, wie sie aussieht. Und zweitens, er selbst sei gar nicht zu übersehen.

Dass dies wirklich zutrifft, erfährt Diane und mit ihr der Zuschauer sofort: Alexandre (Jean Dujardin) misst gerade mal 1,36 Meter. Der Schock, der sie zunächst trifft, ist aber schnell verflogen. Denn Alexandre ist wirklich charmant und witzig, so dass Diane nichts dagegen hat, alle Termine für den Nachmittag abzusagen und sich auf eine Überraschung einzustellen. Diese besteht in einem Tandem-Fallschirmsprung, was für sie ein ziemlich aufregendes Erlebnis bedeutet. Dies bleibt nicht das einzige außergewöhnliche Treffen, denn Alexandre scheint in Marseille ziemlich ausgefallene Lokale zu kennen. Bald weiß Diane, dass Alexandre als Architekt durchaus bekannt - zurzeit baut er die Oper in Lüttich um - und damit offenbar auch ziemlich reich geworden ist. Darüber hinaus kümmert er sich um die Karriere seines (fast) erwachsenen Sohnes, der noch zu Hause wohnt.

Nach und nach verliebt sich Diane in Alexandre. Obwohl der Größenunterschied für sie bald kaum etwas zählt, traut sie sich nicht, sich öffentlich zu ihm zu bekennen. "Wie alle kleinen Mädchen habe ich vom großen starken Prinzen geträumt, der mich auf sein Schloss trägt", gesteht etwa die erfolgreiche Anwältin ihrer Sekretärin (Stéphanie Papanian). Bald hat sie den Spott ihres geschiedenen Mannes Bruno (Cédric Kahn) zu ertragen, mit dem sie sich drei Jahre nach der Trennung immer noch die Kanzlei teilt, aber auch ihrer eigenen Mutter Nicole (Manoëlle Gaillard), die Alexandre nur "den Zwerg" nennt. Liebt sie ihn so sehr, dass sie diesen Spott ertragen kann?

Wie alle Liebeskomödien steht und fällt der Film mit dessen Protagonisten. Jean Dujardin wurde weltweit bekannt, als er mit The Artist (Michel Hazanavicius, 2011) als erster Franzose überhaupt den Oscar als Bester Hauptdarsteller gewann. Die Tricktechnik macht es möglich, dass aus dem 1,80 Meter großen Jean Dujardin der 1,36 hohe Alexandre wird. Den Charmeur verkörpert er jedenfalls glaubwürdig. Nicht minder authentisch agiert Virginie Efira. Nachdem sie bereits in Birnenkuchen mit Lavendel überzeugen konnte, gestaltet sie Diane mit einer Mischung aus Verliebtheit und Scham - Scham davor, sich vor anderen über ihre Beziehung zu Alexandre zu schämen.

Der Film von Drehbuchautor und Regisseur Laurent Tirard ist ein Remake des argentinischen Spielfilms "Corazón de León" ("Löwenherz") von Marcos Carnevale aus dem Jahre 2013. Allerdings sei dieser Film, der weder in Frankreich noch in Deutschland im Kino lief, laut Tirard "sehr südamerikanisch. Er hatte etwas Melodramatisches, Telenovela-haftes - deshalb ergab es Sinn, das Ganze unter europäischen Vorzeichen zu überarbeiten." Melodramatisch wirkt nun "Mein ziemlich kleiner Freund", dessen Originaltitel "Un homme a la hauteur" mit dem Sprachwitz ("Ein Mann auf der Höhe", oder "Ein Mann, der den Umständen gewachsen ist") spielt, überhaupt nicht. Eher hin und wieder etwas vorhersehbar, weil der Film so leicht Gelegenheit für Witze bietet. Einmal korrigiert sich Alexandre beispielsweise: "Als ich klein war - Ich meine, als ich ein Kind war". Ähnliches gilt, wenn Diane ihm vorwirft: "Du nimmst zu viel Platz ein". Ein immer wiederkehrender visueller Witz besteht darüber hinaus darin, dass Alexandres großer Hund ein ums andere Mal aus reiner Freude über das Wiedersehen den "kleinen Mann" umwirft. Weniger verständlich nimmt sich hingegen aus, dass in einer (ur)französischen Liebeskomödie alle Songs auf Englisch gesungen werden.

Die Nebenfiguren, die ja immer für eine Komödie eine große Bedeutung haben, sind in "Mein ziemlich kleiner Freund" außerdem hervorragend besetzt und gezeichnet: Neben Dianes geschiedenem Mann Bruno und der bereits erwähnten Sekretärin sowie Alexandres Sohn zählt dazu noch Alexandres Putzfrau, die in wenigen, aber pointierten Szenen einige lustige Akzente setzen kann.

Das große Manko des Filmes von Laurent Tirard besteht freilich darin, nicht den Mut besessen zu haben, die Figur des Alexandre mit einem echten kleinwüchsigen Schauspieler besetzt zu haben. Trotz des für die optische Täuschung erforderlichen technischen Aufwandes bleibt der Eindruck, mit einem "ausgewachsenen" Darsteller zu tun zu haben, der dank der im Computer erstellten Technologie "reduziert" wird. Dass Alexandre schon als steinreich zu bezeichnen ist und deshalb auch so verrückte Dinge unternehmen kann, hilft natürlich auch dazu, dass sich Diane für ihn interessiert. Allerdings bedeutet dies auch, dass der Film in einem Milieu angesiedelt ist, in dem der schöne Schein einen besonderen Stellenwert besitzt - umso größer ist dann eine Entscheidung gegen Äußerlichkeiten zu bewerten.

Trotz einiger Schwächen plädiert die teils lustige, teils nachdenklich stimmende Komödie für Verständnis gegenüber Menschen, auf die zunächst einmal heruntergeschaut wird - hier sogar in wörtlichem Sinn.
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